
Links der EX90 im Wald, rechts der XC 90 in den Alpen. (Bild: Gilgen/Volvo)
Optisch sehen sich die „großen Jungs“ der 90er-Reihe ziemlich ähnlich. Bereits Mitte September präsentierte Volvo die neuesten Versionen des EX90 und XC90 im schwedischen Göteborg. Zur Testfahrt ging es dann Anfang Februar mit der elektrischen Variante durch Hamburg und zuletzt präsentierte sich der Evergreen als Mildhybrid und Plugin-Hybrid in der Bayrischen Alpen rund um Berchtesgaden. Noch immer verkaufen die Skandinavier zahlreiche Modelle des 2002 erstmals unter dem Namen XC90 erschienenen Modells.
Während der XC90 als etablierter Premium-SUV mit moderner Infotainment-Integration und bewährten Fahrerassistenzsystemen überzeugt, präsentiert sich der vollelektrische EX90 als technologische Weiterentwicklung mit einer neuen Software-Architektur, umfangreicher Sensorik und innovativen Sicherheitslösungen. Unser Test beleuchtet die Unterschiede zwischen beiden Modellen in den Bereichen Infotainment, Fahrerassistenzsysteme (ADAS), Konnektivität sowie den verbauten Chips und der Software-Architektur.
XC90: Bewährte Benutzerführung mit Google-Integration
Der Volvo XC90 integriert eine moderne Version des Android-basierten Infotainmentsystems, das für eine relativ intuitive Bedienung sorgt. Der zentrale 11,2-Zoll-Touchscreen ist freistehend in der Mittelkonsole angeordnet und bietet eine übersichtliche Menüstruktur mit kontextbezogenen Bedienelementen. Die Integration von Google-Diensten wie Maps, Assistant und dem Play Store ermöglicht eine nahtlose Einbindung in das digitale Ökosystem der Nutzer.
Das Infotainmentsystem bietet zudem Over-the-Air-Updates, wodurch neue Funktionen und Software-Verbesserungen kontinuierlich eingespielt werden können. Apple CarPlay ist kabellos verfügbar, was die Konnektivität auch für iPhone-Nutzer erleichtert. Das Fahrer-Display mit einer Größe von 12,3 Zoll liefert alle wesentlichen Fahrinformationen in hoher Auflösung und kann zwischen verschiedenen Anzeigemodi wechseln. Ergänzt wird das System durch ein optionales Head-up-Display, das fahrerrelevante Informationen direkt in das Sichtfeld projiziert.
Generell hat Volvo versucht, das HMI nochmals zu vereinfachen, was durchaus gelungen ist. Es braucht wenig Zeit, um sich mit den Einstellungsmöglichkeiten vertraut zu machen.
EX90: Infotainment-Plattform mit Core Computing
Beim EX90 setzt Volvo auf eine weiterentwickelte Infotainment-Plattform, die auf leistungsstarkem Core Computing basiert. Der zentrale 14,5-Zoll-Touchscreen mit rahmenlosem Design ist hochauflösend und bietet eine erweiterte Nutzerführung mit kontextbezogenen Anzeigen. Das System arbeitet mit einer neuen Software-Architektur, die eine schnellere Datenverarbeitung und eine bessere Anpassungsfähigkeit an zukünftige Funktionen ermöglicht.
Ein entscheidender Unterschied ist die zugrundeliegende Hardware. Während der XC90 eine klassische dezentrale Steuerung nutzt, verfügt der EX90 über zwei zentrale Hochleistungsrechner. Die Vehicle Control Unit (VCU) mit einem Nvidia Xavier Chip (30 Teraflops Rechenleistung) steuert die allgemeinen Fahrzeugfunktionen, während ein weiterer Computer mit einem Nvidia Orin Chip (250 Teraflops) für die Assistenzsysteme und das autonome Fahren verantwortlich ist. Diese Architektur reduziert die Anzahl einzelner Steuergeräte und ermöglicht leistungsfähigere OTA-Updates.
Die Konnektivität des EX90 ist durch eine 5G-fähige Internetverbindung erweitert, wodurch eine höhere Datenübertragungsrate und Echtzeitkommunikation mit anderen Fahrzeugen und Infrastrukturen ermöglicht wird. Eine weitere Neuerung ist die Digital-Key-Funktion, die das Smartphone als Fahrzeugschlüssel nutzt. Zudem ist Google HD Maps erstmals in einen Volvo integriert, was eine präzisere Navigation und eine verbesserte Nutzung der ADAS-Funktionen ermöglicht.
Vergleich der Audiosysteme im XC90 und EX90
Volvo setzt in beiden Modellen auf hochwertige Audiosysteme, die sich je nach Ausstattungslinie durchaus unterscheiden. Serienmäßig verfügen sowohl der XC90 als auch der EX90 über ein High-Performance-Soundsystem mit zehn Lautsprechern. Der EX90 bietet hier mit 325 Watt etwas mehr Leistung als der XC90 mit 220 Watt.
In den höheren Ausstattungslinien setzt Volvo auf unterschiedliche Partner: Im XC90 kommt das Soundsystem von Harman/Kardon mit 600 Watt, 14 Lautsprechern und einem integrierten Subwoofer zum Einsatz. Im EX90 soll das Bose-System für einen noch intensiveren Klang mit 940 Watt, 14 Lautsprechern und fortschrittlicher Surround-Technologie sorgen.
Unsere Testwagen waren beide mit den Systemen für höchste Klangqualität ausgestattet. Das Bowers & Wilkins Sound System im XC90 mit 1.460 Watt, 19 Lautsprechern und der bewährten Tweeter-on-Top-Technologie beeindruckt schon wahrlich, doch der EX90 bietet mir 1.610 Watt, 25 Lautsprecher und Dolby Atmos ein noch leicht intensiveres 3D-Klangerlebnis. Zusätzlich sind vier Lautsprecher direkt in die Kopfstützen der Vordersitze integriert, um individuelle Audioausgaben für Telefongespräche oder Navigationshinweise zu ermöglichen. Optisch fügt sich das Soundsystem im EX90 nahtlos in das skandinavische Design ein, mit hinterleuchteten Edelstahlgittern und einem zentralen Mediendrehknopf im Juwelen-Design. In der Praxis macht es ehrlicherweise gleich viel Spaß, den Sound so richtig aufzudrehen.
Sensoren und Fahrerassistenzsysteme
Ein zentraler Unterschied zwischen den beiden Modellen liegt in der verwendeten Sensorplattform. Der XC90 setzt auf eine ADAS-Plattform, die Kameras, Radar- und Ultraschallsensoren kombiniert. Diese Systeme ermöglichen Funktionen wie die adaptive Geschwindigkeitsregelung, den Spurhalteassistenten sowie ein Notbremssystem mit Fußgänger- und Fahrradfahrererkennung. Zusätzlich ist Connected Safety an Bord, wodurch Volvo-Fahrzeuge untereinander Informationen über Straßenzustände und Gefahren austauschen können.
Der Volvo EX90 geht mit einem erweiterten Sensorsystem einen Schritt weiter. Neben Kameras, Radar- und Ultraschallsensoren verfügt das Modell über einen Lidar-Sensor, der in der Dachlinie integriert ist. Dadurch wird eine genauere Objekterkennung ermöglicht und Hindernisse oder andere Verkehrsteilnehmer können frühzeitig identifiziert werden. In Kombination mit der neuen Software-Architektur schafft dies die Grundlage für zukünftige autonome Fahrfunktionen.
Beide Fahrzeuge nutzen das Pilot Assist System, das teilautomatisiertes Fahren auf Autobahnen ermöglicht. Während der XC90 auf klassische Sensoren setzt, profitiert der EX90 durch seine erweiterten Sensoren von einer höheren Präzision in der Umfeldwahrnehmung. Ergänzt wird dies durch ein Fahrer-Monitoring-System, das mit Infrarotsensoren die Aufmerksamkeit des Fahrers überwacht. Im Test stellte das System zuverlässig fest, ob der Fahrer müde oder abgelenkt ist, und gab Warnungen aus. Im Ernstfall werde das Fahrzeug gar bis zum Stillstand abgebremst.
Nvidias Rolle in Volvos Sicherheitssoftware
Volvo setzt immer mehr auf KI und virtuelle Umgebungen zur Weiterentwicklung seiner Sicherheitssoftware. Die Zusammenarbeit mit Nvidia spielt dabei eine immer wichtigere Rolle. Die neueste Generation der Volvo-Modelle, einschließlich des EX90, nutzt Hochleistungsrechner von Nvidia, um Sensordaten effizient zu verarbeiten und die Fahrerassistenzsysteme weiterzuentwickeln.
Ein besonderer Fortschritt ist die Nutzung des sogenannten „Gaussian Splatting“, einer innovativen Rendering-Technik, die es ermöglicht, realistische 3D-Umgebungen auf Basis realer Sensordaten zu erzeugen. Mit dieser Technologie kann Volvo virtuelle Fahrszenarien erstellen, um seltene, aber potenziell gefährliche Verkehrssituationen zu simulieren und zu analysieren. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse fließen direkt in die Weiterentwicklung der Fahrerassistenzsysteme ein, um die Reaktionsfähigkeit der Sensorplattformen weiter zu optimieren.
Durch die Kooperation mit Nvidia entstehe zudem eine KI-Supercomputing-Plattform, die auf den DGX-Systemen des US-Tech-Unternehmens basiert. Diese Plattform dient der Verarbeitung großer Datenmengen aus realen und simulierten Fahrszenarien und unterstützt die kontinuierliche Verbesserung der KI-Modelle für künftige Fahrzeuggenerationen.
Fazit
Der Volvo XC90 bietet eine bewährte Kombination aus modernem Infotainment, umfassenden Sicherheitsfunktionen und einer starken Google-Integration. Er bleibt ein Premium-SUV mit hochwertigen Fahrerassistenzsystemen und einer soliden Konnektivitätslösung. Der Volvo EX90 hingegen bringt eine neue Generation der Fahrzeugarchitektur auf den Markt. Mit Core Computing, Lidar-Technologie, KI-gestütztem Fahrer-Monitoring und 5G-Konnektivität setzt Volvo auf zukunftsweisende Lösungen. Der EX90 soll für Volvo nicht nur ein Elektro-SUV sein, sondern ein technologischer Meilenstein.
Trotz der vielen Optimierungen und Weiterentwicklungen: Im Praxistest fielen die Unterschiede zwischen den Modellen weniger auf. Die Entscheidung, den XC90 noch einmal aufzufrischen, erscheint somit auch aus technologischen Gründen als sinnvoll, denn der Evergreen XC90 kann der auch in seinem 23. Lebensjahr noch durchaus mithalten.