Symbolbild neue Mobilität

Mit einem neuen Rechtsrahmen für die Personenbeförderung herrscht künftig mehr Sicherheit für Anbieter. Doch von vielen Seiten hagelt es Kritik am neuen Gesetz. (Bild: Metamorworks / Adobe Stock)

Mehrere hundert Taxifahrer ziehen im Autokorso vom Brandenburger Tor durch Berlin-Mitte zur CDU-Bundesgeschäftsstelle. Sie tragen Transparente mit Aufschriften wie „Gib Uber keine Chance“ und „Stoppt Scheuer“. Der Zorn der Protestierenden richtet sich gegen die Öffnung des Personenbeförderungsgesetzes für neue Anbieter wie Uber oder Free Now aber auch gegen Sammeltaxi-Angebote wie den BerlKönig. Konkurrenz ist den Taxifahrern auch durch Mietwagenangebote wie WeShare und Share Now entstanden. „Das Taxi-Gewerbe wird sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen und für einen fairen Wettbewerb kämpfen", sagte der Initiator des Protests in Berlin, Erkan Özmen. Die Branche verlangt eine Vorbestellfrist für Mietwagen. Deren Fahrer sollen außerdem wie Taxifahrer eine Ortskundeprüfung ablegen und fälschungssichere Streckenzähler mitführen.

Große Chancen sieht in der Anfang März durchgeführten Reform des Fahrdienstmarktes in Deutschland hingegen Andreas Scheuer. Bei einer ersten Lesung zur Modernisierung des Personenbeförderungsgesetzes im Bundestag sagte der Verkehrsminister Mitte Februar, es gehe ihn darum, neue Mobilitätsangebote dauerhaft zu etablieren. Dies sei eine Chance vor allem für den ländlichen Raum – wo vielerorts Busse nur selten fahren. „Etablierte Mobilitätsanbieter, insbesondere Taxifahrer hatten von Anfang an Sorge, von neuen digitalen Anbietern unter Druck zu geraten", erklärte Scheuer. Bei allem Verständnis dafür, gebe es nun die Möglichkeit, intelligente Formen der Mobilität zu ermöglichen, ohne das Fundament für die Personenbeförderung zu verlieren. „Die Nachfrage ist da, wir brauchen Lösungen", so Scheuer.

Streitpunkt Rückkehrpflicht

Das Gesetz sieht vor, bestehende Hemmnisse für neue Mobilitätsanbieter abzubauen, deren Geschäftsmodell meist auf der Fahrzeugbestellung per App beruht. Bislang basieren entsprechende Dienste rechtlich auf der sogenannten Experimentierklausel, das neue Gesetz ändert dies nun und erlaubt etwa Carpooling-Angebote dauerhaft. Grundsätzlich festgehalten wird allerdings an der Rückkehrpflicht für Mietwagen ohne Auftrag. Der Begriff bezieht sich dabei nicht nur auf Mietwagen im klassischen Sinne, sondern ist auch für Firmen verpflichtend, die „Mietwagen mit Fahrer“ vermitteln. Die Klausel besagt, dass Fahrzeuge dieser Anbieter nach jeder Fahrt an den Betriebssitz zurückkehren müssen und anders als klassische Taxis nicht auf der Straße auf Kunden warten dürfen. Möglich sein sollen Lockerungen bei weiten Entfernungen, das können die Kommunen selber festlegen.

Doch dieser Passus führt auf vielen Seiten zu Kritik: Der FDP-Verkehrspolitiker Torsten Herbst etwa erklärt, die Gesetzesreform sei völlig überbürokratisiert und zementiere Besitzstände. „Der große Verlierer sind die Verbraucher.“ Die Rückkehrpflicht werde gerade auf dem Land Angebote verhindern. „Staatlich erzwungene Leerfahren sind ein ökonomischer und ökologischer Irrweg, der allein dazu dient, das überkommene Geschäftsmodell von Taxiinnungen vor unliebsamer Konkurrenz zu schützen“, moniert auch Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des ITK-Branchenverbandes Bitkom.

Auch der Bundesverband Taxi und Mietwagen fordert Nachbesserungen, jedoch in die entgegengesetzte Richtung: Geschäftsführer Michael Oppermann sagte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, es müsse faire Bedingungen für alle geben. Bei der Reform des Personenbeförderungsrechts fehle bisher eine dringend notwendige Abgrenzung zu Plattformbetreibern – also neuen Anbietern neben den klassischen Taxis. „Das Mindeste ist eine optionale Vorbestellfrist für Mietwagen von Uber und Co, die durch die Kommunen festgelegt werden kann", sagte Oppermann. „Das ist ein wirksames Instrument, es hat sich im Ausland schon bewährt und es bewahrt unser Gewerbe und unsere Städte vor den Auswüchsen des Plattform-Kapitalismus." Oppermann sagte, ohne eine klare Abgrenzung zu Plattformbetreibern würde Verkehrsminister Scheuer dem Taxigewerbe die Grundlage entziehen. „Das hätte katastrophale Folgen und mittelfristig würde eine Grundversorgung nicht mehr möglich sein."

Anbieter fordern mehr Tempo

Doch während das Gesetz dem Taxigewerbe zu weit geht, geht es den neuen Playern in der Mobilitätswelt nicht weit genug. Man begrüße die Reform und die Tatsache, dass der rechtliche Rahmen noch in dieser Legislaturperiode an die veränderten Mobilitätsbedürfnisse der Menschen und die neuen digitalen Mobilitätslösungen angepasst werde, heißt es etwa beim Fahrtenvermittler Moia. Die Regelung binde „erstmals neuartige, digitale Verkehrsformen in die Mobilitätslandschaft in Deutschland rechtlich ein“, hieß es in einer Stellungnahme im Vorfeld der Gesetzesinitiative. Dies sei ein wichtiger Schritt, doch der Vorschlag sei „ein starker politischer Kompromiss, der an vielen Stellen die Interessen und den Schutz bestehender Verkehrsträger in den Vordergrund stellt“ und die Chance verpasse, einen Rechtsrahmen zu schaffen, der sich konsequent an den Mobilitätsinteressen der Bürger orientiere und Grundlagen für eine nachhaltige Verkehrswende schaffe. Der Dienst kritisiert zudem, dass die steuerliche Gleichbehandlung aller Ridepooling-Verkehre nicht adressiert worden sei – im Vergleich zu vielen anderen Verkehrsträgern wie Taxis gilt für Unternehmen wie Moia der reguläre Steuersatz von 19 Prozent.

Fahrtenvermittler Uber macht hingegen vor allem gegen die Rückkehrpflicht für Fahrdienste mobil. Die Verbraucher hätten hierzu eine klare Meinung, heißt es seitens des Unternehmens, das als Beleg eine Befragung unter den Nutzern der eigenen App anführt: 83 Prozent der Befragten hätten sich hierbei gegen eine gesetzlich verordnete Pflicht ausgesprochen, 89 Prozent empfinden den Rechtsrahmen demnach als veraltet und kontraproduktiv für die Elektrifizierung des Verkehrs in Deutschlands (79 Prozent). „Deutschland schöpft in vielen Bereichen leider die Potenziale der Digitalisierung noch nicht aus, so auch in der Mobilität“, erklärt Christoph Weigler, Deutschland-Chef von Uber. „Die Rückkehrpflicht ist ein Mobilitäts- und Innovationskiller.” Einerseits seien unnötige Leerfahrten aufgrund der begrenzten Reichweite ein Hindernis für den Einsatz von E-Fahrzeugen, andererseits behindere die Rückkehrpflicht die Möglichkeit zum Einsatz intelligenter Algorithmen in der Routenplanung, die unnötige Fahrten verhindern könnten.

Auch Achim Berg findet für die geplanten Regelungen deutliche Worte: „Die Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes droht ins Groteske abzugleiten. War im vorliegenden Entwurf mit einem Festhalten an der historisch überholten Rückehrpflicht für auftragslose Mietwagen bereits eine staatliche verordnete Leerfahrtenpflicht vorgesehen, so wird jetzt ernsthaft über eine gesetzliche Wartezeit für digital vermittelte Mietwagen diskutiert“, so der Präsident des ITK-Verbandes Bitkom. „Das heißt: Wer seine Fahrt per Smartphone-App bei einem entsprechenden Dienst bucht, kann aufgrund der sogenannten Vorausbuchungspflicht nicht sofort losfahren, sondern der Anbieter darf seinen Fahrer erst mit Verzögerung losschicken.“ Unter einer entsprechenden Regelung würden Anbieter, Kunden und der Standort Deutschland leiden, so Berg weiter. „Ebenso gut hätte man versuchen können die Postkutsche zu retten, indem man die Höchstgeschwindigkeit aller anderen Verkehrsmittel staatlich auf 10 km/h beschränkt.“

Gesetz lässt Fragen offen

Fachanwalt Alexander Duisberg
Die aktuelle Rechtsreform sei kein radikaler Durchbrucht, sondern ein überfälliger Schritt nach vorne, erklärt Fachanwalt Alexander Duisberg. (Bild: Bird & Bird)

Auch juristisch betrachtet lässt das neue Gesetz noch Wünsche offen. „Ein großes Problem stellen die vielen neuen unbestimmten Rechtsbegriffe dar“, ordnet etwa Rechtsexperte Alexander Duisberg von der Anwaltskanzlei Bird & Bird für automotiveIT ein. So seien etwa die Begriffe Verkehrseffizienz, Umweltverträglichkeit und Sozialstandards nicht legaldefiniert, also nicht direkt im Gesetz erläutert. Dies eröffne der vollziehenden Verwaltung zwar Bewertungsspielräume, führe jedoch absehbar auch zu Auslegungsunterschieden der Genehmigungsbehörden. Auch drohe aufgrund der Sonderrechte für Kommunen, ein rechtlicher Flickenteppich zu entstehen. Naturgemäß seien die Anforderungen zwischen Metropolregionen mit hoher Umlandreichweite und Kleinstädten unterschiedlich. „Zu befürchten ist, dass auch hier eher die Interessen der Betreiber und weniger der Verbraucher am Ende den Vorrang haben – zumal die Kommunen mit ihren eigenen ÖPNV-Betrieben in einem latenten Interessenkonflikt stehen, der einer weitergehenden Liberalisierung im Wege stehen könnte“, erläutert Duisberg.

Deutschland ist rechtlich eher ein Nachzügler

Mit dem neuen Gesetz sei Deutschland noch lange nicht an der Spitze der Bewegung zur Liberalisierung neuer Fahrtendienste, ergänzt Duisberg, sondern im Gegenteil eher ein Nachzügler. Die jetzige Reform sei kein radikaler Durchbruch, sondern ein überfälliger Schritt nach vorne – Im internationalen Vergleich seien andere Länder hinsichtlich des Rechtsrahmens deutlich weiter: So ist Ridehailing seit 2016 etwa in China zugelassen und reguliert. Dabei müssen Fahrer unter anderem eine entsprechende Lizenz und dreijährige Erfahrung nachweisen können. Zudem können örtliche Behörden einen Preis festsetzen, wenn die Forderungen der Dienste nicht fair gestaltet werden. Auch in Australien seien einzelne Bundesstaaten bei den gesetzlichen Regelungen bereits seit Jahren weiter als Deutschland, führt Duisberg weiter aus. So wurden etwa in Südaustralien Taxiunternehmen exklusive Rechte wie Taxistände und das exklusive Recht auf ein „Herbeiwinken“ von Fahrzeugen an der Straße zugesichert. Gleichzeitig müssen Unternehmen wie Uber einen Dollar pro Fahrt an eine Stiftung zahlen, die den Taxiunternehmen zugutekommt.

In der EU existiert hingegen keine einheitliche Linie bei der Regulierung von Fahrdiensten: Während Länder wie Dänemark und Ungarn entsprechende Dienste einfach verbieten, lässt etwa der Rechtsrahmen in Finnland mehr Freiheiten als in Deutschland zu. So sind dort beispielsweise die Taxitarife mit dem Act on Transport Services 2018 freigegeben worden. „Man kann also festhalten: Die Regulierung kommt um Jahre verspätet und ist im Vergleich zu anderen Ländern zaghaft. Wieder einmal fehlt uns leider klar der Mut zum Sprung nach vorn“, resümiert Rechtsexperte Duisberg. Mit Blick in die Zukunft sei nun vor allem wichtig, dass sich der Gesetzgeber nicht auf der Reform ausruhe, sondern in zwei bis vier Jahren aktiv eine Neubewertung der jetzt eingeführten Regelung vornimmt.

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