automotiveIT Kongress 2024 Catena-X Talk

Die automotiveIT-Chefredakteure Pascal Nagel (links) und Yannick Tiedemann (rechts) im Gespräch mit den Catena-X-Experten Oliver Ganser, Julia Mayr und Sven Lorenz (von Mitte links nach rechts). (Bild: Marko Priske)

Catena-X hat sich in den letzten Jahren als eines der ambitioniertesten industriepolitischen Projekte etabliert, das die Digitalisierung und Vernetzung in der Automobilindustrie vorantreibt. Mit dem Ziel, ein offenes und kollaboratives Datenökosystem zu schaffen, strebt die Initiative an, die Effizienz, Transparenz und Nachhaltigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu verbessern. Angesichts der zunehmenden Komplexität globaler Lieferketten und steigender regulatorischer Anforderungen bietet Catena-X einen Ansatz für Unternehmen, diesen Herausforderungen zu begegnen. Im Rahmen des automotiveIT Kongress 24 in Berlin, standen Oliver Ganser (BMW), Sven Lorenz (Volkswagen) und Julia Mayr (Mercedes-Benz) Rede und Antwort über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Catena-X. automotiveIT fasst die wichtigsten Punkte zusammen.

Das ist die Zielsetzung von Catena-X

Die Gründung von Catena-X vor etwa vier Jahren war eine Reaktion auf die dringende Notwendigkeit, die digitale Transformation in der Automobilindustrie zu beschleunigen. Die Initiative zielt darauf ab, die Zusammenarbeit zwischen Herstellern, Zulieferern und weiteren Akteuren durch standardisierte Datenformate und Prozesse zu optimieren. Oliver Ganser, Vorstandsvorsitzender von Catena-X, konstatiert dazu in Berlin: „Unsere Lieferketten sind global. Kein europäisches Problem. Von der Mine bis zum OEM und schließlich zum Endkunden: Multi-Tier Collaboration ist der Schlüssel.“

Die Hauptziele von Catena-X lassen sich wie folgt zusammenfassen: Zunächst geht es um das Schaffen einheitlicher Standards für Daten- und Informationsflüsse, um Effizienz und Skalierbarkeit zu gewährleisten. Zudem muss sichergestellt sein, dass Unternehmen die Kontrolle über ihre Daten behalten und diese sicher austauschen können. Nicht zuletzt liefert das Netzwerk Unterstützung bei der Erfüllung regulatorischer Anforderungen, wie dem Batteriepass oder der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD).  „Die Short-Term Profitability ist für viele Unternehmen kritisch. Standards und Shared Services sind notwendig, um in einem immer komplexeren Umfeld wettbewerbsfähig zu bleiben“, unterstreicht Oliver Ganser die Bedeutung dieser Ziele.

automotiveIT Kongress 2025

IT Team Award automotiveIT

Der automotiveIT Kongress 2024 zeigte vor allem eines: IT ist Business und Business ist IT. CIOs wie Katrin Lehmann und Alexander Buresch sowie IT-Experten und Branchenkenner gaben spannende Einblicke in die Digitalisierung der Automobilindustrie und diskutierten die wichtigsten Tech-Trends.
Save the Date! Am 18. September 2025 geht Deutschlands größtes Branchentreffen der Automobil- und IT-Industrie in Berlin in die nächste Runde. CIOs und IT-Experten stellen ihre Strategien und Projekte vor. Erleben Sie spannende Vorträge, Paneldiskussionen, Insights auf unseren Deep Dive-Bühnen, die Verleihung der nächsten IT Team Awards und natürlich das Networking mit der Community hautnah. 🎫 Jetzt Frühbucher-Ticket sichern!

Kollaboration als Erfolgsfaktor in der Autoindustrie

Ein zentrales Element von Catena-X ist die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen unterschiedlicher Größen und Branchen entlang der Wertschöpfungskette. Die Automobilindustrie ist geprägt von einer komplexen Struktur, in der OEMs, Zulieferer und kleinere Unternehmen eng miteinander vernetzt sind. Catena-X bietet ein Ökosystem, in dem diese Akteure zusammenkommen und die Digitalisierung der gesamten Lieferkette vorantreiben.

Sven Lorenz, Head of Group Data & AI bei Volkswagen, hob die Bedeutung der Kollaboration hervor: „Das Managen der Supply Chain ist der Schlüssel zu Resilienz und Effizienz. Als Einzelkämpfer kann niemand die heutigen Herausforderungen bewältigen.“ Durch standardisierte Schnittstellen und einen interoperablen Ansatz ermöglicht Catena-X nicht nur großen Unternehmen, sondern auch kleineren Akteuren, sich nahtlos zu integrieren, weiß Julia Mayr, Director Catena-X bei Mercedes-Benz: „Größere Partner unterstützen kleinere, sei es durch Standards, Vorqualifizierungen oder Open-Source-Implementierungen.“

Catena-X ist kein deutscher Alleingang

Obwohl Catena-X in Deutschland initiiert wurde, verfolgt die Initiative von Beginn an eine internationale Ausrichtung. Internationale Partner wie Renault, Stellantis, Valeo und Ford haben sich bereits angeschlossen. Der Vorstand ist multinational besetzt, und es wurden aktiv Hubs in Regionen wie den USA und China etabliert. Ganser betonte die globale Relevanz: „Die Probleme globaler Lieferketten sind universell. Wir integrieren uns in bestehende Strukturen, statt eigene aufzuzwingen. Das macht uns erfolgreich.“

Besonders in China, einer Schlüsselregion der Automobilindustrie, gibt es Interesse an Catena-X. Die chinesische Region um Shanghai hat sogar ein eigenes Förderprojekt ins Leben gerufen, das an die Grundsätze von Catena-X angelehnt ist.

Catena-X Talk Oliver Ganser
„In drei Jahren haben wir eine komplette Industrie vereint", betont Catena-X-Boss Oliver Ganser (links) auf dem automotiveIT Kongress 2024 das Erreichte. (Bild: Marko Priske)

Nachhaltigkeit als Treiber

Ein zentraler Treiber für die Weiterentwicklung von Catena-X ist das Thema Nachhaltigkeit. Regulatorische Vorgaben wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) oder der EU-Batteriepass verlangen von Unternehmen, detaillierte Informationen über ihre CO2-Emissionen, Rohstoffe und Produktionsbedingungen entlang der Lieferkette bereitzustellen. Catena-X ermöglicht diesen Datenaustausch auf eine Art und Weise, die effizient und skalierbar ist. „Der Gesetzgeber verlangt zunehmend Primärdaten, und genau hier kann Catena-X den entscheidenden Unterschied machen. Informationen werden direkt zwischen den Partnern ausgetauscht – standardisiert, souverän und interoperabel“, erklärt Julia Mayr.

Ein konkretes Beispiel ist der Batteriepass, der ab 2027 für alle Batterien in Europa verpflichtend ist. Catena-X stellt hierfür die technische Infrastruktur bereit, um die benötigten Datenpunkte, wie etwa den Carbon Footprint oder die Materialzusammensetzung, effizient bereitzustellen. Diese Anwendungen zeigen, wie Catena-X nicht nur den regulatorischen Anforderungen entspricht, sondern auch zur Nachhaltigkeit und Transparenz beiträgt.

Erste Catena-Use Cases sind live

Die Stärke von Catena-X liegt in der konkreten Umsetzung praxisnaher Anwendungsfälle, die direkt auf die Bedürfnisse der Industrie zugeschnitten sind. Diese Use Cases decken ein breites Spektrum ab – vom Stammdatenmanagement bis hin zur CO2-Bilanzierung. Ein zentraler Use Case ist das Demand- und Kapazitätsmanagement, bei dem Lieferanten ihre Kapazitätsinformationen standardisiert bereitstellen. Dies reduziert den administrativen Aufwand erheblich und erhöht die Datenqualität. Julia Mayr erläutert dazu: „Heute pflegt der Lieferant seine Kapazitätsinformationen lokal und stellt sie im standardisierten Format bereit. Das spart Aufwand und vermeidet Fehler.“

Ein weiterer Use Case ist das Business-Partner-Datenmanagement, das den Austausch und die Verwaltung von Geschäftspartnerinformationen wie Adressen, Ansprechpartnern und Bankverbindungen erleichtert. „Wir nutzen den Golden Records Service von Cofinity-X. Das spart 40 bis 50 Prozent des Aufwands und liefert qualitativ bessere Daten“, erklärt Sven Lorenz. Auch das Qualitätsmanagement lässt sich mit geteilten Daten ordentlich aufpolieren, wie ein Use Case bei Bosch zeigt.

Zitat

„Catena-X ist keine Vision mehr – es ist Realität.“

Julia Mayr, Mercedes-Benz

Vor diesen Herausforderungen steht Catena-X

Doch Catena-X sieht sich auch mit Kritik und Herausforderungen konfrontiert. Ein häufig genannter Punkt ist die fehlende Geschwindigkeit, mit der die Initiative Fortschritte macht. Ganser wies diese Vorwürfe jedoch entschieden zurück: „In drei Jahren haben wir eine komplette Industrie vereint und produktive Datenflüsse geschaffen. Wer sagt, dass das zu langsam ist?“ Ein weiteres Hindernis ist die Integration kleinerer Unternehmen, die häufig begrenzte Ressourcen und Knowhow im Bereich Digitalisierung haben. Catena-X versucht, diesen Partnern durch einfache Onboarding-Prozesse entgegenzukommen. „Catena-X ist einfacher, als viele denken. Wir wollen die Eintrittsbarrieren so niedrig wie möglich halten, insbesondere für kleinere Unternehmen, die vielleicht nicht über die nötige Infrastruktur oder das Knowhow verfügen“, erklärt Lorenz.

Ein weiteres Anliegen ist die Wahrung der Datenhoheit und die Einhaltung internationaler Datenschutzstandards. Catena-X setzt dafür auf eine dezentrale Architektur, bei der die Daten stets beim jeweiligen Unternehmen verbleiben. Oliver Ganser erläuterte diesen Ansatz: „Die Daten verbleiben immer beim Spender. Es gibt keine zentrale Datenbank, auf die alle zugreifen können. Der Austausch erfolgt ausschließlich auf Grundlage bilateraler Vereinbarungen, bei denen jede Partei genau kontrollieren kann, was mit den Daten geschieht.“

Catena-X schickt sich an, sich innerhalb weniger Jahre als Schlüsselinitiative für die Digitalisierung und Kollaboration in der Automobilindustrie zu etablieren. Mit seinem Fokus auf Standardisierung, Datenhoheit und Nachhaltigkeit adressiert das Projekt einige der drängendsten Herausforderungen der Branche. Es ermöglicht eine effizientere Zusammenarbeit entlang globaler Lieferketten, reduziert Kosten und steigert die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie. Die nächsten Jahre werden entscheidend sein, um das volle Potenzial von Catena-X auszuschöpfen. Die bisherigen Fortschritte und der wachsende internationale Zuspruch zeigen jedoch, dass die Initiative auf einem vielversprechenden Weg ist. Das betont auch Julia Mayr zum Abschluss der Talkrunde auf dem automotiveIT Kongress: „Catena-X ist keine Vision mehr – es ist Realität.“

Sie möchten gerne weiterlesen?