Eine Illustration zum autonomen Fahren mit einem Audi aus der Heckansicht und einem BMW Cockpit.

Am Computer lässt sich viel berechnen, aber am Ende bleiben Testfahrten auf richtigen Straßen unumgänglich. (Bild: Andreas Croonenbroeck)

Einer Auswertung des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) sowie des Europäischen Patentamtes (EPA) zufolge gab es im Jahr 2019 allein für Deutschland 660 Patentanmeldungen mit Bezug auf Fahrzeuge mit Elektroantrieb. Mit 57 Patentanmeldungen für Plug-in-Hybride und die Modelle des vollelektrischen E-Tron belegte Audi dabei den ersten Platz. Ingolstadt und die Marke mit den vier Ringen schieben auch beim automatisierten Fahren einiges an: Im Rahmen des Forschungsvorhabens „IN2Lab“ startete kürzlich ein Testfeld zur Absicherung selbstlenkender Autos. Ein Schlüsselprojekt, wenn es um die erste Meile gehe, hört man von den Beteiligten.

Deren Vision ist es, dass fahrerlose Autos gesichert von der Autobahn über urbane Straßen bis ins Parkhaus fahren. Kern ist die Entwicklung eines Absicherungssystems für das automatisierte Fahren. Dazu wird die Infrastruktur der Straße mit Sensoren, Kommunikationsmodulen und IT ausgestattet und eine Leitstelle aufgebaut. Mit dem Testfeld erweitert die Technische Hochschule Ingolstadt die bestehenden Indoor- und Outdoor-Versuchsanlagen von Carissma, dem Forschungs- und Testzentrum für Fahrzeugsicherheit. Neben Audi zählen unter anderem auch Continental, Blickfeld und Savari zu den Partnern.

F&E-Aktivitäten der Autohersteller

Fahrerassistenzsysteme bedürfen cleverer Simulationstools. Kein Wunder, dass derzeit moderne F&E-Zentren geradezu aus dem Boden sprießen und Entwicklungskräfte in Kooperationen gebündelt werden. Um für jede Phase der Fahrzeugentwicklung optimale Simulationstools unter einem Dach zu haben, hat BMW auf dem Gelände des Forschungs- und Innovationszentrums FIZ im Norden Münchens ein neues Fahrsimulationszentrum in Betrieb genommen. Kernstücke sind ein High-Fidelity- und ein High-Dynamic-Simulator. Mit ihnen lassen sich das Abbremsen und Beschleunigen in Kurven, Fahren im Kreisverkehr oder die schnelle Abfolge mehrerer Abbiegemanöver auf einem nahezu 400 Quadratmeter großen Bewegungsfeld mit hoher Präzision nachempfinden. Beim High-Dynamic-Simulator sind Längs- und Querbeschleunigungen bis zu 1,0 g möglich. 

Alternative Antriebe, künftige Assistenzsysteme und automatisierte Fahrfunktionen prüft und validiert Mercedes-Benz seit Herbst 2018 im Prüf- und Technologiezentrum Immendingen (PTZ), in das der OEM über 200 Millionen Euro investiert hat. Am Computer lasse sich viel berechnen, aber am Ende bleiben Testfahrten auf richtigen Straßen unumgänglich, sagt PTZ-Leiter Reiner Imdahl: „Dabei wird man immer wieder feststellen, dass die Wirklichkeit stets Überraschungen bereithält, die der Computer nicht bedacht hat.“ Daimler kooperiert beim autonomen Fahren etwa mit Luminar, um hochautomatiserte Lkw nach SAE-Level 4 auf die Straße zu bringen. Insbesondere sieht man beim OEM im Lkw enormes Potenzial, da sich der kommerzielle Einsatz in diesem Sektor in kürzerer Zeit umsetzen lasse.

Den Aktivitäten des deutschen Premium-Wettbewerbs will Jaguar Land Rover nicht nachstehen. Erst kürzlich meldeten die Briten eine Kooperation mit global führenden Software-, Mobilitäts- und Telekommunikationsunternehmen zum Aufbau eines Smart-City-Test-Areals. Der Future Mobility Campus Ireland (FMCI) stellt dazu in der Freihandelszone im irischen Shannon ein Testareal von zwölf Kilometern Länge auf öffentlichen Straßen zur Verfügung. Dieses wird durchgehend mit Sensoren bestückt, ergänzt um hochgenaue Ortungssysteme, einem Datenmanagement- und Kontrollcenter sowie autonom fahrenden Prototypenfahrzeugen. Zum Angebot zählen intelligente Kreuzungen, 5G-vernetzte Straßen, autonomes Parken und Lademöglichkeiten für E-Fahrzeuge. FMCI arbeitet dazu mit dem Anbieter von Datenspeicher- und Datenmanagementlösungen Seagate Technology zusammen.

Kostspielige Überarbeitungen vermeiden

Die Zukunft selbstfahrender Fahrzeuge hängt maßgeblich von den Fortschritten im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) ab. Gleichzeitig sind autonome Fahrzeuge nicht ausschließlich auf KI angewiesen. Die Sensoren, die in autonomen Fahrzeugen verbaut sind, produzieren Seagate zufolge enorme Datenmengen, die Experten sprechen von fünf bis 20 TB am Tag pro Fahrzeug. Diese Daten müssen sowohl für die im Fahrzeug implementierte KI-Technologie als auch für die Edge-Rechenzentren verfügbar sein.

Gerade bei der Entwicklung autonomer Systeme gilt es kostspielige Überarbeitungen zu vermeiden. Diesbezüglich stellten die Spezialisten im Verbinden intelligenter, verteilter Systeme von Real-Time Innovations (RTI) im November ihr Programm Xcelerators vor. Kunden sollen damit Zugang zu Fachwissen für den Aufbau, die Entwicklung und den Einsatz komplexer verteilter Systeme erhalten. „Der Time-to-Market-Druck ist immens und das Verständnis, wie Framework-Technologie effizient genutzt werden kann, um ein System gleich beim ersten Mal richtig zu entwerfen oder zu aktualisieren, ist entscheidend für den Geschäftserfolg“, weiß Mark Hamilton, Vice President of Services bei RTI.

Das Unternehmen bietet Produkte, die auf dem Data-Distribution-Service-Standard (DDS) der Object Management Group (OMG) basieren. Eine wichtige Hardware an und in hochmodernen Fahrzeugen sind intelligente Fahrwerke. Diesen Herbst verkündeten die Zulieferer Schaeffler und Bosch Automotive Steering eine Entwicklungskooperation mit dem Ziel, Kunden ein Gesamtpaket für intelligente Hinterachslenksysteme anzubieten. Kernelement der mechatronischen Hinterachslenkung (iRWS) von Schaeffler ist ein Planetenwälzgewindetrieb mit hohem Wirkungsgrad.

Das akustikoptimierte Design soll sich insbesondere beim Einsatz in leisen E-Fahrzeugen bewähren, betont Schaeffler. Bosch steuert die sogenannte Steering Control Unit bei und damit Expertise und Knowhow in den Bereichen Software und E/E-Architektur. Das skalierbare und modular aufgebaute Design sei eine wichtige Grundlage im neuen Hinterachslenksystem für zahlreiche Fahrerassistenzfunktionen. Dank des Security-Konzepts von Bosch soll die Lenkung auch gegen Cyberangriffe abgesichert sein. Funktionen und Aktualisierungen werden hier mittels Over-the-Air-Technologie unterstützt.

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