Illustration Connected Car / KI und Big Data: Die Data Journey hat begonnen

KI und Big Data haben sowohl in den Unternehmen als auch in den Fahrzeugen selbst einen enormen Einfluss auf die Automotive-Welt. (Bild: Adobe Stock / gidon)

Von sprachgesteuerten Assistenten über teilautonomes Fahren bis zu Echtzeit-Einblicken in Fahrzeug- und Kundentelemetriedaten: Schon seit 2015 fließen in den Data Lake von BMW anonymisierte Daten von Sensoren, Fahrzeugen, Betriebssystemen und Data Warehouses, um historische, Echtzeit- und prädiktive Erkenntnisse zu gewinnen. Täglich mehr als zehn Terrabyte Daten, allein aus 1,2 Millionen Fahrzeugen.

Aber auch in der Produktion helfen große Datenmengen, um vorausschauend etwaige Abweichungen durch automatische Anomalie-Erkennung zu beheben. „Das spart viel Zeit und Geld und erhöht vor allem die Qualität“, betont Philipp Drieger. Er arbeitet als Principal Machine Learning Architect bei dem US-Softwareunternehmen Splunk, das Autobauer wie BMW dabei unterstützt, Mehrwerte aus großen Datenmengen zu gewinnen.

„Datensammlung und -management sind unabdingbar für KI-Anwendungen“, sagt Drieger. Was auch bedeutet: Einfach einen Data Lake volllaufen zu lassen und, wie Drieger es formuliert, einen Angler an den Rand zu stellen, um die richtigen Informationen herauszufischen, wird kaum funktionieren. Besser sei es, Datenströme direkt anzuzapfen und aufzubereiten. Oder aber Analyse- und Machine Learning-Tools in den Data Lake zu integrieren, was mit klassischem Reporting kaum noch etwas zu tun hat.

Was können KI und Big Data in der Autoindustrie bewegen?

Das hat die Branche innerhalb der letzten Dekade begriffen und rüstet in fast allen Bereichen auf – von der Entwicklung über die Produktion bis zum Fahrbetrieb. „Der Motor in der Automobilindustrie heißt Data Science und künstliche Intelligenz“, bescheidet Matthias Lein, Senior Principal Data Engineer bei Alexander Thamm GmbH Data & AI Experts. So beruht die Spracherkennung im Auto auf Natural Language Programming (NLP), die Navigation wird durch lernfähige, intelligente Algorithmen unterstützt. Wobei, so der Experte, „das letzte Wort hier noch nicht gesprochen ist, weil gestreamte Echtzeit-Informationen aus Connected-Car-Flotten die Navigation auf ein neues Niveau heben werden“.

Hinzu kommt, dass bereits heute Fahrerassistenzsysteme und Funktionen, wie die Vorausberechnung des Streckenverlaufs für die automatische Anpassung der Scheinwerfer, zum Teil auf intelligenter Objekterkennung beruhen. Auch in der vernetzten Produktion und im Bereich Predictive Maintenance spielt KI eine immer größere Rolle. „Grundsätzlich können durch den Einsatz von KI in der Automobilindustrie in allen Bereichen große Effizienz- und Ertragssteigerungen realisiert und damit zentrale Kennzahlen verbessert werden“, unterstreicht Drieger.

Bei dieser Technologie bietet KI das größte Potenzial

Paradedisziplin für alles zwischen Data Science und Deep Learning ist das autonome Fahren. „In der öffentlichen Wahrnehmung wird diese Entwicklung oftmals als ein algorithmisches Problem wahrgenommen“, sagt Lein. Doch das allein ist es nicht: „Die Automobilbranche hat schon vor Jahren erkannt, dass man nur durch das konsequente Simulieren von autonomen Fahrten genügend viele ‚Kilometer‘ zusammenbekommt, um zweifelsfrei darlegen zu können, dass autonome Fahrzeuge genauso sicher - oder eben noch sicherer - sind als von Menschen gesteuerte.“ Mit anderen Worten: Ein klassisches Big-Data-Problem. „Je nachdem welche Sensoren verbaut sind, können Datenmengen zwischen 8 und 64 Terabyte pro gefahrener Stunde anfallen“, erklärt Lein, „Bei den Fahrzeugen einer typischen Testfahrzeugflotte sind das schnell viele Petabytes.“

Um trotzdem alle von den Fahrzeugen durchlebte Situationen zu katalogisieren, werde auf maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz zurückgegriffen – anders geht es nicht. Lein: „Wenn alle Informationen aus verschiedenen Verkehrssituationen als Metadaten im Data Lake abgespeichert sind, können Entwickelnde gezielt nach Szenarien suchen, um ihre neuesten Resultate in einer Simulation auszuprobieren.“ Wie hätte ein selbstfahrendes Auto reagiert, wenn es nach einem Überholmanöver direkt in die helle Sonne aus dem Tunnel herausgefahren wäre? „Die Antwort darauf ist dann eine kurze Suche im jeweiligen Datenbestand entfernt“, sagt Lein.

Egal, ob in der Simulation oder realen Situation: „Durch Cloud-Computing werden Echtzeit-Fahrzeug-Feedback, Diagnosen und Leistungsparameter im gesamten Fahrzeug-Ökosystem schneller verfügbar“, erklärt Kay Müller-Jones, Head of Consulting and Services Integration des IT- und Technologieberatungsunternehmens Tata Consultancy Services (TCS), warum ohne schnelle Datenverarbeitung KI-Tools wenig nutzen. „Das ermöglicht zum Beispiel, anderen Fahrzeugen sofort mitzuteilen, ob sich hinter der nächsten Kurve ein Hindernis befindet.“

Was steckt hinter Generative Design?

Nicht zuletzt würden Entwicklung, Wartung und Fahrerlebnis künftig immer stärker durch digitale Zwillinge vorangebracht – wiederum eine Paradeanwendung für Tools, die große Datenmengen möglichst in Echtzeit nutzbar machen. „Digitale Zwillingssimulationen ermöglichen zuverlässige Tests, Analysen und Validierungen, die von der virtuellen Welt in die reale übertragen werden“, erklärt Müller-Jones, „Entwürfe oder Prozesse lassen sich einfach integrieren, teils sogar parallellaufend, und ersparen somit die Kosten für eine oft teure und zeitaufwändige physische Entwicklung.“

Alles das verändere auch das Engineering grundlegend, wenn schon weit vor einem physischen Prototyp die Fahrzeugentwicklung einen hohen Reifegrad erreiche. Für Müller-Jones ist generatives Design daher das Thema der Stunde, also die Kombination aus Computer Aided Design (CAD), Virtual Reality und künstlicher Intelligenz (KI). Dabei legen Ingenieure für sie wichtige Designparameter fest, aus der eine KI-gestützte CAD-Software etliche Varianten für einen Entwurf entwickelt und bewertet, welche davon dem Ziel der Konstrukteure am nächsten kommen.

Ihr Job ist es dabei vor allem, Parameter wie Produkteigenschaften, Gewicht, Bauraum, Materialien, Fertigungsverfahren oder Kostenziele festzulegen – was geht, erkundet die Software. Mit einer Lösung wie von dem US-Softwareunternehmen PTC ist es sogar möglich, Parameter zu definieren, die Fertigungskapazitäten, Anforderungen der Lieferkette und regionale Produktvarianten berücksichtigen. „Damit wandelt sich der Designprozess grundlegend“, sagt Beat Fretz, Solutions Consultant Fellow bei PTC, „Mit Generative-Design-Tools werden gestalterische Anforderungen an ein neues Fahrzeug in immer präziseren Feedbackschleifen angepasst, um letztlich den Vorgaben entsprechend beispielsweise leichtere und zugleich stabilere, nachhaltigere sowie kostengünstigere Bauteile herzustellen.“ KI sorge in einem iterativen Prozess dafür, dass komplexe, und auf den ersten Blick womöglich widersprüchliche, Anforderungen bestmöglich erfüllt werden. Fretz: „So verkürzen Unternehmen Engineering-Zyklen erheblich, womit Innovationen deutlich schneller in Serie gehen können.“

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