Audi erprobt die 5G-Technologie für die Automobilfertigung.

Zu den Versprechen des Mobilfunkstandards 5G zählen die größeren Datendurchsatzraten, die geringen Latenzzeiten, mehr Netzkapazitäten sowie eine höchst sichere Verfügbarkeit. (Bild: Audi)

Das Audi Production Lab gilt als Leuchtturmprojekt. Dessen Leiter Henning Löser beschreibt seine Mannschaft liebevoll als ein Team aus Nerds, das eine Abteilung bilde, die im Hause neue Technologien, die innerhalb der Produktion (noch) keinen organisatorischen Hafen haben, prüfen, bewerten und ausprobieren können. „Mit Use Cases, die wir testen, können wir dann Empfehlungen aussprechen, ob und wie eine Technologie für die Produktion letztlich nutzbar gemacht werden kann.

Beim Datendurchsatz hat WiFi 6 nachgelegt

Am Anfang standen Themen wie die Mensch-Roboter-Kooperation, aktuell ist 5G eines der wichtigen Felder. Zu den umfangreichen Versprechen des Mobilfunkstandards zählen die größeren Datendurchsatzraten, die geringen Latenzzeiten, mehr Netzkapazitäten sowie eine höchst sichere Verfügbarkeit.

Aus Produktionssicht habe man spezifische Anforderungen an ein Funknetzwerk, sagt Löser, denn mit dem heutigen WiFi-Netzwerk stoße man an einigen Ecken an Begrenzungen, wodurch diese Technologie in manchen Bereichen nicht mehr effizient genug sei. Der Experte präzisiert: „Beim Thema Datendurchsätze legt WiFi zwar deutlich nach, insbesondere WiFi 6. Eines der für die Steuerung von Anlagen spannenden Anwendungsprofile im 5G-Mobilfunknetz ist etwa Ultra-Reliable and Low-Latency Communications, kurz URLLC.“ Dafür jedoch sei WiFi nicht geeignet.

Vereinfacht gesagt sendet WLAN und „schaut“ gleichzeitig, ob anderweitig gesendet wird. Dann steige WLAN schlichtweg aus und versuche es erneut, schildert Löser und spricht hierbei von einer „Kollision“: Trotz hervorragender Netzqualität erfolgt kein Datendurchsatz. WLAN biete keine definierten Zeitslots. In der Produktion arbeiten die Werker mit Profinet Safe als BUS-Protokoll, das mit WLAN „getunnelt“ werden kann.

5G sichert die geforderte schnelle Rückmeldung

Eine Profinet-Anforderung sei jedoch, innerhalb von zehn Millisekunden Rückantworten oder Bestätigungen zu erhalten. Daher sei es kompliziert, die zur Steuerung der Roboter und Anlagen benötigten Feldbusse zu routen, erklärt Löser. Mit 5G würde dies reibungslos funktionieren. Es besteht kein Zweifel: Eine Fabrik stellt andere Anforderungen als das private Umfeld. Bei Handynetzen und heimischen DSL-Leitungen liegt der Content in der Cloud. Der überwiegende Anteil des Datenverkehrs findet aus der Cloud in das Endgerät statt.

In der Fabrik hingegen befindet sich der Content auf der Anlage. Daher müsse dem Upload schlicht mehr Zeit als dem Download gegeben werden, beschreibt Löser die Herausforderung in der Produktionsumgebung. Im 5G-Netz könne man die physikalische Luftschnittstelle so konfigurieren, wie sie für die gewünschte Anwendung benötigt werde, so der Experte.

Für die Fertigung der nahen Zukunft bedeutet dies, dass alles, was sich sinnvoll verkabeln lässt, aufgrund der Robustheit auch verkabelt wird. Im Karosseriebau aber, in dem verschiedene Prozessgeräte an einen Roboter andocken, bietet 5G klare Vorteile. Ein weiterer Anwendungsfall findet sich in der Automation des Logistikverkehrs mit sogenannten fahrerlosen Transportsystemen. Im Bereich der Vorentwicklung sei man mit weiteren 5G-Themen befasst, etwa im nächsten Release mit der Lokalisierung im Werk mithilfe des Funkstandards, sagt Löser.

Die Systeme würden dazu zwei Wege aufzeigen: eine Groborientierung auf etwa fünf Meter sowie eine Feinorientierung beispielsweise mithilfe von Lidar-Scannern als Inside-Out-Lokalisierung im Nahfeld. Bei WLAN müsse hierfür zusätzlich zum Funk eine weitere Lokalisierungstechnik installiert werden, etwa GPS.

Noch gibt es zu wenig kommerzielle Geräte

Im P-Lab betreibt Audi bereits seit drei Jahren eine Basisstation. Eine erste Sicht galt dabei der genannten URLLC-Kommunikation. Um das Thema mit Blick auf die Standardisierung zu beeinflussen, trat Audi im Konzernverbund den entsprechenden Normungsgremien bei. Für die Fütterung von Fahrzeugen sowie den Verkehr der fahrerlosen Transportsysteme (FTS) mit Daten brauche man den jüngsten Release 15 Standalone aktuell zwar noch nicht, sagt Löser. Um Anlagen aber über Profinet und 5G anzubinden, benötige man diesen Release. „Wir haben im Audi Production Lab bereits erste Nachweise erbracht. Nun gilt es passende Standorte in der Produktion mit der erforderlichen Infrastruktur zu definieren.

Im Moment habe man die Technologie mit Use Cases erprobt, um exakt zu wissen, was diese leisten, schildert der Audi-IT-Experte die aktuelle Phase und blickt voraus: „In einem nächsten Schritt brauchen wir jedoch die URLLC-Chips. Die sind in den Massen aktuell aber nicht verfügbar.“ Daher sei nun der ideale Zeitpunkt, um weitere Schritte zu planen. Neben der Frage nach den richtigen Anlagen spiele etwa auch die Frage eine Rolle, wie lange man WLAN noch parallel mit 5G betreiben möchte. Und ob man das Campusnetz selbst betreiben oder damit ein Telekommunikationsunternehmen beauftragen will. Diese Entscheidungen treffe man nicht von heute auf morgen, sagt Löser. Und freilich würden die finanziellen Aspekte eine Rolle spielen. Für eine exakte Kosteneinschätzung sei es aber noch zu früh, da es momentan noch zu wenige kommerzielle Geräte gebe, sagt der IT-Fachmann.

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