Portraitbild von Jan Becker, CEO von Apex.AI

„Wir haben jetzt eine Alleinstellung am Markt, sowohl mit unserer Software Apex.OS als auch mit unseren Softwareentwicklungsprozessen", sagt Jan Becker gegenüber automotiveIT. (Bild: Apex.AI)

Das Betriebssystem von Apex.AI wurde jüngst vom TÜV Nord zertifiziert. Ist dieses Vorgehen die Zukunft, um Vertrauen in das autonome Fahren zu erhöhen? Viele Menschen stehen selbstlenkenden Systemen in puncto Sicherheit ja immer noch sehr skeptisch gegenüber.

Ein robustes und sicheres Betriebssystem inklusive Entwicklungsumgebung ist die notwendige Basis für sichere autonome Systeme und deren Akzeptanz bei den Endkunden. Eine Zertifizierung von Fahrzeugsystemen nach ISO 26262 ist grundsätzlich nicht neu. Die ISO 26262 Norm zur funktionalen Sicherheit von Straßenfahrzeugen wurde bereits 2011 veröffentlicht, und wir arbeiten mittlerweile mit der aktuellen Version von 2018. Alle elektrischen und elektronischen Systeme in Serienfahrzeugen, wie beispielsweise Lenk- und Bremssysteme, sind danach zertifiziert. Allerdings ist der Softwareanteil bei solchen Systemen klein und verhältnismäßig einfach in der Programmierung. Unser Bestreben ist es, erstmals ein komplexes Softwaresystem wie Apex.OS in der höchsten Sicherheitsstufe ASIL D (Automotive Safety Integrity Level) zu akkreditieren, und wir können die Ziellinie schon sehen. Wir erwarten den Abschluss des Zertifizierungsprozesses durch den TÜV Nord in wenigen Wochen.

Um in diesen Prozess eintreten zu können, mussten wir an vielen Stellen Neuland betreten, da wir mit C++ 14 eine für zertifizierte Automotive-Software relativ neue Programmiersprache verwenden. So waren beispielsweise die Softwaretools und Richtlinien vielfach nicht verfügbar und wir mussten die Entwicklungsprozesse erst selbst ausarbeiten. Dafür haben wir jetzt eine Alleinstellung am Markt, sowohl mit unserer Software Apex.OS als auch mit unseren Softwareentwicklungsprozessen. Und die sind mindestens genauso gefragt.

Die Coronakrise hat die Investitionspläne der Branche auf den Kopf gestellt. OEMs und Zulieferer setzen insbesondere beim autonomen Fahren nun den Rotstift an. Sehen Sie den zeitnahen Durchbruch dieser Technologie daher gefährdet?

Nein, wir sehen eher ein wachsendes Interesse an Systemen wie unserem Apex.OS. Bisher haben viele OEMs und Zulieferer versucht, das komplette System selbst zu generieren. Wir merken, dass nun die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit uns gestiegen ist. Schließlich können unsere Kunden Zeit sparen, denn unser System ist bereits fertig entwickelt und zertifiziert. Dazu kommen Kostenersparnisse, da wir unsere Aufwendungen natürlich auf viele Kunden verteilen können.

Apex.AI konnte im vergangenen Jahr neben Ex-Opel-Chef Karl Thomas Neumann für den Aufsichtsrat auch Autobauer wie JLR oder Volvo als Investoren gewinnen. Wie wichtig ist für ein junges Startup dieser Input von gestandenen Akteuren?

Wir schätzen diesen Input als sehr wertvoll ein. Er lenkt unsere Arbeit einerseits in die richtige Richtung und gibt uns zusätzlich die Gewissheit, dass das Apex.OS relevant für den Einsatz in der Serie ist. Karl-Thomas Neumann und mich verbindet das Thema Autonomes Fahren schon seit über 20 Jahren. Wir haben seinerzeit zusammen an einem Projekt der Volkswagen Forschung zum fahrerlosen Testen von Serienfahrzeugen gearbeitet. Karl-Thomas war zu diesem Zeitpunkt Leiter der Elektronikforschung von Volkswagen und ich habe an der TU Braunschweig zum Thema Umfeldwahrnehmung für fahrerlose Fahrzeuge promoviert. Heute ist das Thema immer noch aktuell und wird es auch noch eine ganze Weile bleiben.

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