Bei Opel herrscht momentan Champagnerlaune. Stolz trompeten die Rüsselsheimer den Rekordabsatz von 1,1 Milliarden Euro und eine Rendite von 6,5 Prozent, die sie 2019 erreicht haben, heraus. Jetzt nimmt die Elektro-Offensive auch noch Fahrt auf: In diesem Jahr sollen insgesamt vier elektrifizierte Fahrzeuge auf den Markt kommen: Der Grandland X PHEV ist bereits erschienen, der Corsa-e steht ab 28. März beim Handel, der Elektrotransporter Vivaro-e und die elektrifizierte Version des Mokka X Nachfolgers kommen später.

Der Corsa ist das wichtigste Fahrzeug in der Modellpalette des Rüsselsheimer Herstellers. Jeder vierte Opel, der verkauft wird, ist eine Variante des Polo-Konkurrenten und bereits zum Marktstart stehen 700 Corsa-e beim Händler, während die Konkurrenz in Wolfsburg noch mit der Software des ID.3 kämpft. Ist doch alles wunderbar, könnte man meinen. Nun, nicht ganz. Der Konkurrent, der Wasser in die Rüsselsheimer Edelbrause kippt, stammt aus dem eigenen Konzern-Stall. Der Peugeot e-208 kommt nicht nur in Frankreich gut an, ist schon in der Elektrovariante erhältlich und wird auch rechts des Rheins seine Käufer finden. Und der PSA-Gruppe ist das französische Hemd sicher deutlich näher als die deutsche Hose. Zumal Konzernchef Carlos Tavares gerade mit der Fusion zwischen PSA und Fiat-Chrysler genug zu tun hat.

Mit PSA kam viel Gutes nach Rüsselsheim: Der Corsa steht auf der konzerneigenen CMP-Plattform (Common Modular Platform), die auch eine vollständige Elektrifizierung ermöglicht. „Ja, aber“ wird der eine oder andere einwerfen, „das ist doch nicht Fisch oder Fleisch und keine reine Elektro-Architektur.“ Lassen wir einmal die Daten sprechen: Mit einem Gewicht von 1.455 Kilogramm, einer Normreichweite von 337 Kilometern (WLTP) und einer 50 Kilowattstundenbatterie braucht sich der kleine Opel nicht von den VW IDs dieser Welt verstecken.

Bei den Ladezeiten hält der Corsa-e auch gut mit. An einer 100 kW-Schnellladestation ist die 50 Kilowattstundenbatterie nach 30 Minuten zu 80 Prozent gefüllt. Allerdings schafft der Onboard-Lader beim Wechselstrom-Tanken maximal elf kW und so vergehen 5:15 Stunden, ehe der gleiche Füllungsgrad bei den Akkus erreicht ist. Serienmäßig ist nur ein einphasiger Onboardlader; der nützliche dreiphasige kostet in den Ausstattungslinien „Edition“ und „First Edition“ 1.190 Euro extra. Opel gibt als Stromverbrauch 16,8 kWh/100 km an. Bei unseren Testfahrten durch Berlin flossen 19,7 kWh durch die Stromleitungen. Die Fahrleistungen passen auch: Nach 2,8 Sekunden ist der Corsa-e 50 km/h schnell, bis 100 km/h vergehen 8,1 Sekunden und bei 150 km/h ist Schluss. Die Spreizung der drei Fahrmodi ist gelungen, da nicht nur an der Lenkung und an der Gasannahme herumgespielt wird, sondern auch unterschiedliche Leistungen zur Verfügung stehen, die Auswirkungen auf die Reichweite haben. Bei „Eco“ hat der Corsa-e 60 kW / 82 PS und ein Drehmoment von 180 Newtonmetern, bei “Normal“ sind es 80 kW / 109 PS (220 NM) und bei Sport die vollen 100 kW / 136 PS und die vollen 260 Nm.

Zum Mitschwimmen im Verkehr reicht das Eco-Fahrprogramm völlig und wenn man es doch einmal kurzeitig eiliger hat, drückt man das Gaspedal einfach über den Widerstandspunkt durch und schon steht die volle Kraft zur Verfügung. Allerdings drehen dann bei feuchtem Untergrund auch mal die Räder durch. Bei „Sport“ ist der Corsa-e noch aufmerksamer und macht Spaß, verbraucht aber auch am meisten Strom. Der Antritt ist knackig und jede Bewegung des Gaspedals resultiert in Vortrieb. Wer den Automatikwahlhebel nach unten zieht, hat bei jedem Fahrprogramm eine Rekuperation von 1,3 m/s2. Mit vorausschauendem Fahren kriegt man so das One-Pedal Feeling hin.

Beim Fahrverhalten machen sich der um 57 Millimeter tiefere Schwerpunkt und die aufgrund der verbauten Akkus um 30 Prozent höhere Torsionssteifigkeit der Karosserie bemerkbar. Der Corsa-e federt harmonischer ab als der Bruder mit Verbrennungsmotor. Das Fahrwerk haben die Techniker aufgrund des neuen Gewichts angepasst, haben unter anderem die Federrate erhöht und die Puffer-Geometrie an der Hinterachse etwas verändert. Dennoch spürt man auch in den Kurven das Gewicht der Batterie von 345 Kilogramm, das nach außen drängt. Um die Akkus unterzubringen, mussten die Ingenieure die Achsträger etwas nach hinten verschieben und von den Achsschwingen etwas Material wegnehmen. Damit die Quersteifigkeit erhalten bleibt, wurden Panhardarme installiert.

Über dem Teppichboden merkt man von den Umbauten am Hinterwagen nichts und der Kofferraum hat ein Basisvolumen von 267 Litern. Lediglich im Unterboden findet nichts mehr Platz, legt man die Lehnen der Rücksitzbank um, werden 1.042 Liter daraus. So bequem man vorne auf den AGR-Sitzen thront, so eng wird es eine Reihe dahinter. Die Beinfreiheit ist noch einigermaßen in Ordnung, aber der Kopf hat jenseits der 1,85 Meter keine Freude. Das Cockpit selbst unterscheidet sich nicht großartig von dem des normalen Corsa, man blickt auf zwei Monitore – der zehn Zoll Touchscreen ist die Infotainment-Kommandozentrale und der sieben Zoll Bildschirm des digitalen Cockpits informiert den Fahrer über alles Wichtige. Drahtlose Updates sind möglich, nicht nur für das Infotainment, sondern auch für das Batteriemanagement und die Elektromotoren. „Die werden kommen“, verspricht der Chef-Techniker.

Der elektrische Corsa rollt schon serienmäßig mit Voll-LED-Licht daher. Wer noch besser sehen will, greift zum Matrix-LED-Licht. Außerdem sind solche hilfreichen Ausstattungen, wie Frontkollisionswarner, ein Toter-Winkelwarner und ein Spurhalte-Assistent, der im Zusammenhang mit dem adaptiven Tempomaten gut funktioniert, serienmäßig. Der Corsa-e kostet mindestens 29.900 Euro (ohne Förderung), der Peugeot E-208 30.450 Euro. Das ist kein Sonderangebot, wer ein reines Stadtauto sucht, wird an anderer Stelle günstiger fündig, der Corsa-e bietet aber mehr Komfort, mehr Ausstattung und nicht zuletzt auch mehr Reichweite für entspannte Ausflüge ins Umland, ohne ständig auf die Batterieanzeige schielen zu müssen.

 

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