Catena-X und BMW

(Bild: BMW / Andreas Croonenbroeck)

Die Bedeutung eines Themas für ein Unternehmen lässt sich mitunter an den Reden des Vorstandsvorsitzenden ablesen. So auch im Falle von Catena-X. „Schätzen Sie gerne: Mit wie vielen Teilen müssen unsere Werke weltweit Tag für Tag versorgt werden? 36 Millionen. Alle zur richtigen Zeit am richtigen Ort, in bester Qualität und passender Menge.“ Mit diesen Worten unterstrich Oliver Zipse im Mai 2024 auf der Hauptversammlung die Bedeutung des Datenökosystems Catena-X. Das verwundert nicht, denn der Vorsitzende des Catena-X Automotive Network ist leitender Manager bei BMW und damit treibende Kraft hinter dem Projekt. Oliver Ganser, Vice President Processes, Digitalization, Governance und Catena-X, kämpft seit der Gründung des Ökosystems unermüdlich, um sein Herzensprojekt auch außerhalb der eigenen Firma bekannter zu machen.

Catena-X gliedert sich in drei Kernbereiche: den Entwicklungsbereich, die neutrale Governance und den operativen Datenraum. Während die Zuständigkeiten bei BMW klar verteilt sind, sorgt die Komplexität des Themas in vielen anderen Unternehmen noch immer für Kompetenzgerangel. „Wir erkennen, dass Catena-X eine gewisse Komplexität besitzt, was es für einige Unternehmen schwer macht, das Projekt einzuordnen. Catena-X ist weder ein reines IT-Produkt noch ausschließlich ein Geschäfts-, Nachhaltigkeits- oder Qualitätsprodukt und adressiert auch kein reines Versorgungsproblem“, gibt Oliver Ganser zu. Trotz Anlaufschwierigkeiten wie dieser macht er weiter: „Das Thema Vertrauen und Businessnetzwerke kann niemand allein bewältigen. Ich glaube an die Gemeinschaft und daran, dass ein solches Netzwerk wirklich etwas zu  bieten hat. Dies ist idealistisch, aber ich glaube daran.“

Und mittlerweile trägt die Arbeit Früchte. Mit Dräxlmaier hat BMW eine Verbindung über zwei Stufen aufgebaut, um für die Hochvoltspeicher, die in den Fahrzeugen verbaut werden, digitale Zwillinge auszutauschen. Dies geschieht für einen produktiven Anwendungsfall und dient der Compliance gegenüber chinesischen Behörden. „Wir nutzen dies ohne Fallback für eine produktive Kette im Bereich der Hochvoltspeicher, um Zellen, Module und Hochvoltspeicher in einem Auto über mehrere Stufen zu tracken“, so Ganser. Es müssen bestimmte Daten erhoben werden, die am Ende des Tages zu einhundert Prozent korrekt sein müssen. Täglich werden so etwa 1.000 digitale Zwillinge ausgetauscht und mit der Produktion in München verbunden. Dies ist ein Beispiel dafür, wie Catena-X in der Praxis umgesetzt wird, und es zeigt die Möglichkeiten auf. Der größte Schritt sei dabei immer der Aufbau der ersten Kette mit einem Partner. Sobald diese bestehe, erkunde Dräxlmaier weitere Produkte und Möglichkeiten. „Aktuell diskutieren wir, was wir darüber hinaus gemeinsam mit Dräxlmaier realisieren können.“ Bei Bosch und ZF, die Getriebe für BMW herstellen, läuft das Gleiche. „An drei Beispielen haben wir gezeigt, dass drei unserer Top Ten Tier-1-Partner für BMW innerhalb von drei Monaten die ersten Ketten aufgebaut und einen Ausbau geplant haben und davon alle Seiten profitieren“, so Ganser.

Auf der Hannover Messe 2024 stellte BMW weitere Anwendungsfelder des Datenökosystems vor. Mit CO2-Realdaten aus der Fertigung der ikonischen Niere des BMW iX bildet das Unternehmen gemeinsam mit Partnern und Lieferanten erstmals eine gesamte Datenkette ab. Darüber hinaus zeigte das Unternehmen die Vorteile der datengetriebenen Qualitätsarbeit auf.  „Über den radikal neuen Zusammenarbeitsansatz von Catena-X werden wir und unsere Partner im Kontext Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Qualität unsere Wertschöpfungsprozesse verbessern und dabei zudem Kosten sparen“, verkündete Ganser. Im BMW-Werk Landshut pilotiert das Unternehmen erstmals die datenbasierte Energieverbrauchsmessung bei der Fertigung einer gesamten Komponente. „Gemeinsam mit unseren Partnern berechnen wir den Product Carbon Footprint der Niere des BMW iX über das Datenökosystem Catena-X“, erklärte Sabrina Schrangl, Projektleiterin Catena-X BMW Group Komponentenfertigung. Die ikonische Niere an der Frontpartie des BMW iX bilde aufgrund ihrer Komplexität ein optimales Anwendungsfeld.

Die Bestimmung des PCF (Product Carbon Footprint) basiert auf dem Catena-X-Regelwerk und umfasst alle Emissionen, die bei der Herstellung des Produktes von „cradle to gate“ entstehen – beginnend bei der Gewinnung der Rohstoffe über die in der Lieferkette verursachten Emissionen hin zu den Fertigungsprozessen am Produktionsstandort. Mit dem Datenökosystem werde durch die Einführung einer gemeinsamen „Sprache“ für alle Unternehmen entlang der automobilen Wertschöpfungskette ein reibungsloser Datenaustausch ermöglicht. „Von Catena-X haben Sie vielleicht schon gehört. Hier entsteht Großes.“ Auch diese Worte stammen vom BMW-CEO. Für Ganser dürften sie neben Stolz und Freude gleichzeitig auch Ansporn sein. Denn jetzt, wo das Thema ganz oben angekommen ist, ist er gefordert, dass sein Herzensprojekt die Erwartungen auch erfüllen kann.

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