
Mit dem Catena-X-Zertifikatsmanagement entfällt für Zulieferer der manuelle Upload einzelner Zertifikate in verschiedene Kundenportale. (Bild: Adobe Stock / ipuwadol)
Kernversprechen der Automobilindustrie sind Qualität, Sicherheit und Nachhaltigkeit – dementsprechend hoch sind auch die Anforderungen an Zulieferer. Unternehmen müssen eine Vielzahl an Zertifikaten vorweisen, um ihre Produkte an Autobauer wie BMW, Mercedes oder Volkswagen liefern zu dürfen. Von IATF 16949 für Qualitätsmanagement, über ISO 14001 für Umweltstandards bis hin zu AEO und CTPAT für Zoll- und Lieferkettensicherheit – die Liste ist lang. Der administrative Aufwand, diese Zertifikate zu verwalten, ist enorm. Jedes Dokument muss regelmäßig aktualisiert, geprüft und an verschiedene Partner übermittelt werden.
Für Zulieferer bedeutet das: Hunderte von Uploads in unterschiedliche Portale, unzählige E-Mails und ein ständiges Risiko, dass ein abgelaufenes Zertifikat zum Ausschluss aus einer Ausschreibung führt. „Bei einigen unserer 1st-Tier-Partner beispielsweise gibt es ein ganzes Team aus Leuten, die sich nur um die unterschiedlichen Portale für Zertifikate kümmern“, erzählt Daniel Miehle, Head of Catena-X Use Cases bei BMW, und betont damit die enormen Ressourcen, die bisher in diesem Bereich aufgewendet werden mussten.
So unterstützen Cofinity-X und AWS das Zertifikatsmanagement
Um diese Herausforderungen zu lösen, setzt BMW auf das Catena-X-Netzwerk und das standardisierte Certificate Management. Das Zertifikatsmanagement basiert auf dem CX-0135-Standard, der es Unternehmen ermöglichen soll, digitale Assets im Datenraum bereitzustellen. Zulieferer laden ihre Zertifikate in das System hoch und stellen diese autorisierten Unternehmen zur Verfügung. Dadurch entfällt die Notwendigkeit, Zertifikate manuell an verschiedene Kunden zu senden oder in individuellen Portalen zu pflegen. Die Umsetzung des Zertifikatsmanagements wird durch spezialisierte Provider gewährleistet, die sichere und interoperable Lösungen für den Datenaustausch bereitstellen.
Einer der zentralen Akteure ist Cofinity-X, als Unternehmen, das speziell für die Operationalisierung des Catena-X-Datenökosystems gegründet wurde. Der offene Marktplatz für die Bereitstellung eigener und fremder Anwendungen und Dienste wurde im Oktober 2023 live geschaltet. Verschiedenste Technologieanbieter können darüber ihre zertifizierten Lösungen für verschiedene Use Cases anbieten. AWS hat hierfür beispielsweise eine eigene Lösung für das Management von Zertifikaten entwickelt, auf dem Marktplatz gelistet und engagiert sich auch darüber hinaus bei Catena-X:„ Die anfängliche Rolle von AWS im Januar 2023 als Catena-X-Mitglied hat sich mittlerweile weiterentwickelt und wir arbeiten daraufhin auch selbstständig neue Mitglieder onzuborden. In dem Zusammenhang arbeiten wir eng mit OEMs wie BMW zusammen, um zu evaluieren, wie wir Catena-X am besten unterstützen können. Außerdem nehmen wir an Arbeitsgruppen teil und engagieren uns, die Internationalisierung voranzutreiben“, erklärt ein AWS-Sprecher der automotiveIT.
Eclipse Data Space Connector ermöglicht sichere Zertifikate
Aber auch Cofinity-X bietet eine eigene Zertifikatslösung an, die mit der AWS-Lösung interoperabel ist. Durch die Einhaltung der Catena-X Standards und der daraus resultierenden Interoperabilität der Lösungen soll sichergestellt werden, dass das Zertifikatsmanagement höchsten Sicherheits- und Compliance-Anforderungen entspricht und Unternehmen eine zukunftssichere Lösung für ihre digitalen Prozesse erhalten.
Ein entscheidender Bestandteil im Zertifikatsmanagement von Catena-X ist dabei der Eclipse Data Space Connector (EDC), der als Schnittstelle für den sicheren Austausch von Unternehmensdaten dient. Der EDC ist eine zentrale Kommunikationskomponente innerhalb des Catena-X-Netzwerks, die einen souveränen und sicheren Datenaustausch zwischen Unternehmen ermöglichen soll. Entwickelt nach den Prinzipien von Datenhoheit und Interoperabilität, erlaubt der EDC Datenanbietern, die vollständige Kontrolle über ihre Daten zu behalten und individuell festzulegen, wer auf welche Informationen zugreifen darf und unter welchen Bedingungen dieser Zugriff erfolgt. Dabei bleibt der Connector unabhängig von spezifischen Lösungen, um eine nahtlose Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Systemen zu ermöglichen. Der EDC kann selbst aufgesetzt werden oder als Managed Service genutzt werden. In jedem Fall können Daten nur zwischen zertifizierten EDCs ausgetauscht werden, sodass alle Partner des Datenaustauschs autorisiert sind.
Standardisierung für umfassende Kosten- und Zeiteinsparung
Verglichen mit der manuellen Pflege von beispielsweise fünf Zertifikatstypen über zwanzig verschiedene Kundenportale ermöglicht die Nutzung einer Catena-X-Zertifikatsmanagementlösung eine deutlich vereinfachte Handhabung. Statt jeden Zertifikatstyp einzeln für jede Plattform hochzuladen und zu aktualisieren, können Zulieferer ihre Zertifikate zentral verwalten und flexibel für eine unbegrenzte Anzahl von Partnern bereitstellen. Die Verwaltung von Unternehmenszertifikaten erfolgt laut Catena-X bis zu 95 Prozent schneller, da aufwendige manuelle Prozesse und redundante Uploads entfallen.
Dies bedeute nicht nur eine erhebliche Zeitersparnis, sondern auch direkte finanzielle Vorteile. Unternehmen könnten jährlich durchschnittlich 3.300 Euro an Personalkosten einsparen, basierend auf der Annahme, dass pro Zertifikat eine Stunde Arbeitszeit pro Jahr anfällt und die durchschnittlichen Personalkosten bei 35 Euro pro Stunde liegen. Miehle betont zudem einen weiteren Vorteil: „Das Zertifikatsmanagement über Catena-X ist aus unserer Sicht der perfekte Einstiegs-Use-Case, da er leicht erklärbar ist und sich in der Regel jedem sofort erschließt.“ Besonders attraktiv sei, dass Unternehmen mit wenigen Schritten starten und ohne hohen Integrationswand schnell einen spürbaren Mehrwert erzielen könnten.
Der BMW-Experte hebt außerdem hervor, dass dieser Use Case nicht nur Effizienzgewinne bringe, sondern auch als Fundament diene, um über die gleichen Provider weitere Anwendungen zu nutzen. Hat man sich einmal registriert, sei die Grundlage geschaffen, um weitere Use Cases mit minimalem Aufwand zu erschließen, erklärt Miehle. „Wir haben Vertrauen in Catena-X und glauben daran, dass dieser gemeinsame Datenraum auch die Lösung für viele andere Herausforderungen der Industrie sein wird.“ Ein Weg: BMW wird den Catena-X-Standard für das Management von Zertifikaten im Partnernetzwerk ausrollen.