Frau Tavor, Autobrains AI hat sich auf die Arbeit mit künstlicher Intelligenz spezialisiert und auch im Rest der Automobilindustrie wächst das Interesse an KI rasant. Welche Hürden gilt es in diesem Bereich aktuell zu bewältigen?
Selbst nach großen Investitionen und jahrzehntelanger Entwicklung stehen die heutigen Lösungen für Fahrerassistenzsysteme und autonomes Fahren vor großen Herausforderungen. Erstens sind sie aufgrund ihrer Komplexität und ihrer Abhängigkeit vom Supervised Learning nicht kosteneffizient für die Massenproduktion. Zweitens erreichen sie nicht die Zuverlässigkeit, die die Industrie benötigt, um unerwartete Fahrszenarien, die so genannten Edge-Cases, sicher zu bewältigen, auf unerwartete Objekte zu reagieren oder bei unterschiedlichen Wetter- und Lichtverhältnissen robust zu sein. Daher sucht die Industrie dringend nach alternativen Lösungen.
Die selbstlernende KI von Autobrains will diese beiden Herausforderungen überwinden. Wir ersetzen die überwachte Methode, die von riesigen Mengen an manuell gelabelten Daten abhängig ist, durch unsere selbstlernende Methode, die auf Signaturen basiert. Die KI versteht die Fahrumgebung, erkennt Muster und übersetzt diese in Cluster - ohne menschliches Zutun. Dadurch ist die Software in der Lage, die genannten unerwarteten Fahrszenarien zu verstehen und abzudecken. Durch unsere Herangehensweise wollen wir die Komplexität der Verarbeitung im Fahrzeugchip, der Speicherung sowie der Verarbeitung in der Cloud optimieren und zugleich die Hardwarekosten senken.
Welche Erkenntnisse aus Ihrer vorherigen Position als Vizepräsidentin für ADAS-Geschäftsentwicklung bei Mobileye können Sie für Ihre neuen Aufgaben nutzen?
Bevor ich zu Autobrains kam, arbeitete ich über zwölf Jahre bei Mobileye und hatte die Möglichkeit, den ADAS-Markt und die Akteure von Anfang an sehr gut kennenzulernen. Mit meinem Team habe ich strategische Erfolge erzielt und Mobileyes ADAS-Dominanz auf dem Markt sichergestellt, während ich neue Märkte erschloss und Kundenbeziehungen aufbaute. Ich kenne die Probleme und Bedürfnisse von Automobilherstellern und Tier-1-Zulieferern und weiß, was sie in den aktuellen Lösungen vermissen. Durch den Einsatz meines technologischen Hintergrunds, meines Netzwerks und meiner Branchenkenntnisse baue ich bei Autobrains ein starkes Geschäftsentwicklungs- und Vertriebsteam auf, um unsere globale Präsenz zu erweitern.
Automobilhersteller und Tier-1-Zulieferer suchen nach transparenten, modularen und hardware-agnostischen Lösungen, die sich leicht in ihre bestehende Hard- und Softwareumgebung implementieren lassen und offene Software-Lücken schließen. Heutige Lösungen gehen meist eher in Richtung Black Box und sind an eine bestimmte Hardware gebunden. OEMs und Tier-1s wünschen sich aber mehr Flexibilität und Anpassungsfähigkeit bei ihren ADAS-Partnern.
Vor kurzem verkündete Autobrains eine Zusammenarbeit mit den Tech-Unternehmen Ambarella und Seeing Machines. Welchen entscheidenden Vorteil erhofft sich Ihr Unternehmen durch diese Kooperation?
Mit der strategischen Zusammenarbeit stellen wir die Effizienz unserer Technologie unter Beweis. Aufgrund des geringen Rechenaufwands erlaubt unsere KI-Software One Box-Lösungen, wie beispielsweise ein Front-ADAS und ein Fahrerüberwachungssystem (DMS), wie das von Seeing Machines. Beides findet Platz auf einem Chip statt auf zwei, was zu einem geringeren Stromverbrauch führt. Die Unterbringung beider Systeme in einem Gehäuse senkt zudem die Kosten, verringert die Komplexität und erlaubt zusätzlich eine schnellere Integration fortschrittlicher Sicherheitssysteme in eine breite Palette von Fahrzeugen. Darüber hinaus bietet die Kombination beider Systeme Automobilherstellern und Tier-1s einen schnellen Weg zur Erfüllung von Industriestandards und -vorschriften und ermöglicht ihnen die einfache Skalierung der Implementierung fortschrittlicher Fahrerassistenzsysteme mit Fahrer- und Insassenüberwachungssystemen auf einem einzigen SoC für alle Fahrzeugmodelle.
Unser Partner Ambarella bietet verschiedene SoC-Lösungen an und die Zusammenarbeit mit ihm hat gezeigt, dass Autobrains AI an verschiedene Chips adaptierbar ist und leicht in bestehende Hardware-Architekturen implementiert werden kann. Durch unseren hardware-agnostischen Ansatz kann die Autobrains KI auf jedem Chip laufen und mit jedem Sensor-Input arbeiten. Die Zusammenarbeit mit verschiedenen Chip-Anbietern erlaubt es uns One-Box-Lösungen für OEMs und Tier-1s anzubieten, was die Implementierungsprozesse insgesamt beschleunigt.
Zur Person:
Bei Autobrains ergänzt Tavor die Vorstandsebene, verantwortet globale Beziehungen zu Kunden sowie Partnern und bringt patentierte, modulare Fahrassistenzsysteme für automatisiertes Fahren auf den Markt. Ihr Fokus liegt hierbei auf der ADAS-Geschäftsabwicklung. Bevor sie zu Autobrains kam, war sie bei Mobileye VP ADAS Business Development und leitete die Abteilung Advanced Development, die unter anderem für die Verkaufsbeziehungen mit OEM-Kunden verantwortlich ist. Vor ihrer Zeit bei Mobileye hatte Tavor Positionen mit zunehmender Verantwortung in der Softwareentwicklung und im Programmmanagement inne.