Heute stoßen KI-Algorithmen noch an ihre Grenzen, wenn es darum geht, das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer in komplexen Situationen vorherzusehen. Genau hier setzte das Forschungsprojekt von ZF und seinen Partnern an

Heute stoßen KI-Algorithmen noch an ihre Grenzen, wenn es darum geht, das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer in komplexen Situationen vorherzusehen. Genau hier setzte das Forschungsprojekt von ZF und seinen Partnern an. (Bild: ZF)

Im Jahr 2021 hatten sich ZF, der Entwicklungsdienstleister INGgreen GmbH und die Technische Universität Dortmund zusammengeschlossen, um das bisher nicht ausgeschöpfte Potenzial künstlicher Intelligenz beim Meistern unübersichtlicher Verkehrssituationen zu heben. Das Projekt KISSaF (KI-basierte Situationsinterpretation für das automatisierte Fahren) trainiert KI darauf, die Handlungen von Verkehrsteilnehmern vorherzusagen. So können automatisierte Fahrerassistenzsysteme wie Abstandsregeltempomaten oder Spurwechselassistenten präziser und sicherer agieren. Nach rund drei Jahren ist das Forschungsprojekt nun abgeschlossen - aus Sicht von ZF erfolgreich: Die neue Methode funktioniert demnach besser als bislang verwendete Ansätze.

Die im Rahmen von KISSaF entwickelte sogenannte Szenenprädiktion soll künftigen Assistenzsystemen helfen, die wahrscheinlichsten Handlungen anderer Verkehrsteilnehmer einige Sekunden vorherzusagen und entsprechend zu agieren: Wird der offenbar von seinem Smartphone abgelenkte Fußgänger gleich unachtsam auf die Fahrbahn treten? Was ist bei einem automatisiert durchgeführten Spurwechsel zu beachten? Bremst der vorausfahrende Wagen noch ab? Welche weiteren Faktoren spielen eine Rolle?

Woher kommen die Daten für KISSaF?

„Um eine KI so zu trainieren, dass sie sicher solche Vorhersagen treffen kann, braucht es große Mengen an Daten aus dem echten Straßenverkehr“, erklärt Till Nattermann, Leiter des KISSaF-Projekts und Engineering Manager bei ZF. Auf mehr als 100.000 Kilometern Strecke erfasste das eingesetzte Versuchsfahrzeug neben Kamera-, Radar- und Lidar-Daten auch relevante GPS- und Wetterinformationen. Die Rohdaten des Projekts KISSaF umfassen fast 800 Terabyte, also 800.000.000 Megabyte. Von der TU Dortmund entwickelte Algorithmen zur Umfeldbeschreibung bereiteten die Daten für die weitere Verwendung im Projekt auf.

Auf Basis dieser Umfeldmodellierung trainierten die KI-Spezialisten des ZF-eigenen AI-Labs, dem KI-Technologiezentrum in Saarbrücken, die künstliche Intelligenz. Die Prädiktion konnte dann in der Simulation und mit aufgezeichneten Realdaten in den von ZF bereits entwickelten Assistenzsystemen getestet werden.

Um die Realdaten aufzunehmen, konstruierten INGgreen und ZF ein Messfahrzeug und statteten es bewusst mit seriennahen Sensor- und Aktuatoriksystemen aus - sowohl bei der Sensorik zur Datenermittlung als auch beim Automatisierungsgrad der KI-Systeme. „Diese Funktionen sind damit näher an der Marktreife als andere Systeme. Rohdaten aus dem Projekt sind darüber hinaus auch für zukünftige Entwicklungsvorhaben relevant. Das Projekt hat somit in mehrfacher Hinsicht hohe Praxisrelevanz für uns“, sagt Nattermann.

KI soll Assistenzsysteme der Stufen 2+ und 3 optimieren

Nach dem Training konnte die KI laut ZF besser abwägen, wie sich andere Verkehrsteilnehmer verhalten. Die in KISSaF entwickelte Szenenprädiktion könnte künftige Assistenzsysteme befähigen, vorausschauend zu handeln, potenziell gefährliche Situationen besser vorherzusehen und proaktiv zu bremsen oder auszuweichen, so der Automobilzulieferer. Zum Beispiel habe die KI möglicherweise kritische Spurwechsel erkannt und brach sie entweder ab oder leitete sie gar nicht erst ein. Entstehende Lücken für einen Spurwechsel konnte sie demzufolge ebenfalls vorhersehen und das Fahrzeug sicher durch den Verkehr leiten. Auch die Fähigkeit der KI, bei Gegenverkehr an Kreuzungen rechtzeitig zu stoppen, habe sich mit dem im Rahmen von KISSaF erarbeiteten Verfahren verbessert.

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