Die Zahl der Steuergeräte in modernen vernetzten Fahrzeugen wächst – und mit ihnen die Menge an Code. Das israelische Unternehmen Aurora Labs hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Connected Car zu schützen – mit einer selbstheilenden Software. Deutschland-Chef Rudolf von Stokar erklärt im Interview mit carIT, was es damit auf sich hat.
Die selbstheilende Software von Aurora Labs kann für alle Softwaresysteme und Steuergeräte (ECU) im modernen vernetzten Auto verwendet werden. Mit Hilfe eines Machine-Learning-Algorithmus können Softwarefehler und das Risiko eines möglichen ECU-Ausfalls aufgedeckt werden – bis hin zur Ebene der einzelnen Code-Zeile. Schließlich heilt sich die Software selbst, indem sie das Steuergerät auf eine sichere Version zurücksetzt. Client-lose OTA-Updates sorgen dann weiterhin dafür, dass alle ECUs im Fahrzeug immer auf dem neuesten Stand sind – nahtlos, sicher und ohne Ausfallzeiten.
Cyber-Security und die doch recht lückenhafte Netzabdeckung sind im Zusammenhang mit Software-Updates over-the-air häufig genannte Herausforderungen. Wie gehen Sie diese Hürden an?
Die Technologie von Aurora Labs hat den Vorteil, dass OTA-Updates auch bei eingeschränkter Konnektivität durchgeführt werden können. Das ist möglich, indem wir bei Updates die Softwareversionen vergleichen und nur die Delta-Dateien verschicken. Diese sind sehr klein: Ist die Software der Headunit etwa 4 GB groß, kann die Delta-Datei lediglich 50 MB klein sein. Diese geringe Datenmenge kann auch bei 4G oder schlechterer Verbindung übertragen werden. Selbst Unterbrechungen während der Übertragung sind kein Problem, denn das Update wird erst dann aufgespielt, wenn die Delta-Datei vollständig übertragen und geprüft wurde. Auch die Themen Cyber Security und Software Health werden immer wichtiger. Denn in modernen Connected Cars nimmt die Menge an Software-Code kontinuierlich zu. Man kann heute von „Software auf Rädern“ sprechen, denn der durchschnittliche Neuwagen läuft mit mehr Code als ein F-35 Düsenjet. Dementsprechend können Softwarefehler schnell zur Gefahr für Auto und Fahrer werden, denn die „Software auf Rädern“ kann schnell auch zu einer Menge „Fehler auf Rädern“ führen. Durchschnittlich gibt es in Automobilsoftware etwa 50 Fehler pro 1.000 Zeilen Code. Selbst bei Standard-Qualitätskontrollen können bis zu 15 Prozent der Fehler im Onboard-Code unentdeckt bleiben. Die Lösung von Aurora Labs hat den gesamten Code stets im Blick und behebt Fehler mithilfe von Machine Learning.
Sie haben im vergangenen Jahr eine Niederlassung in München eröffnet. Welche Reaktionen haben Sie bereits aus der deutschen Autobranche auf Ihre Lösung erhalten?
Die Eröffnung des Münchner Büros war ein wichtiger Schritt für uns – und einer, der sich gelohnt hat. Denn die Reaktionen der deutschen Automobilhersteller und OEMs waren durchweg positiv. Wir arbeiten bereits mit einigen führenden Unternehmen aus Deutschland zusammen. Ich kann Ihnen auch bereits einen konkreten Anwendungsfall nennen: Wir haben einen Kunden in Deutschland, der Probleme mit den Airbags in seinen Fahrzeugen hatte. Es kam immer wieder zu Ausfällen – eine große Gefahr im Falle eines Unfalls. Selbst nach mehrmonatiger Fehlersuche konnte keine Ursache für das Problem gefunden werden. Unsere selbstheilende Software hat gerade einmal zwei Tage gebraucht, um das Problem ausfindig zu machen. Die Lösung: Auf dem Airbag-Controller lief eine fehlerhafte Software. Normalerweise führt der Airbag-Controller einmal am Tag eine Diagnose durch und kalibriert die Sensoren neu. Das dauert circa eine Sekunde, während der der Airbag allerdings nicht zur Verfügung steht. Das Problem war nun, dass der Controller ganze 800-mal pro Tag eine Diagnose durchführte – der Airbag stand also 800 Sekunden am Tag nicht zur Verfügung. Diesen Softwarefehler konnten wir mit Hilfe unserer Machine-Learning-Algorithmen schnell ausfindig machen und durch ein Update beheben.