IT-Mitarbeiter in einer Besprechungssituation

Die großen Herausforderungen an die IT und steigende Ausgaben rücken die Rolle der CIOs 2022 wieder in den Vordergrund. (Bild: Andreas Croonenbroeck)

Trotz möglicher Beeinträchtigungen durch die Omikron-Variante werde die wirtschaftliche Erholung inklusive der hohen Erwartungen an einen aufblühenden digitalen Markt die Technologieinvestitionen weiter ankurbeln, so die Berater von Gartner im Rahmen der zuletzt erschienenen IT-Ausgabenprognose. Laut ihr werden die weltweiten IT-Ausgaben dieses Jahr um 5,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigen. 2022 sei zudem das Jahr, in dem „die Zukunft für CIOs wieder zurückkehre“, sagt John-David Lovelock, Research Vice President und Distinguished Analyst bei Gartner, und konkretisiert: „Sie können nun die krisenbedingten, kurzfristigen Projekte der letzten zwei Jahre hinter sich lassen und sich auf Langfristiges fokussieren.“ Gleichzeitig werden sich IT-Chefs bei der Umsetzung ihrer digitalen Strategien verstärkt auf Beratungsunternehmen und Managed-Service-Firmen verlassen müssen, bedingt durch Qualifikationsdefizite bei den Mitarbeitern, die Lohninflation und den Kampf um Arbeitskräfte.

Für Daniel Kutschenko, der für die Hager Unternehmensberatung die Bereiche IT-Services & Operation verantwortet, ist der CIO einer der Hauptakteure der Digitalisierung. Gegenüber automotiveIT sagt er, dass die Coronakrise schonungslos offengelegt habe, wie abhängig das Geschäft von einer funktionsfähigen IT-Landschaft sei. IT-Manager und deren Teams hätten häufig in Rekordzeit den Shift ins Homeoffice ermöglicht. Sie seien von signifikanter Bedeutung in der Schaffung neuer Geschäftsfelder und Geschäftsprozesse. Damit die digitale Transformation gelinge, müsse der CIO eine zentrale Rolle als Enabler dieser neuen Prozesse einnehmen. Der Experte betont: „Er darf dabei nicht zum Getriebenen werden, auch wenn die neue Normalität im Jahr 2022 – geprägt von Unsicherheit, Lieferengpässen, drohender Inflation und möglichen neuen Virusvarianten – den Job nicht einfacher macht.

Drei Topaufgaben hat die Hackett Group für die Zukunft der CIOs definiert: Cybersicherheit, Fachkräftemangel und Automatisierung. Auf diese Kernaufgaben und -fragen müssen sie Antworten finden, sagt Kutschenko. Wie auch dem jüngst vom Industrieversicherer AGCS veröffentlichten Risikobarometer zu entnehmen ist, sehen namhafte Manager und Sicherheitsfachleute weltweit in Cyberangriffen denn auch die größte Gefahr für Unternehmen. Der Bereichsleiter Cyber- und Informationssicherheit beim IT-Branchenverband Bitkom, Sebastian Artz, rät daher, sich 2022 proaktiv mit den Themen Cybersicherheit und Ransomware auseinanderzusetzen.

EX-CIOs empfehlen mehr Eigenleistung und Tempo

Wie ist es dabei um den Handlungsspielraum von CIOs bestellt? Sind sie Treiber oder eher Getriebene? Unter anderem mit dieser Frage hat sich die Hochschule Koblenz im Rahmen einer Studie befasst. Für einen Teil der Befragten ist der IT-Chef Business Enabler und Treiber. Ein anderer Teil ist jedoch der Ansicht, dass der CIO noch immer Getriebener der Entscheidungen und Ideen der Fachbereiche, des Vorstands und des CEO ist. Doch was bremst den CIO? Einer der limitierenden Faktoren der Vergangenheit war sicherlich das Thema Kosten. Zwar habe er in seiner Rolle als CIO bei Volkswagen viele Freiheiten genossen, aber die IT wurde immer unter Kostengesichtspunkten betrachtet, resümierte Martin Hofmann kürzlich im automotiveIT-Interview über seine damaligen Aufgaben.

Er und sein Kollege Martin Straub, ehemaliger IT-Hauptverantwortlicher bei BMW, empfehlen heutigen CIOs ein hohes Maß an Eigenleistung und vor allem Tempo in den Fokus zu rücken. Straub mahnt insbesondere dazu, die IT in der Hierarchie so zu positionieren, dass nicht jeder mitreden könne und wolle. Hofmann sieht den CIO der Zukunft gar als engsten Verbündeten des CEO: „Ich bin zu einhundert Prozent überzeugt, dass der CIO und der CDO – die zusammenrutschen werden – die wichtigsten Sparringspartner in der Führungsetage werden.

CIO und CDO - Partner und Konkurrenten

Lag der Aufgabenschwerpunkt des CIO vor Jahren noch auf der Automatisierung von Produktions-, Geschäfts- und Verwaltungsprozessen, um bestehende Geschäftsabläufe effizienter zu gestalten, seien zwischenzeitlich neue Technologien wie KI und Big Data hinzugekommen, beschreibt IT-Services-&-Operations-Experte Kutschenko das Aufgabenumfeld des CIO. Dies bedeute, dass Unternehmen die IT als ganzheitlichen und wesentlichen Bestandteil der Unternehmensstrategie zuordnen sollten. Hierbei komme dem CIO mehr denn je eine Schlüsselrolle zu. Er müsse sich immer mehr vom reinen IT-Spezialisten und -Verwalter hin zum Business Enabler positionieren, der außerdem mehr und mehr die Verantwortung übernehme, den Erfolg der gesamten Firma voranzutreiben. Zahlreiche Firmen hätten hierfür einen Chief Digital Officer an Bord geholt. Dessen Anforderungsprofil unterscheidet sich Kutschenko zufolge stark von dem des CIO.

Der CDO müsse über das technische Knowhow in entscheidenden Zukunftsbereichen wie künstliche Intelligenz oder Big Data hinaus vor allem auch über Businesskompetenzen verfügen und dazu in der Lage sein, eine übergreifende Digitalstrategie zu entwerfen und sie als Change-Manager umzusetzen. Dazu seien auch klassische Leadership-Fähigkeiten wie Durchsetzungsfähigkeit, Empathie und Komplexitätsmanagement nötig. CIO und CDO könne man daher als Partner begreifen, so Kutschenko. Beide müssten aber damit rechnen, dass sich ihre Rollen organisch im Unternehmen verändern werden. Der Auftrag des CDO, die digitale Transformation voranzutreiben, sieht der Unternehmensberater als befristet. So gesehen könne man das Verhältnis der beiden Akteure wiederum als Wettbewerber beschreiben.

Funktionsübernahme durch Citizen Developer

Der CDO könnte also künftig an Macht einbüßen und gegebenenfalls sogar aus dem Unternehmen ausscheiden. Berater Kutschenko verweist diesbezüglich auf die Marktforscher von Forrester und Gartner: Der CIO werde demnach wieder eine Aufwertung erfahren und könnte sämtliche Projekte, die der CDO initiiert habe, in die gesamte Organisation zusammenführen. Eine andere Möglichkeit könnte hingegen sein, dass die Komplexität der IT weiter zunimmt und die individuellen Fachbereiche mehr Verantwortung für IT-Budgets und Fachwissen entwickeln. Daraus könnten dann sogenannte Citizen Developer entstehen. Diese wiederum könnten in ihren individuellen Bereichen IT-Verantwortung übernehmen und somit eine zen­trale Funktion des CIO oder auch des CDO redundant machen.

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