Autoland Deutschland - jahrzehntelang war das gleichbedeutend mit der Produktion technisch ausgefeilter Verbrennungsmotoren und ebensolcher Automobile. Jetzt neigt sich diese Zeit dem Ende zu. Die Politik und die Europäische Union forcieren die Elektromobilität - koste es, was es wolle. Die deutschen Autobauer lassen sich nolens volens vor den Elektro-Karren spannen und stellen ihre Produktion auf die Elektromobilität um.

Unlängst hat BMW verkündet, die Produktion der Verbrennungsmotoren in die Werke Steyr (Österreich) und Hams Hall (Großbritannien) auszulagern. München soll zur Elektro-Zentrale umgebaut werden. Dafür nehmen die Bayerischen Motoren Werke 400 Millionen in die Hand. Die rund 1400 Beschäftigten des Motorenbaus in München werden umgeschult oder auf andere Standorte verteilt. Dass das nicht bei jedem der Angestellten einen Jubelsturm hervorrufen wird, ist auch klar. Die Alternative wären Entlassungen, die sollen vermieden werden. Doch es wäre nicht das erste Mal, dass Angestellte es ablehnen, einen Umzug ihres Arbeitsplatzes mitzumachen und lieber den goldenen Handschlag, sprich die Abfindung nehmen. Gespart werden soll auf alle Fälle. Bis zum Ende des nächsten Jahres sollen die Produktionskosten um rund 500 Millionen Euro sinken. Eine deutliche Kostenreduktion soll es auch bei Mini geben. Die neue Mini-Generation kommt zum Jahresende 2023 auf die internationalen Märkte. Entwickelt und gefertigt werden die neuen Modelle nicht allein im britischen Oxford, sondern auch mit und bei Kooperationspartner Great Wall. Die Elektroversionen des Mini Hatch und eines der beiden neuen SUV kommen dabei aus China.

Bei VW redet eine starke Arbeitnehmervertretung beim Umbau zur Elektromobilität ein gewichtiges Wort mit. Als die Konzern-Führung darüber nachdachte, die Jahresproduktion im Stammwerk Wolfsburg zu reduzieren, ging die Führungsriege um den sehr selbstbewussten Betriebsratschef Bernd Osterloh sofort aus dem Sattel und lehnte eine solche Maßnahme kategorisch ab. Es ist abzusehen, dass die Manager und die Arbeitnehmerschaft in den nächsten Jahren noch den einen oder anderen Strauß ausfechten. Denn in den nächsten zehn Jahren will der Konzern rund 70 reine E-Modelle auf den Markt zu bringen. Die müssen irgendwo gebaut werden. Dass dies Auswirkungen auf das Produktionsnetzwerk und die Anzahl der Arbeiter haben wird, ist logisch. Nach Zwickau hat der niedersächsische Autobauer auch in Emden rund eine Milliarde Euro in die Hand genommen, um die Fertigung fit für den Bau von Elektroautos zu machen. Ab 2022 soll dort der wichtige Elektro-Crossover ID.4 vom Band laufen - allerdings noch eine Weile lang parallel mit anderen Modellen, die noch einen Verbrennungsmotor verbaut haben. Analog geht die Umrüstung im Volkswagen-Nutzfahrzeug-Werk in Hannover voran, wo nach dem Multivan ebenfalls in zwei Jahren der vollelektrische Bulli ID Buzz gefertigt wird. Auch im US-Werk im amerikanischen Chattanooga lief im vergangenen Jahr der amerikanische Passat aus und die Fertigung wurde auf den Atlas-SUV umgestellt. Im nächsten Schritt wird das Werk zumindest zum Teil eine Elektrofertigung. Hier sollen die Elektro-SUV ID.4 und ID.5 vom Band laufen.

Kraftakt in Zuffenhausen

Das Konzept, dass Elektroautos und die Varianten mit Verbrennungsmotor in denselben Hallen hergestellt werden, wird die deutschen Autobauer noch eine Weile begleiten. Allerdings fokussieren sich die Produktionsplaner zunehmend auf die Elektromobile. Ein anderes Beispiel für dieses Konzept sind die Böllinger Höfe in Neckarsulm, bislang eine Trutzburg der sportlichen Fertigung, wo der Audi R8 produziert wird. Diese Ära wird spätestens 2023 enden. Mittlerweile sind die Fertigungsanlagen für den Porsche-Taycan-Bruder Audi e-tron GT umgebaut. Bis 2025 will Audi 25 rein elektrische Autos im Portfolio haben. Damit auch genügend Batterien vorhanden sind, werden diese in Ingolstadt gefertigt.

Ein echter Kraftakt war das Integrieren der Porsche-Taycan-Fertigung in Zuffenhausen. Knapp vier Jahre werkelten bis zu 130 Firmen, um die Geburtsstätte des Elektro-Erstlings fertigzustellen, während ein paar Meter weiter der Porsche 911 vom Band läuft. Auch beim Nachbarn mit dem Stern auf dem Kühlergrill wandern die Kapazitäten, seien sie menschlicher oder monetärer Natur, zunehmend in die Elektromobilität. Im Werk Sindelfingen baut Mercedes den EQ, was bei den homöopathischen Stückzahlen des Elektro-SUVs nur ein Aufwärmen ist. Wichtiger ist da schon die BEV-Luxus-Limousine EQS, die dort ab 2021 gefertigt werden wird. Rund 730 Millionen Euro hat Mercedes in die Factory 56 investiert.

Damit nicht genug. In den Standorten Berlin und Hamburg stehen die Zeichen ebenfalls auf Strom. In der Hansestadt werden künftig Antriebsmodule, elektrische Hinterachsen und Leichtbauteile sowie integrierte Starter-Generatoren gefertigt. Die Mercedes-Fabrik in der Hauptstadt übernimmt Anfang der nächsten Dekade die Montage eines elektrischen Antriebsmoduls. Dagegen werden in Untertürkheim keine Dieselmotoren mehr gebaut. Das geschieht jetzt unter anderem im polnischen Jawor.

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