ADAS und UX-Test

Zwischen Google Maps und Abbey Road im Polestar 3

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Rund um das Fahrzeug findet sich immer wieder der Polestar-Schriftzug.

Der Polestar 3 vereint skandinavisches Design mit digitaler Stärke: Google-Infotainment, 1.610 Watt Bowers & Wilkins-Sound und präzise Assistenzsysteme. Doch CarPlay-Probleme und hoher Verbrauch trüben den Hightech-Auftritt.

Dieser Test fokussiert primär technologische Elemente. Doch bevor es darum gehen kann, den Innenraum eines Fahrzeugs zu erkunden und später zu bewerten, sieht man ein jedes Auto von außen. Und um es aufzuladen, muss das Ladekabel aus dem Kofferraum herausgenommen werden. Dafür, ja es wird immer banaler, muss dieser geöffnet werden. Doch die gesamte Redaktion tat sich minutenlang schwer, diese Banalität zu meistern. Es sei vorweggenommen, dass der völlig versteckte und deplatzierte Knopf zum Öffnen der Heckklappe des Polestar 3 nicht dazu führen wird, dass das finale Urteil negativ ausfällt. Dennoch muss die Frage erlaubt sein, wie es solche Ideen bis zur Serienreife schaffen können. Sei’s drum. Einmal geöffnet und den Innenraum geentert, fühlen sich Menschen, die bereits in jüngeren Volvos gesessen haben, wie zuhause. Das verwundert nicht, schließlich ist Polestar die schwedische Schwester des Traditionsherstellers – beide unter dem Dach des chinesischen Geely-Konzerns. Dass der Aufbau jedoch derart ähnelt, verwundert etwas, will sich Polestar doch eigentlich klar abgrenzen und als eigene Marke verstehen. Erst im Laufe der Erkundung des Innenraums und der Feinheiten des Infotainment-Systems offenbaren sich Unterschiede.

Infotainment & Sound

Das Infotainment läuft auf Google‑Basis – und das merkt man positiv: Die Oberfläche ist leicht aufgebaut, reagiert sehr schnell und wirkt für alle, die Google‑Dienste kennen, unmittelbar intuitiv. Nach wenigen Minuten sitzt die Bedienung: Profile, Sprachsuche und Apps fügen sich ohne Umwege ein. Im Alltag erweist sich Google Maps als das Maß der Dinge: klare Karten, sinnvolle Ladeplanung und eine Routenführung, die vielen OEM‑Eigenentwicklungen in Aktualität und Übersicht voraus ist. Dass Polestar Funktionen over‑the‑air nachreicht, passt ins Bild.

Akustisch liefert das optionale Bowers & Wilkins‑System die Bühne: 25 Lautsprecher, 1.610 Watt, 3D‑Surround und Dolby Atmos. Seit 17. Juni 2025 erweitert ein per Over‑the‑Air ausgelieferter Abbey‑Road‑Studio‑Modus das Setup. Die vier Voreinstellungen Intimate, Open, Energised und Expansive übertragen die Klangsignatur der Londoner Studios. Dazu kommt ein Producer‑Modus für den letzten Feinschliff. Auf dem 14,5‑Zoll‑Touchscreen erscheinen dazu passende HD‑Studiobilder.

Das Ergebnis ist mitreißend. Man fühlt sich wie ein Kind mit einem neuen Spielzeug, das an virtuellen Reglern dreht und die Bühne nach Belieben verschiebt – einmal nah und warm wie im Regieraum, dann weit und energiegeladen wie bei einem Live‑Konzert. Der Sound bleibt selbst bei fast maximaler Lautstärke kristallklar, Stimmen behalten Kontur, Bässe bleiben straff, feine Details reißen nicht ab. Unabhängig vom Genre entsteht der Eindruck, den Innenraum in einen echten Hörraum verwandeln zu können.

Ein klarer Negativpunkt im Test war jedoch Apple CarPlay. Mit drei unterschiedlichen iPhones klappte die Erstverbindung einmal, danach scheiterte das automatische Wiederherstellen beim erneuten Einsteigen mehrfach. In einem Fahrzeug dieser Preisklasse ist das essenziell – und ein potenzieller Werkstattgrund. Für Nutzer, die CarPlay täglich verwenden, ist das in der aktuellen Form nicht akzeptabel.

Assistenz im Alltag

Auf der Autobahn zeigt der Polestar 3 seine beste Seite. Der Fahrassistent hält Spur und Abstand mit ruhiger, vorhersehbarer Lenk- und Bremscharakteristik. Bis Tempo 150 km/h bleibt der Wagen stabil in der Mitte der Fahrspur, Spurwechsel werden klar angekündigt, und Eingriffe wirken nicht nervös. Trotz der souveränen Führung gilt die klare Anweisung, die Hände am Lenkrad zu lassen; das System ist als Assistenz konzipiert und nicht als Freigabe für weitergehendes automatisiertes Fahren.

Abseits der Autobahn offenbart sich die Kehrseite der Paketlogik. Die Funktion Pilot Assist lässt sich nicht fein aufsplitten: Mit der Aktivierung ist die Lenkunterstützung stets aktiv. In Ortschaften, im dichten Verkehr oder auf Landstraßen mit schwacher Markierung führt das zu häufigen Lenkeingriffen und Warnhinweisen. Das erhöht die kognitive Last und nimmt dem Fahrer Entscheidungen ab, die man in diesen Situationen gerne selbst treffen würde. Eine Option, Abstandsregelung und Spurhalten getrennt zu wählen, würde die Alltagstauglichkeit deutlich steigern.

Die Sensorik sitzt konzentriert in der vorderen „Smart Zone“. Eine Frontkamera, Radar und Beschleunigungssensoren bilden den Kern; ein beheiztes Feld hält die Technik bei Kälte und Schneematsch funktionsfähig. Das akustische Warnsystem AVAS macht sich in Schrittgeschwindigkeit bemerkbar und bleibt dabei unaufdringlich. Für das Modelljahr 2025 kündigt Polestar ein aufgerüstetes Paket mit LiDAR von Luminar an, ergänzt um einen zusätzlichen Orin‑Rechner von Nvidia sowie weitere hochauflösende Kameras. Diese Erweiterung war im Testwagen nicht vorhanden. Sie zeigt die Richtung, ändert jedoch nichts am derzeitigen Funktionsumfang, der bewusst auf die Assistenzstufe Level 2 ausgelegt ist.

Fazit zum Test des Polestar 3

Der Polestar 3 überzeugt als softwarestarkes E‑SUV: Das Google‑Infotainment ist schnell verstanden, Google Maps setzt bei Darstellung und Routenplanung den Standard. Das Bowers‑&‑Wilkins‑System mit Abbey‑Road‑Studio‑Modus ist ein klares Alleinstellungsmerkmal und macht jede Fahrt zum Hörerlebnis. Auf der Autobahn arbeitet die Assistenz ruhig und zuverlässig bis 150 km/h; im Mischverkehr fehlt die Option, Lenk‑ und Abstandsassistent getrennt zu wählen.

Die Schattenseiten: Verbrauch knapp unter 25 kWh/100 km mit entsprechend häufigeren Ladestopps. Apple CarPlay verband sich im Test unzuverlässig. Mit rund 94.000 Euro bleibt der Testwagen für viele Privatkunden außer Reichweite.

Unterm Strich: ein gelungenes Tech‑SUV mit exzellenter Navigation, starkem Sound und intuitiver Bedienung – mit spürbaren Schwächen bei Effizienz, Preis und der fehlenden Granularität der Assistenz.

Alle Tests auf einen Blick: