Personalmanagement

Neue KI-Tools können in der Personalplanung deutliche Potenziale heben - doch es bestehen auch Bedenken. (Bild: Adobe Stock / ktasimar)

KI ist ein Jobkiller – diese pauschale Befürchtung wird in der öffentlichen Diskussion inzwischen zwar seltener geäußert als noch vor einigen Jahren, doch sie ist noch immer gegenwärtig. Fortschrittliche Unternehmen greifen den geplanten KI-Einsatz gemeinsam mit den Betriebsräten auf, um allen Interessen gerecht zu werden. Als ein Feld, auf dem KI weiterhelfen könnte, gilt die Personaleinsatzplanung in der Produktion. „Doch im Personalwesen ist das Thema KI nicht immer positiv besetzt, oft werden negative und ethisch fragwürdige Anwendungen im Bereich des Recruiting, des Performance-Managements oder sogar der Freistellung zitiert“, weiß Jörg Herbers, Geschäftsführer des Aachener IT-Anbieters Inform. Das Unternehmen entwickelt unter anderem Software für die Personaleinsatzplanung. „Dabei gibt es gerade im Bereich der Personaleinsatzplanung Anwendungsfälle, deren Vorteile unstrittig sind und von deren Nutzung Arbeitgeber und Arbeitnehmer profitieren.“ Vielen Betrieben sei das noch nicht klar.

KI macht Arbeitgeber flexibler

„Gerade angesichts des Kampfs um Fachkräfte werden sich Unternehmen in Zukunft stärker über dieses Thema darstellen“, ist Herbers überzeugt. „So kann ein Produktionsbetrieb zum Beispiel seine Schichtmodelle attraktiver gestalten.“ Mitarbeiter bekämen etwa die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Schichtplänen auszuwählen und „Jokertage“ einzusetzen, an denen sie frei haben. „Um trotzdem immer ausreichend Fachpersonal zur Verfügung zu haben, plant eine KI die Schichten um diese Jokertage herum, unter Berücksichtigung von Qualifikationen und Arbeitszeitkonten“, so Herbers.

Natürlich gibt es weitere Gründe, die für einen KI-gestützten Ansatz sprechen. Excel-Sheets oder nicht integrierte Lösungen werden den Flexibilitätsanforderungen ehedem immer weniger gerecht. „Die Planung wird komplexer, aufgrund steigender Mitarbeiteranforderungen, schwankender Produktionsvolumina oder schlicht und ergreifend der Größe und Komplexität des Betriebs“, sagt Herbers. Hohe Krankenstände während der Corona-Pandemie, die Halbleiterversorgungskrise oder der russische Angriff auf die Ukraine sind sehr aktuelle – und sehr komplexe – Beispiele für externe Faktoren, die letztlich auch die Personaleinsatzplanung in der Produktion beeinflussen.

Lufthansa-Tochter verkürzt Planungsaufwand auf wenige Tage

Was mit KI möglich ist, verdeutlicht Herbers an dem Inform-Kunden Lufthansa Technik Logistik Services (LTLS). Wenn irgendwo auf der Welt ein Flugzeug aus der Kundenflotte defekt ist und ein Ersatzteil benötigt wird, sorgt diese Lufthansa-Tochter für eine rasche Lieferung. In diesem zeitkritischen Umfeld ist es wichtig, dass das Unternehmen gut und schnell reagieren kann. Um die Schichten richtig zu planen, benötigte LTLS vor der Softwareumstellung viel Fachwissen über das Planungstool, über Arbeitszeitgesetze, Tarifverträge und Arbeitszeitmodelle. „Für die Jahresplanung von rund 300 Mitarbeitern haben mehrere Planer fast einen Monat gebraucht“, verdeutlicht Herbers den Aufwand.

Inzwischen wird einmal im Jahr der Schichtplan für das nächste Jahr freigegeben, bevor die Dienstplaner die Urlaubs- und Feinplanung übernehmen. „Die komplexen Aufgaben, das Fachwissen und die ganze Vernetzung dahinter erledigt die Software eigenständig“, sagt Herbers. „Nun benötigen die Planer nur noch wenige Tage für die deutschlandweite Planung.“

Potenzial und Risiken eines KI-Ansatzes

Bei der IG Metall ist die KI-gestützte Personaleinsatzplanung ein bekanntes Thema, wie Detlef Gerst, Leiter des Ressorts Zukunft der Arbeit, bestätigt. „Es wird oft diskutiert, ist aber noch nicht weit verbreitet in den Betrieben, eher in Pilotprojekten.“ Grundsätzlich seien mit diesem Ansatz „Produktivitätssteigerungen vorstellbar“, vor allem, wenn die Personaleinsatzplanung mit der Fertigungs- und Produktionsplanung verknüpft werde. „Wichtig sind bei maschinellen Entscheidungen jedoch Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Lösungen, die letztlich ja menschliche Kompetenz ersetzen sollen“, betont Gerst. „Zudem entsteht dabei rasch ein Spannungsfeld mit dem Datenschutz, der ja auf den Grundsätzen der Datensparsamkeit und -vermeidung beruht.“ Softwarespezialisten seien aber keine Datenschutzexperten. „Eine KI lebt davon, dass möglichst viele Daten zur Verfügung stehen“, so Gerst. „Wenn dann zu den Kompetenzen und den Arbeitszeitkonten auch noch die Krankheitsfehltage hinzukommen, hat so ein Tool rasch Missbrauchspotenzial.“

BMW standardisiert in Vorbereitung auf KI-Einsatz

Bei der BMW Group sind mit drei Betriebsvereinbarungen auch die Grundlagen für die Verwendung von KI in der Personaleinsatzplanung geschaffen worden. Konkret beziehen sich die Betriebsvereinbarungen auf die Themen Abtaktung, auf Planung von Personaleinsatz und -bedarf sowie auf Zeitwirtschaft und Bewertungsmethoden. Der Autohersteller schafft derzeit die notwendigen Voraussetzungen für den KI-Einsatz: durch standardisierte Daten, IT-Systeme und Prozesse. Jens Rauschenbach ist mit seinem Team als Kompetenzzentrum im Konzern für Standards und Methoden des Industrial Engineering in allen Werken und Technologien verantwortlich. „Wir stellen den Werken einen Methodenbaukasten bereit, damit diese alle mit den gleichen Tools und Methoden arbeiten.“

Die Personaleinsatzplanung verläuft bei dem OEM wie bei vielen produzierenden Unternehmen. Mit der etablierten Methoden-Zeitmessung ermittelt man zunächst die Dauer eines Prozesses. Dann taktet man den Prozess ein, spezifiziert also die erforderlichen Arbeitsplätze in Montage, Fertigung und Logistik. Auf dieser Basis lässt sich der Personalbedarf ermitteln – mit Blick auf Anzahl und Qualifikation. Diesen Bedarf wiederum gilt es im letzten Schritt in die Zahl der notwendigen Arbeitsverträge zu übersetzen, unter Berücksichtigung von zum Beispiel Urlaubs-, Krankheits- und Schulungstagen.

Prozessoptimierung als zwangsläufige Folge

Die BMW-Lösung für die Personaleinsatzplanung ist eine Eigenentwicklung des Konzerns, „weil unsere Vielfalt an Arbeitszeitmodellen mit einer kommerziellen Lösung nur schwer abzubilden war“, erklärt Rauschenbach. Er erwartet, dass die jetzige Standardisierung auch zu einer Prozessoptimierung führt: „Bislang ließ sich die Personaleinsatzplanung zwischen zwei Werken kaum vergleichen, aber künftig greifen wir auf standardisierte Daten für alle Funktionsebenen zurück, welche auf Knopfdruck zur Verfügung stehen.“

Auf der Grundlage dieser Vereinheitlichung sollen dann KI-gestützte Algorithmen in den Daten nach Zusammenhängen suchen. „Möglicherweise gibt es welche, die nicht auf den ersten Blick offensichtlich sind, zum Beispiel zwischen häufigem Umtakten und dem Umfang von Nacharbeiten oder zwischen dem Betriebspunkt eines Werkes und den Zeitkonten beziehungsweise dem Zeitarbeitsbedarf“, veranschaulicht Rauschenbach das Potenzial. „Mit solchen Erkenntnissen ließe sich dann wiederum simulieren, welche Optimierungen sinnvoll wären.“ Rauschenbachs Team werde dabei „die Rolle des Unterstützers und Impulsgebers“ übernehmen und die Weiterentwicklung der Personalplanung „gemeinsam mit den Experten in den Werken vorantreiben“.

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