Am Tag, als der Kanzler das Aus der Ampel-Koalition verkündet, verfolgen wir seine Beschuldigungen gegen Ex-Finanzminister Christian Lindner in einer Position, die der Kanzler wohl selbst nur allzu gut kennt. Beinahe liegend, auf der Rückbank des BMW-Flaggschiffs: Denn genau wie wir, fährt auch Olaf Scholz hin und wieder einen BMW 7er, beziehungsweise wird gefahren. Auf dem gigantischen 31,3 Zoll großen Theatre-Screen läuft im 32:9 Breitbildformat der Livestream der ARD-Mediathek. An einen solchen Chauffeurdienst kann man sich gut gewöhnen. Doch selbst auf dem Fahrersitz kann eher weniger vom herkömmlichen Fahren die Rede sein. Bis Tempo 135 fährt der i7 von allein, lediglich die Augen müssen nach vorne gerichtet sein. Seit Juni 2024 ist der sogenannte Autobahnassistent nun in Kombination mit der, bereits davor verfügbaren, Level-3-Funktion namens Personal Pilot erhältlich – ein Novum. Grund genug, sich die Assistenzfunktionen und das Infotainment des BMW i7 genauer anzusehen.
Im BMW i7 wird auch der Fahrer chauffiert
Das erste Kennenlernen der 5,39 Meter langen Limousine überfordert dezent. Sicherlich auch aus Demut, wenn man bis vor kurzem noch stolzer Besitzer eines VW up war – mehr Kontrast geht wohl kaum. Doch der 7er macht einem die Angewöhnung leicht. Die mehr als 30 Kameras, Lidar-, Radar- und Ultraschallsensoren, eine HD-Karte von Here, ein neuer Software-Stack sowie eine Rechenplattform, die über 5G an die BMW Cloud angebunden ist, lassen nicht nur das Einparken und Wenden zur Leichtigkeit werden. Erstmalig kommen Acht-Megapixel-Kameras von Mobileye zum Einsatz, wodurch die Anzahl der Frontkameras bei gleichzeitiger Verdoppelung der Messpunkte reduziert wurde.
Nach kurzem Vorstadtverkehr geht es direkt ab auf die Autobahn. Ein schneller Klick auf den Button links am Lenkrad und schon leuchtet das grüne Steuer-Symbol im Cockpit und Head-up-Display auf. Wenige Sekunden später wird auch schon angezeigt, dass der Assist Plus „ready“ ist. Von nun an dürfen die Hände vom Lenkrad genommen werden, der Autobahnassistent übernimmt. Sicherlich ist das Empfinden dieser Kontrollabgabe stark subjektiv. Sofern man sich aber darauf einstellen kann und will, bekommt die Freude am Fahren hier eine ganz neue Dimension.
Plötzlich einscherende Autos von links oder rechts versetzen den i7 nicht ansatzweise in Panik. Erforderliche Bremsmanöver geschehen in beeindruckender Sanftheit. Verkehrszeichen werden zuverlässig erkannt, Tempolimits automatisch übernommen und Navigations- sowie Sensordaten vorausschauend hinzugezogen. In Kurven oder Kreisverkehren passt der i7 dadurch in angemessener Weise die Geschwindigkeit an und hält bedenkenlos die Spur. Mehr als 1.300 Testkilometer legen wir in den folgenden Tagen zurück, mehrere Stunden ist das Level-2-System aktiviert. Unsicherheit vermittelte das Fahrzeug dabei nie, im Gegenteil. Wer sich diesen Luxus leisten kann, darf sich wirklich glücklich schätzen.
Die Reichweitenangst macht sich auch im i7 breit
Doch ist dieses Glück auch im i7 stark davon abhängig, wie schnell man unterwegs sein will. Bei aller Vernunft, die Reichweitenanzeige zu schonen, sind die 544 PS doch zu verlockend, um sie einfach ruhen zu lassen. Durch das Ziehen des Boost-Hebels am Lenkrad läuft ein Zehn-Sekunden-Countdown im Display herunter. Das Durchdrücken des Gaspedals und die zeitgleich einsetzende Orchester-Musik, die extra für die 7er-Reihe vom Star-Komponisten Hans Zimmer eingespielt wurde, lassen einen glauben, gleich abzuheben. Der Spaßfaktor ist grenzenlos! In Nullkommanix schnellt der Tacho auf 210. Bis hierhin unterstützt das Assistenzsystem beim Lenken und Bremsen. Auf das Adrenalin folgt der bange Blick auf die Reichweite. Von München bis nach Hannover mussten wir zweimal an die Ladesäule. Und trotz großer Einsamkeit an den Ladestationen offenbarte sich auch uns die oft beklagte schlechte Ladeinfrastruktur. Sehr selten erhielt der i7 die maximalen 195 kW, in der Regel bewegte sich die Ladekraft um die 100 Kilowatt. 30 Minuten reichten so oftmals nicht, um auf die anvisierten 80 Prozent zu kommen.
Überholmanöver klappen im i7 meist reibungslos
Fernab derartig allgemeiner Probleme, die den Hochlauf der Elektromobilität hemmen, offenbaren die ADAS-Systeme nur minimale Schwächen. Hin und wieder tut sich der Autobahnassistent schwer, die Intention der Fahrzeuge hinter sich zu verstehen. Per Antippen des Blinkers leitet das Auto den Überholvorgang ein. Zurückliegende Fahrer erkennen dies in der Regel und lenken ihrerseits eine Spur weiter nach links. Manchmal erkennt das System dieses Platzmachen jedoch zu spät und bricht den Überholvorgang durch zackiges Wiedereinkehren in die rechte Spur ab. Hier könnte das Feintuning noch verbessert werden.
Erkennt der Autobahnassistent selbst, dass man schneller unterwegs ist als das Fahrzeug vor einem, bietet er einen Spurwechsel an. Nun reicht der Blick in den Seitenspiegel und wie von Zauberhand zieht das eigene Gefährt vorbei. Zwar könnte das System diese Angebote noch öfter machen, doch wenn es passiert, funktioniert dies reibungslos. Auch fernab der Autobahn funktionieren die Assistenzsysteme gut. Im Stadtverkehr und auf Landstraßen lenkt, bremst und beschleunigt die Software den BMW selbständig. Ein leichtes Umfassen des Lenkrads genügt, um die Warnsysteme im Cockpit ruhigzustellen. Auch das Anfahren nach einer roten Ampel erledigt der i7 ohne Zutun des Fahrers. Will man doch mal wieder selbst fahren, reicht ein Tritt auf die Bremse, der sowohl den Autobahnassistenten als auch den Personal Pilot außer Kraft setzt.
Langsames Fahren schaltet Level 3 frei
Eine Besonderheit dieser Testfahrt: Die Hoffnung, in einen Stau zu geraten. Denn nur dann wird das „nächste“ Level freigeschaltet. Genau dieser Übergang vom Autobahnassistenten (SAE Level 2+) zum Personal Pilot (SAE Level 3) ist der USP der 7er-Serie. Während uns die Nachtfahrt von München nach Hannover keinen stockenden Verkehr beschert, ist auf den Verkehr im Ruhrgebiet zwei Tage später Verlass. Wenige Sekunden nach dem Einfahren in den Stau signalisiert eine Stimme die Verfügbarkeit vom Personal Pilot. Ein einfacher Klick auf die entsprechende, mit einem A-markierte Taste am Lenkrad genügt, damit dieses ein gutes Stück zurückfährt – Eingreifen ausdrücklich unerwünscht. Die Leuchtstreifen am Steuer färben sich türkis und die Me-Time kann beginnen. Lediglich längere Blicke auf die Rückbank sorgen für ein Signal, das beklagt, die Augen nicht mehr sehen zu können. Solange diese jedoch erfasst werden, können sie beruhigt auf das Smartphone, aus dem Fenster oder auf den Screen in der Mitte gerichtet werden. Im Test hat sich der Personal Pilot fehlerlos gezeigt. Lediglich die Tatsache, dass das System, ebenso wie der Autobahnassistent in Baustellen, den Abschnitten, die meistens für Staus sorgen, nicht verfügbar ist, trübt die Praxiserfahrung etwas.
Das Infotainment im i7 lässt keine Langeweile aufkommen
Im Stand oder während Level-3-Phasen ergibt sich Zeit, um das Infotainment-Angebot im i7 zu erkunden. Der erste Eindruck des 14,9 Zoll großen Curved-Displays überfordert etwas. Die unzähligen Einstellungsmöglichkeiten fordern auch im i7 viel Zeit und Geduld. Auch hier hängt es stark vom subjektiven Empfinden ab, ob es Spaß bereitet, sich durch die verschiedenen Apps zu navigieren. Aus neutraler Sicht könnte der Aufbau jedoch intuitiver sein.
Das 12,3 Zoll große Display hinter dem Lenkrad ermöglicht den doppelten Überblick in Fahrtrichtung: Unter den Auswahlmöglichkeiten für das mittlere Displaysegment ist in der 7er-Serie ist die Funktion Augmented View zu finden. Sie stellt einen Video-Livestream der Frontkamera mit kontextrelevanten Zusatzinformationen der Navigation oder Fahrerassistenz zur Verfügung. Mit der Kombination aus Augmented Reality und Kartenansicht des Head-up-Display schafft BMW eine praktische Ergänzung innerhalb der Sichtachse, die über die gewöhnungsbedürftige Navigationsübersicht hinweghilft.
Das Design im Innenraum ist von Kristallen geprägt. So können Gangwahlschalter, Controller, Startknopf, Lautstärkeregler, Bedieneinheiten für die Sitzeinstellung sowie die beleuchtete Funktionsleiste mit Kristallglas-Applikationen versehen werden. Luxus steht im Vordergrund. Sitzbelüftung oder Massagefunktionen werden zur Selbstverständlichkeit. Dass diese auch für die hinteren Sitze verfügbar sind, ist nur ein Indiz dafür, inwieweit sich BMW auf Kunden mit Chauffeur konzentriert.
Auf der Rückbank herrscht purer Luxus
Im Gegensatz zu vorherigen 7ern ist die neueste Generation ausschließlich mit langem Radstand erhältlich. So konnte der Autobauer zusätzlichen Raum im Fond gewinnen. Genutzt wird dieser für das Komfortfeature schlechthin: die Executive Lounge samt Theatre Screen. Bei Bedarf kann der Beifahrersitz nach vorne geklappt und eine Auflage für die Fersen ausgefahren werden. In Kombination mit der Wadenauflage und der beheizbaren Armlehne – samt Smartphone-Ablage für induktives Laden – ergibt sich daraus die optimale Liegeposition, um den buchstäblichen Hingucker des i7 optimal zu nutzen.
Das 31,3 Zoll große Display im 32:9-Format lässt sich aus dem Dachhimmel ausfahren und sorgt dank 8K-Auflösung und Amazon Fire-TV für Kinoatmosphäre im Fond. Seiten- und Heckscheibe werden per Rollo automatisch verdunkelt und per Anmeldung ins persönliche Konto eröffnen sich sämtliche Möglichkeiten: Ob YouTube, Netflix, Disney Plus, Prime, ARD oder ZDF-Mediathek – wer hinten sitzt, hat die freie Auswahl. Abgerechnet wird über den Datentarif des Mobilfunkanbieters – mittels einer eSIM. In den Türen befinden sich Smartphone-artige Touchdisplays, über die der Screen, wie auch die Massagefunktionen, die Liegeposition, das Licht, die Temperatur und der Sound gesteuert werden können. Für die Audioausgabe können entweder zwei Bluetooth-Kopfhörer oder die extrem beeindruckenden 36 Lautsprecher des Bowers & Wilkins Surround-Sound-Systems genutzt werden. Alternativ kann die Bedienung des Riesen-Bildschirms auch direkt auf selbigem erfolgen, Fettfingerabdrücke inklusive.
Letztlich fehlen dem Privatkino auf Rädern nur Kleinigkeiten zur Perfektion. Selbst bei maximaler Entfernung überfordert der breite Bildschirm auf Dauer die Augen, vergleichbar mit der ersten Reihe im Kino. Vor allem bringt er aber Nachteile für den Fahrer mit sich. Dessen Sicht auf den rechten Seitenspiegel ist durch den eingeklappten Beifahrersitz der Executive Lounge ohnehin eingeschränkt. Mit dem Theatre Screen verliert er mangels eines digitalen Rückspiegels nun auch den Blick nach hinten.
Sprachsteuerung hat noch Luft nach oben
Ebenfalls Optimierungsbedarf gibt es bei der Sprachsteuerung. Zu oft versteht das System selbst einfachste Befehle falsch oder gar nicht. Zwar tun sich auch die meisten anderen Autobauer hier noch schwer, doch für ein Fahrzeug, das preislich bei 139.000 Euro beginnt, erwartet man auch in Puncto Sprachassistenz entsprechende Leistungen. Offenbar ist man sich dessen auch bei BMW selbst bewusst und ermöglicht so den Kunden, die Nutzung eines zweiten Assistenten wie Alexa, Siri oder Google. Die Integration der beiden Smartphone-Betriebssysteme betrifft selbstredend auch Apple Car Play und Android Auto. Zwar will auch BMW die Nutzer lieber an die hauseigene Software binden und die Verknüpfung mit der myBMW-App funktioniert generell auch gut – Mitte Oktober knackte der OEM die Marke von zehn Millionen erfolgreich installierten Remote Software Upgrades. Dennoch schaffen es auch die Münchner nicht, Apple und Google in der oft beschworenen nahtlosen Erfahrung zwischen Smartphone und Auto zu schlagen.
Teile des Textes wurden aus einem älteren Fahrbericht übernommen