Volvos Elektromarke Polestar steht in den Startlöchern. Die Produktion des Hybrid-Sportlers Polestar 1 hat bereits begonnen und die Fertigung des Polestar 2 startet im Februar nächsten Jahres. Im Interview erklärt Polestar-Chef Thomas Ingenlath, was Polestar Tesla voraus hat, warum ihn die amerikanischen Restriktionen noch nicht beunruhigen und warum er von der deutschen Politik enttäuscht ist.
Im nächsten Jahr kommen ja auch andere Elektroautos auf den Markt. Einige davon im Premiumbereich, die dann etwa 80.000 Euro kosten, und ein paar mehr am unteren Ende der Preisskala. Aber das Mittelfeld im Bereich zwischen 40.000 und 60.000 Euro ist noch recht mager besetzt und genau in diese Lücke wollen wir mit dem Polestar 2 stoßen. Da haben wir das Alleinstellungsmerkmal, dass wir die einzige Alternative zum Tesla Model 3 sind. Ich bin schon stolz darauf, dass wir es so schnell geschafft haben, ein Fahrzeug mit dem Premiumanspruch und der Technologie zu diesem Preis hinzustellen.
Könnten Sie da noch etwas ins Detail gehen?
Wir haben kein spezielles Elektroauto-Design realisiert, aber wir bringen auch keine Kopie von dem, was man die letzten 20 Jahre gesehen hat. Wir machen beim Polestar 2 einen Schritt nach vorne, speziell bei der Vernetzung und dem Bedien-Erlebnis. Bisher waren die Navigation und das Infotainment meist schon veraltet, sobald ich ein Auto gekauft hatte. Das ändern wir jetzt. Viele Menschen nutzen im Auto ihr Handy für die Navigation. Das machen sie deshalb, weil bisher kein integriertes System es besser, sondern eher schlechter konnte. Wir bringen diese Funktionalität und Einfachheit mit Android und Google eins zu eins ins Auto – und das immer auf dem neuesten Stand.
Klingt interessant. Allerdings ist das Verhältnis zwischen China und den USA gerade nicht das Beste und das betrifft auch Google. Stichwort: Huawei. Sehen Sie da keine Probleme auf Polestar zukommen?
Android ist ein offenes System, das in China nicht verboten ist. Dort gibt es nur Restriktionen für bestimmte Google Services, die über diese Plattform angeboten werden. Das hat aber keine direkten Auswirkungen auf den Einsatz im Polestar 2.
Was ist für Sie die größte Herausforderung bei der Produktion eines Elektroautos?
Bei uns laufen gerade die Vorbereitungen für die Produktion des Polestar 2 und da zeichnet sich ab, dass wir auch bei einem Elektroauto nicht vor großen Rätseln stehen. Die größte Herausforderung ist, die Elektronik nahtlos in die Serie zu bringen, weil wir mit dem Android-System eine große Änderung der Elektronik-Architektur vornehmen und die Updates dann auch drahtlos funktionieren sollen.
Was ist genau das Problem?
Diese Updates müssen sofort und problemlos funktionieren, da ein Fehler bei einem Automobil weitaus schlimmere Auswirkungen haben kann, als zum Beispiel bei einem Telefon. Im Auto muss alles erprobter und standfester sein als bei den Smart Devices. Vor dem Hintergrund, dass man innovativ sein will und neue Funktionen ins Auto bringen will, ist das schon eine Herausforderung.
Wie wollen Sie denn bei der Produktion des Polestar 2 der von Elon Musk beschriebenen „Logistik-Hölle“ entgehen?
Übung macht den Meister. Wir haben unsere Probleme schon vor Jahren zu Beginn der Volvo Produktoffensive durchlebt und erfolgreich gelöst. Mit dem Know-how von Volvo bei den Prozessen und den globalen Standards haben wir da schon ein Heimspiel und werden das auch bei Polestar hinbekommen. Zumal der Polestar 2 auf einer Fahrzeug-Architektur aufbaut, die schon in Produktion ist und jetzt elektrifiziert wird. Die Produktion in Luqiao ist eingespielt und in Großserien erfahren. Beim Polestar 1 ist das anders. In Chengdu haben wir eigenes ein neues Werk errichtet und gerade eröffnet. Das ist eine sehr spezielle Manufaktur, in dem das Auto, das aufgrund seiner Carbon-Karosserie schon eine handwerkliche Herausforderung ist, in Kleinserie von maximal 500 Einheiten pro Jahr gebaut wird.
Vorhin haben Sie den wettbewerbsfähigen Preis des Polestar 2 angesprochen. Ist der nur aufgrund der günstigen Produktionsbedingungen in China darstellbar oder können Sie die Fabrik auch nach Europa spiegeln?
Diese Fertigung ist problemlos auch in Europa oder den USA darstellbar. Dass der Polestar 2 in China gebaut wird, liegt an dem attraktiven Markt für Elektroautomobile und den direkten Zugang zu diesem Markt. Den attraktiven Preis schaffen wir aber auch aufgrund der Art und Weise, wie wir das Auto vertreiben werden.
Das heißt?
Der Direktvertrieb über das Internet wird eine wichtige Rolle für uns spielen. Das bedeutet auch, dass es bei uns keine Rabattschlacht geben wird. Die Preise sind transparent und der Kunde kann sich auf unserer Webseite aus verschiedenen Modulen und Optionen sein Auto zusammenstellen und sieht dann, was das Fahrzeug kosten wird. Ähnlich wie das beispielsweise beim Apple Store der Fall ist. Durch die vordefinierten Pakete reduzieren sich auch die Produktionskosten.
Wie schaut es mit dem Interesse für den Polestar 2 aus?
Wir haben viele Nachfragen aus Norwegen und den Niederlanden, nur der deutsche Markt ist bei der Elektromobilität noch sehr zurückhaltend. Mit unserer Roadshow zeigen wir den Polestar 2 jetzt einem breiten Publikum, das wird das Interesse ebenso steigern, wie ich auch einen Schub im kommenden Jahr erwarte, wenn die E-Modelle anderer Hersteller auf den Markt kommen. Dann wird das Thema E-Mobilität vielmehr Aufmerksamkeit und einen ganz anderen Stellenwert bekommen.
Wie regeln Sie die Wartung des Polestar 2?
Reparatur, Wartung und sonstige Serviceleistungen übernehmen besonders geschulte und erfahrene Volvo-Händler. Sie kennen von den Volvo Modellen schon die technischen Grundlagen der Fahrzeuge. Der Erstkontakt mit dem Auto findet jedoch in den Polestar Flagship Stores statt, die wir Spaces nennen. Fünf bis sieben Polestar Spaces wird es in Deutschland geben. Sie werden die Marke Polestar und unsere Modelle in den Innenstädten der großen Metropolen repräsentieren.
Wann kommt der Polestar 2 nach Deutschland?
Die Produktion startet im Februar des kommenden Jahres in Luqiao, nach Deutschland kommen die ersten Fahrzeuge im Mai oder Juni. Wir starten anspruchsvoll und werden alle Märkte nahezu zur gleichen Zeit beliefern.
SUVs boomen gerade, dennoch sind der Polestar 1 und 2 ein Plug-in-Hybrid Coupe beziehungsweise eine Limousine und erst dann kommt ein Crossover. Warum?
Ich habe die Hoffnung, dass sich die Welt nicht so simplifiziert, dass wir nur noch SUVs fahren und mein Anspruch ist schon, die Pluralität und das Angebot etwas weiter zu fächern, als nur SUVs zu entwerfen. Wir müssen auch strategisch denken. Volvo wird als erstes batterieelektrisches Fahrzeug den XC40 auf den Markt bringen, ein kleines, kompaktes SUV. Außerdem müssen wir als Polestar auch Segmente abdecken, die die klassischen Automobilhersteller nicht im Blick haben.
Eine gut ausgebaute Infrastruktur ist wichtig für den Durchbruch der Elektromobilität. Folgten Sie mit Polestar dem Tesla-Beispiel und bauen ein eigenes Ladestationsnetz auf?
Die Installation eines eigenen Ladenetzwerks, wie Tesla das vor zehn Jahren begonnen hat, kann für uns und auch generell nicht die Lösung sein. Stellen Sie sich vor, jeder Hersteller würde eine eigene Infrastruktur aufbauen und jede ist unterschiedlich. Unsere Kunden können länderspezifisch jedes Ladestationsnetzwerk nutzen, ohne eine feste Bindung in Form einer Klubmitgliedschaft eingehen zu müssen. Das wird in Schweden und Norwegen ganz anders ausschauen, als beispielsweise in Deutschland.
Noch schaut es mit der Lade-Infrastruktur hierzulande nicht besonders gut aus.
Da haben Sie recht. Es ist enttäuschend zu sehen, was politisch als Absichtserklärung vorhanden ist, wie zurückhaltend dieser Weg in die Zukunft der Mobilität unterstützt wird und was in den letzten Jahren umgesetzt worden ist. Das ist wirklich ein Problem und es muss sich schnell mit konkreten Entscheidungen und Schritten etwas ändern.