Grafik Data Act

Mit dem Data Act entsteht ein neuer Rechtsrahmen für den Datenaustausch in der Automobilindustrie. (Bild: Andreas Croonenbroeck)

Klingt erstmal gut: Die EU-Kommission plant mit dem Data Act Konzerne zu verpflichten, Daten nicht zu bunkern. Es soll fairer beim Zugang und Austausch zugehen. Jeder, der Daten sammelt, soll sie den Nutzern kostenlos zur Verfügung stellen. Bislang, so die EU-Kommission, sei häufig unklar, wer was mit den Daten machen dürfe. Oder es gehe ungerecht zu, weil festgeschrieben werde, dass alle Daten nur vom Hersteller genutzt werden dürfen, was den Bürokraten ein Dorn im Auge ist.

Denn Autobauer wie Zulieferer wittern ein großes Geschäft mit den in Fahrzeugen generierten Daten, das sie ungern Dritten überlassen möchten. Außerdem, so die EU-Experten, würden durch Intransparenz und unklare Regelungen 80 Prozent industrieller Daten gar nicht genutzt. Und tatsächlich könnte eine größere Offenheit gerade im Automotive-Bereich Vorteile haben, worauf der ADAC verweist: Etwa, um Assistenzsysteme zu verbessern, Unfälle aufzuklären oder freien Werkstätten Reparaturen zu erleichtern, was die Haushaltskasse der Kunden schonen dürfte.

Was regelt der Data Act?

Ziel des Data Acts sei es, die rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Hindernisse anzugehen, die der Datennutzung im Wege stehen und gleichzeitig den fairen Zugang zu Daten, die bei der Nutzung vernetzter Produkte entstehen, zu regeln, heißt es bei der EU-Kommission. Damit tangiert der Vorstoß direkt vernetzte Fahrzeuge, die unentwegt Informationen über sich und ihre Umgebung erfassen.

Geplant ist, dass künftig einseitig formulierte Vertragsklauseln zu Datenzugang und -nutzung einem „Fairness-Test“ unterzogen werden – und für nichtig erklärt dürfen, wenn Mitbewerber oder Verbraucher benachteiligt werden. Nutzern soll es rechtlich wie technisch möglich werden, auf die von ihnen generierten Daten zuzugreifen. Auch können sie diese an Dritte weitergeben, also selbst vermarkten. Fix ist noch nichts, da die EU-Staaten und das Europaparlament noch über das Datengesetz verhandeln und eine gemeinsame Linie finden müssen. Denn der Vorstoß ist umstritten.

Warum der Data Act umstritten ist

Befürworter halten eine verbindliche Regelung für überfällig. So hält Irene Bertschek, Leiterin des Forschungsbereichs Digitale Ökonomie am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, den Data Act für ein „wichtiges Element“ im Regelwerk für eine europäische Datenökonomie. Denn er werde unter anderem den Datenaustausch und die gemeinsame Nutzung von Daten durch Unternehmen erleichtern und damit die Grundlage für KI-basierte Innovationen verbessern.

„Die Regeln sollen Hürden abbauen und eine faire Stellung der verschiedenen Marktteilnehmer im digitalen Ökosystem sicherstellen“, so Bertschek, „Insbesondere den Startups und KMU, die auf den Zugang zu Daten angewiesen sind, um Algorithmen zu trainieren und innovative Dienste zu entwickeln, verspricht das neue Regelwerk eine verbesserte Stellung bei der Verhandlung von Verträgen zum Datenteilen.“

Genau daran hegt man beim VDA Zweifel: „Der Data Act droht zum Hemmschuh für die Industrie in Europa zu werden und sie in ihrer globalen Wettbewerbsfähigkeit massiv einzuschränken. Der Rückstand Deutschlands und Europas bei der Nutzung von Daten gegenüber den USA und China darf nicht weiterwachsen“, sagt Marcus Bollig, VDA-Geschäftsführer Produkt & Wertschöpfung. Bollig kritisiert überdies: „Der Vorschlag der Kommission bleibt zudem hinter dem zurück, was bei der Cybersicherheit nötig wäre - zum Schaden von Wirtschaft und Verbraucher.“

Die Befürchtung, die alle Kritiker eint: Ein verpflichtender Datenaustausch könnte zu wettbewerbsrechtlichen Verzerrungen und damit zu Abwanderung von Knowhow führen. So bemängelt der VDMA mit Blick auf Industrie 4.0, dass der Gesetzesentwurf zu weit in die unternehmerische Freiheit eingreife. Vor allem in Bezug auf Datenzugangs- und Informationspflichten, Einschränkungen der Vertragsfreiheit und Anforderungen an die technische Ausgestaltung.

Die Datennutzung bleibt ein Streitthema

Auch der TÜV-Verband sieht gerade im Mobilitätsbereich „noch Nachbesserungsbedarf“, denn bisher sei nicht geregelt, wie öffentliche Stellen oder Prüforganisationen Zugang zu Fahrzeugdaten erhalten können, um ihre hoheitlichen Aufgaben für die Verkehrssicherheit sowie den Umwelt- und Klimaschutz wahrnehmen zu können. Man sieht: Jeder kämpft für sein Teilinteresse.

Immerhin: Beim VDA kritisiert man nicht nur den Plan der EU, sondern hat eine Vorstellung davon, wie es besser gehen könnte: „Europa sollte beim Thema Datennutzung auf marktgetriebene Innovationen und freiwillige Kooperationen und Plattformen setzen. Das würde Anreize zum Teilen von Daten schaffen, erklärt Bollig. „Die deutsche Automobilindustrie hat mit Adaxo daher einen Bauplan für den Zugang zu fahrzeuggenerierten Daten entwickelt, der alle Interessen zusammenbringt, einen gemeinsamen Datenmarkt schafft und die Datensouveränität der Kundinnen und Kunden sichert.“

Was ist Adaxo?

Adaxo ist die Abkürzung für „automotive data access, extended and open“ und bedeutet so viel wie „erweiterter und offener Fahrzeugdatenzugriff“. Dabei handelt es sich um eine federführend vom VDA vorangetriebene brancheneigene Datenplattform, in die alle relevanten Daten aus Fahrzeugen fließen. Was laut VDA „fair, vernünftig und nicht diskriminierend“ erfolgen soll – zumal sich die Verfügbarkeit der Daten und die Zugriffsmöglichkeiten „nicht ausschließlich auf das Fahrzeug beziehen, sondern ebenfalls auf die fahrzeugbezogenen Daten bei Serviceanbietern, Versicherungen, Finanzierungsunternehmen und in anderen nachgelagerten Bereichen im automobilen Umfeld“. Doch bei Versicherern oder Verbänden wie dem ADAC stößt das Konzept auf wenig Gegenliebe: Sie kritisieren, dass die Daten weiterhin von den Herstellern kontrolliert werden, die somit darüber entscheiden, ob und welche Daten zugänglich gemacht werden.

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