
Trotz Fortschritten bremsen Klischees und fehlende Maßnahmen Frauen in der IT- und Digitalbranche weiterhin aus. (Bild: Adobe Stock / Malambo C / peopleimages.com)
Von KI-Expertin über Programmiererin bis hin zur Cloud-Architektin – Frauen sind in den IT- und Digitalberufen trotz steigender Sensibilisierung für Diversität in der Arbeitswelt weiterhin stark unterrepräsentiert. Dies zeigt eine aktuelle Studie des Digitalverbands Bitkom, die zum Weltfrauentag 2025 veröffentlicht wurde. Unternehmen erkennen demnach zwar zunehmend den Wert gemischter Teams, doch strukturelle und kulturelle Hürden bremsen die Entwicklung.
In fast allen deutschen Unternehmen sind weniger als die Hälfte der IT- und Digitalstellen mit Frauen besetzt. In keinem der befragten Unternehmen gibt es mehr Frauen als Männer in diesen Berufen. Dabei gibt es ein klares Bewusstsein für die Problematik: 64 Prozent der Unternehmen sehen die deutsche Wirtschaft ohne mehr Frauen in Digital- und IT-Berufen sogar als nicht wettbewerbsfähig. Dennoch bleibt Deutschland im internationalen Vergleich zurück – 59 Prozent der Unternehmen sehen sich als Nachzügler, knapp ein Viertel befürchten sogar, den Anschluss bereits verpasst zu haben.
Die Gründe, warum der Frauenanteil in den IT- und Digitalberufen nicht höher ist, sind aus Sicht der Wirtschaft vielfältig: 59 Prozent der Unternehmen sehen Hürden beim Wiedereinstieg als Grund, wie fehlende Weiterbildungen während der Elternzeit, 53 Prozent traditionelle Rollenbilder in den Unternehmen, 52 Prozent fehlende Netzwerke für Frauen. Gleichzeitig sagt auch die Hälfte, eine männlich geprägte Kultur in IT- und Digitalberufen schrecke Frauen ab.
Veraltete Klischees als Bremsklotz
Ein besonders bedenkliches Ergebnis der Studie: 39 Prozent der befragten Unternehmen sind der Meinung, dass Männer grundsätzlich besser für IT- und Digitalberufe geeignet seien. „Das ist sehr erstaunlich, da gerade Berufe in der IT- und Digitalbranche einen stark kommunikativen Aspekt haben. Zudem sind sie, dort wo es technischer wird, nah an der Mathematik und in mathematischen Studiengängen sind Frauen in der Mehrzahl. Wo hier also der generische Vorteil von Männern herkommen soll, erschließt sich uns nicht", kommentiert Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder in der entsprechenden Pressekonferenz zur Studie.
Zudem gaben 23 Prozent der über 600 befragten Unternehmen an, dass Frauenförderung nicht mehr notwendig sei und rund 17 Prozent halten Frauenförderung für einen Trend, der bald vorübergeht. Dabei wünscht sich die Wirtschaft durchaus mehr Frauen in diesen Bereichen: Insgesamt 37 Prozent der Unternehmen haben sich interne Ziele gesteckt, um den Frauenanteil speziell in den IT- und Digitalberufen zu erhöhen. Dabei haben zwei Prozent solche Ziele bereits erreicht, weitere fünf Prozent haben konkrete Ziele mit Zeitplan definiert und 30 Prozent haben entsprechende Ziele allgemein gesetzt. Weitere neun Prozent planen derzeit interne Ziele für mehr Frauen in IT- und Digitalberufen.
Andererseits sind solche Ziele für 38 Prozent der Unternehmen kein Thema. Als Gründe, bisher keine Ziele verankert zu haben, geben die meisten dieser Unternehmen an, nicht genügend qualifizierte Bewerberinnen zu haben (68 Prozent) oder andere Prioritäten zu setzen (61 Prozent). „Gute Absichten reichen oft nicht aus, erst klar definierte Ziele und Verantwortlichkeiten sorgen für Bewegung. Gerade um sich zukunftsfähig und resilient aufzustellen, müssen Unternehmen die Gewinnung von Frauen strategisch angehen", so Rohleder.
Wie IT-Jobs für Frauen attraktiver werden
Um tatsächlich mehr Frauen speziell für IT- und Digitalberufe zu gewinnen, setzt eine Mehrheit von 60 Prozent der Unternehmen gezielte Recruiting-Maßnahmen ein. Am weitesten verbreitet sind demnach Kooperationen mit Hochschulen und Schulen, die 24 Prozent der Unternehmen bereits pflegen, um Frauen für IT- und Digitalberufe zu gewinnen. 19 Prozent bieten spezielle Einstiegsprogramme wie Traineeships an. 16 Prozent sind auf frauenspezifischen Karriereevents oder -messen aktiv, 15 Prozent nutzen auf Frauen zugeschnittene Werbe- beziehungsweise Social-Media-Kampagnen. „Eine höhere Sichtbarkeit und eine direkte Ansprache sind wichtig, um mehr Frauen gerade auf die Vielfalt der Berufe in der IT und Digitalisierung aufmerksam zu machen“, so Rohleder. „So komplex die Herausforderungen zur Steigerung des Frauenanteils sind, so breit gefächert sollten auch die Lösungsansätze sein.“
Mehr als die Hälfte (54 Prozent) der deutschen Unternehmen vertreten die Ansicht, die neue Bundesregierung müsse mehr tun, um Frauen in IT- und Digitalberufen zu fördern. Im Bezug auf Maßnahmen rund um das Thema Gleichstellung von Mann und Frau und der Erhöhung des Frauenanteils in IT- und Digital-Berufen fordern 74 Prozent von der neuen Bundesregierung mehr Investitionen in die Betreuungsinfrastruktur sowie 64 Prozent eine Bildungspolitik, die das Interesse junger Mädchen und Frauen an IT-Themen gezielt fördert. Für verbindliche Frauenquoten im mittleren und oberen Management sprechen sich 26 Prozent aus. Lediglich fünf Prozent der Unternehmen sagen, es seien keine weiteren Maßnahmen der Politik zur Gleichstellung von Mann und Frau und der Erhöhung des Frauenanteils in Digital- und IT-Berufen mehr notwendig.
„Es braucht erstens einen verpflichtenden und gendersensiblen Informatik-Unterricht an den Schulen. Zweitens sollten Praxisnähe und Interdisziplinarität in Ausbildung und Studium gestärkt, sowie Aus- und Weiterbildungsprogramme für Frauen in IT-Berufen gefördert werden. Drittens gilt es, die Betreuungsinfrastruktur auszubauen“, ergänzt Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung.