Martin Hofmann (links) und Klaus Straub auf dem automotiveIT Kongress Klartext

Die ehemaligen CIOs Martin Hofmann (links) und Klaus Straub zeigen im Talk mit der Redaktion Stärken und Schwächen der automobilen IT auf. (Bild: facesbyfrank)

Auch wenn Klaus Straub und Martin Hofmann zu den bekannten Gesichtern in der IT-Welt zählen und obwohl - oder gerade weil - sie nicht mehr aktiv im Dienste der Branchengrößen BMW und Volkswagen stehen, ist ihr gemeinsamer Auftritt auf der Bühne des automotiveIT Kongress ein Highlight. Im Gespräch mit der Chefredaktion ist daher auch Tacheles angesagt. Und die beiden Granden mit ihren jeweils gut 30 Jahren Erfahrung in der Automotive-Branche enttäuschen nicht und nehmen am Tag zwei des Kongresses kein Blatt vor den Mund.

Nicht nur die Notwendigkeit einer hohen Kerneigenleistung im Bereich Softwareentwicklung thematisieren die beiden Ex-CIOs, auch die bedrohliche Konkurrenzsituation mit den großen Tech- und Digitalplayern kommt zur Sprache. „IT ist Kern des Automobilsektors“, betont Straub. Seines Erachtens werden nahezu alle Unternehmen, die der IT nicht Herr werden, spätestens in zehn Jahren massive Probleme bekommen.

Bei Big Data und künstlicher Intelligenz wird man die Kerneigenleistung auf 90 Prozent erhöhen müssen“, konstatiert der IT-Experte, der seit seinem Abschied von BMW als Gründer und CEO von xelerate.tech und exadit tätig ist und von sich selbst sagt, dass das Thema Eigenleistung sein Steckenpferd sei. Man müsse zwar nicht alles selber bewerkstelligen, nicht ohne Grund liege aber bei diesen Themen die Eigenleistungstiefe eines Players wie Apple bei 100 Prozent. Einen Bereich, den man nicht ohne externe Kompetenzen stemmen könne, sieht Straub zudem in der IT-Sicherheit.

Branche muss verstärkt auf Eigenleistung setzen

Auch Martin Hofmann betont in Berlin: „Ich würde viel stärker auf Eigenleistung setzen – insbesondere bei der Softwareentwicklung.“ Trotzdem gebe es Kooperationen, wie etwa beim Google-Infotainment von Tesla, bei denen ein Alleingang des Autoherstellers keine bessere Alternative darstellen würde. Ausschließlich Lob hat Hofmann für den Elektropionier jedoch nicht übrig: Sogar Finanzsysteme selbst zu entwickeln, sei schlichtweg der falsche Weg, kritisiert der IT-Experte, der seit seinem Abschied von Volkswagen bei Salesforce tätig ist.

Hofmann kann seiner Zeit als CIO beim größten deutschen OEM viel Gutes abgewinnen und hebt hervor, dass er in dieser Phase auch große Freiheiten hatte. Was ihn in seiner Bewegungsfreiheit jedoch hinderte, war das Dauerthema Kosten, das über allen Projekten schwebte. Einer der größten Hemmschuhe sei zudem Perfektionismus. Der insbesondere deutsche Anspruch, alles müsse 100-prozentig sein, führe zu frustrierend langen Prozessen.

Autoindustrie braucht einfach mehr Speed

Unisono mahnen die Ex-CIOs deutlich mehr Geschwindigkeit in der klassischen Automotive-Welt an. Ein ERP-Update etwa auf drei Jahre anzulegen, hält Hofmann für nicht gangbar. Gerade mit Blick auf Tesla sagt der Experte, dass die deutschen Autobauer ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen sollten. Man habe nur das große Problem einer „erschütternden Langsamkeit“. Hier könne und müsse man den Hebel ansetzen. Der IT-Mann schwärmt von One-Page-Business-Plänen mit 90- oder 120-Tage-Zyklen, wie man sie bei US-Tech-Playern praktiziere. Dies verleihe allen Beteiligten positive Energie und diese Energie halte die Themen dann auch in Bewegung. Straub nennt als Negativbeispiel Releases, die durch plötzliche Kostensparwolken in die Länge gezogen werden. „Geschwindigkeit ist machbar“, sagt Straub. OEMs wie Zulieferer hätten dazu die Kompetenzen, die Kapazitäten und das Verständnis.

Die ehemaligen CIOs Hofmann und Straub auf dem automotiveIT Kongress 2021.
Stärker auf Eigenleistung setzen und der IT mehr Freiheiten lassen, fordert Martin Hofmann (links). (Bild: facesbyfrank)

Digitalisierung ist Konsens auf breiter Ebene

Wie die beiden Experten sagen, rutschen die Rollen von CDOs und CIOs weiter zusammen. Hieran sehe man, dass sich das Denken verändert habe. Klaus Straub findet es gut, dass die Diskussion, ob es einer Digitalisierung bedürfe, längst passé und das Thema auf breiter Ebene Konsens sei. Der IT-Mann rät den OEMs jedoch dazu, die Tech-Player ernst zu nehmen. In der Welt von Software und Mechanik sieht Straub Vorteile und einen Mehrwert, den die Automotive-Unternehmen bieten können. Doch auch hier sei Speed der allfällige Hebel. Kollege Hofmann erklärt, wie man Druck in das System bekommt: „Der IT erlauben, auch einmal zu machen und einfach mal auszuprobieren.“ Diese Fälle gibt es in der Branche heute noch viel zu selten, sagt Hofmann.

Im Wechselspiel zwischen der Automotive-Branche und den Tech-Playern rät Martin Hofmann zur Geduld untereinander. Tech-Player sollten ohne kalifornische Arroganz akzeptieren, dass der Automobilsektor unglaubliche Komplexitäten zu balancieren habe. Klaus Straub sieht für die klassischen Automobilisten hingegen eine große Wichtigkeit darin, zu erkennen, dass IT heute ein Kernthema ist, das auf Augenhöhe liege.

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