Welche Autobauer setzen auf bidirektionales Laden?
Um das Elektroauto auch als Stromspeicher für Zuhause oder das öffentliche Netz nutzen zu können, setzen immer mehr OEMs aufs bidirektionale Laden. Wir zeigen, welcher Hersteller was anbietet und welche Chancen sich dadurch ergeben.
Mercedes-Benz will ab 2026 bidirektionales Laden anbieten.
Mercedes-Benz
Deutschland steht vor einer entscheidenden Phase in der Elektromobilität. Mit der Abschaffung der Doppelbesteuerung für rückgespeisten Strom ist eine zentrale Hürde gefallen, die Vehicle-to-Grid bislang ausgebremst hat. Elektroautos können damit nicht nur Energie aufnehmen, sondern auch wieder abgeben – ins eigene Haus oder ins öffentliche Netz. Diese Fähigkeit macht sie zu mobilen Speichern, die helfen, Schwankungen auszugleichen und erneuerbare Energien besser zu integrieren. Die Bundesregierung sieht darin einen Schlüssel für die Energiewende. Die Idee ist nicht neu, doch erst jetzt entstehen die Voraussetzungen für den Markt.
Was ist bidirektionales Laden?
Es gibt drei Varianten des bidirektionalen Ladens:
- V2G (Vehicle-to-Grid): Vom Fahrzeug zum Netz. Hierbei wird der Strom aus dem Auto ins öffentliche Netz gespeist.
- V2H (Vehicle-to-Home): Vom Fahrzeug zum Heimnetz. Hierbei gibt das an die Wallbox angeschlossene E-Auto Energie ans Stromnetz des Hauses zum Eigenverbrauch ab.
- V2L (Vehicle-to-Load): Vom Fahrzeug zu Verbrauchern. Hierbei wird Energie aus dem Auto direkt für Geräte wie Campingausrüstung oder Ladegeräte abgegeben.
Elektroautos sind längst mehr als ein
Verkehrsmittel. Sie können Energie speichern und zurückgeben, wenn das Netz sie
braucht. Das ist besonders wichtig, weil der Anteil erneuerbarer Energien
steigt und damit auch die Schwankungen im Stromnetz. Bidirektionales Laden
schafft Flexibilität und reduziert die Abhängigkeit von fossilen Kraftwerken.
Bislang war Deutschland hier ein Nachzügler. Während Länder wie Frankreich oder
die Niederlande bereits Pilotprojekte umgesetzt haben, blieb der Markt
hierzulande klein. Die Gründe lagen in fehlenden Standards, hohen Systemkosten
und regulatorischen Hürden. Mit der neuen Gesetzeslage entfällt eine der
größten Barrieren. Gleichzeitig wächst der Druck aus dem Markt: Prognosen gehen
davon aus, dass bis Ende des Jahrzehnts jedes zweite Elektroauto in Deutschland
bidirektional laden kann (zum Artikel).
Die Strategien der Hersteller im Überblick
Die OEMs setzen dabei auf unterschiedliche Ansätze, die
sich in Technik, Geschäftsmodell und Zielgruppe unterscheiden. BMW und EON
haben als erste ein kommerzielles Angebot für Privatkunden gestartet. Mit dem
iX3 und einer DC-Wallbox können Nutzer nicht nur laden, sondern auch Energie
ins Hausnetz zurückspeisen. Ein spezieller Stromtarif vergütet die Flexibilität
und kann jährliche Boni von bis zu 720 Euro bringen. Damit soll aus einem Pilotprojekt
ein marktfähiges Produkt werden, das zeigt, wie sich Kundennutzen konkret beziffern
lässt. Die Lösung ist zunächst auf Vehicle-to-Home ausgelegt, perspektivisch
soll auch die Rückspeisung ins öffentliche Netz möglich werden.
Nissan verfolgt einen anderen Weg. Der Hersteller setzt
auf eine AC-Onboard-Lösung, die ab 2026 in Europa verfügbar sein soll. Der
Vorteil liegt in der Kostenstruktur. Das Fahrzeug kann Strom direkt ans Netz
abgeben, ohne teure externe Wechselrichter. Großbritannien dient als Erstmarkt,
dort wurde nach einer einjährigen Erprobung die Zertifizierung für den
Netzanschluss erreicht. Nissan sieht darin einen Hebel, um die Kosten für
bidirektionales Laden deutlich zu senken und die Technologie massentauglich zu machen.
Das Unternehmen betont, dass die Lösung nicht nur für Haushalte interessant
ist, sondern auch für Flotten, die ihre Fahrzeuge als Speicher nutzen wollen.
Polestar startet in Kalifornien mit einem
Vehicle-to-Home-Angebot für den Polestar 3. Gemeinsam mit dem Energiepartner
dcbel bietet der Hersteller ein Paket, das Notstromversorgung, intelligente
Steuerung und Kostenvorteile kombiniert. Kunden können ihre Haushaltskosten
durch zeitvariable Tarife senken und das Auto als Backup nutzen. Europa
bereitet Polestar über ein bidirektionales Heimladegerät vor, das
perspektivisch auch Rückspeisung ermöglicht. Die Strategie ist klar: Zunächst
wird der Mehrwert für den Kunden über Komfort und Sicherheit kommuniziert,
bevor die Integration ins Netz folgt.
Mercedes-Benz plant den Einstieg ab 2026. Das Angebot
soll nicht nur die Technik umfassen, sondern ein komplettes Ökosystem aus
Fahrzeug, Wallbox, Grünstromtarif und Energiemanagement. Ziel ist ein
durchgängiges Kundenerlebnis, das Installation, Steuerung und Vergütung
integriert. Damit positionieren sich die Stuttgarter klar im Premiumsegment und
setzen auf eine Lösung, die Komfort und Wirtschaftlichkeit verbindet.
Hyundai verfolgt eine besonders ambitionierte Strategie.
Die Hyundai Motor Group sieht bidirektionales Laden als Teil eines umfassenden
Energienetzes der Zukunft. Das Unternehmen investiert in Vehicle-to-Grid und
Vehicle-to-Home und entwickelt Lösungen, die Elektroautos als integralen
Bestandteil eines intelligenten Stromnetzes positionieren. Ziel ist es, die
Fahrzeuge nicht nur als Speicher, sondern als aktive Elemente im
Energiemanagement zu nutzen. Hyundai arbeitet dabei eng mit Energieversorgern
zusammen, um die Integration in bestehende Netze zu erleichtern.
Auch Toyota erweitert sein Ladeökosystem in Europa. Der
Hersteller setzt auf strategische Partnerschaften mit Energieunternehmen, um
bidirektionales Laden in ein ganzheitliches Konzept einzubetten. Dabei geht es
nicht nur um die Technik, sondern um die Entwicklung von Services, die Kunden
einen echten Mehrwert bieten. Toyota sieht die Zukunft in einem vernetzten
Ökosystem, das Fahrzeuge, Ladeinfrastruktur und Energieversorgung intelligent
miteinander verbindet.
Diese Beispiele zeigen, wie unterschiedlich die
Strategien sind. Während BMW und Polestar zunächst auf Vehicle-to-Home setzen,
um Haushalte zu versorgen, denkt Nissan den Kostenvorteil über AC-Technik.
Mercedes wiederum verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, der das Auto in ein
vernetztes Energiesystem einbindet. Gemeinsam ist allen Initiativen, dass sie
den Weg vom Pilotprojekt zum Produkt gehen und damit den Markt für
bidirektionales Laden öffnen.
Was das für den Markt bedeutet
Mit den ersten Angeboten entsteht ein neues
Wertversprechen für Elektroautos. Sie sind nicht mehr nur ein Verkehrsmittel,
sondern ein aktiver Teil des Energiesystems. Für Kunden bedeutet das die
Chance, Stromkosten zu senken und die eigene Energieversorgung flexibler zu
gestalten. Für Netzbetreiber eröffnet sich die Möglichkeit, Lastspitzen
auszugleichen und die Integration erneuerbarer Energien zu beschleunigen. Die
nächsten Jahre werden entscheidend sein. Ab 2028 sollen interoperable Lösungen
verfügbar sein, die Vehicle-to-Grid im großen Maßstab ermöglichen.
Voraussetzung ist, dass Standards greifen und die Systeme einfach zu
installieren sind. Plug-and-Play wird zum Schlüssel für den Hochlauf. Ebenso
wichtig ist die Wirtschaftlichkeit. Je klarer die Vergütung und je geringer die
Komplexität am Zählerplatz, desto eher entsteht Vertrauen jenseits von
Pilotprojekten. Bidirektionales Laden soll vom Nischenthema zum Standard werden
und so nicht nur die Elektromobilität ankurbeln, sondern auch den Energiemarkt bereichern.