
Für den Aufbau einer bildgestützten KI-Anwendung markiert eine Mitarbeiterin Fotos von Einstiegsleisten. (Bild: BMW)
Die Komplexität des Produktionsnetzwerks der BMW Group lässt sich gut in Zahlen fassen, umfasst es derzeit doch 55 Derivate. An nur einem Produktionstag gilt es 30 Millionen Teile zu verwalten, hört man von den Produktions- und IT-Experten des OEM, die an diesem Septembertag einer kleinen Journalistenrunde ihre Komplettlösung für KI-basierte Objekterkennung vorstellen. Alleine beim Volumenmodell der im Münchener Stammwerk entstehenden 3er-Serie gibt es theoretisch eine Milliarde Variationsmöglichkeiten. Weitere Derivate sowie der künftige i4 lassen die Varianz noch weiter steigen. Jene Komplexität auf ein Minimum zu reduzieren und die Prozesse sowohl in der Produktion als auch in der Logistik auf ein vertretbares Maß mit größtmöglicher Effizienz zu bringen, ist eines der Ziele, die das Unternehmen mit dem Einsatz von Softwarepakten verfolgt.
Anwendungsbeispiel Einstiegsleisten
Ein Anwendungsbeispiel ist die Montage der zum jeweiligen Modell passenden Einstiegsleisten. Beim 3er bieten sich derzeit bis zu zehn verschiedene Möglichkeiten. Mit klassischen Bilderkennungssystemen könne es durchaus auf eine sogenannte Pseudofehlerquote von um die fünf Prozent kommen, hört man von den BMW-Experten. Bei Pseudofehlern handelt es sich nicht um Fehler des Produkts an sich, sondern um solche, die sich etwa aufgrund von Lichtreflexionen oder etwa durch Bläschen auf einer Abklebefolie ergeben. Um hier aufwändige Nachverfolgungen zu reduzieren, respektive auszuschalten, bot sich - auch aufgrund der über die letzten Jahre deutlich geringeren Kosten für Rechenleistung - der Einsatz von künstlicher Intelligenz an. Mit dem neuen Softwarepaket sollen laut BMW KI-Anwendungen in der Objekterkennung nun zum Kinderspiel werden.

Objekterkennung auch ohne KI-Expertise
Wesentlicher Bestandteil der aktuellen Veröffentlichung ist das sogenannte BMW Labeling Tool Lite. Damit können Anwender besonders einfach Merkmale auf Fotos markieren. Diese Software kommt in der Produktion zum Einsatz, um ohne Online-Verbindung und innerhalb sehr kurzer Zeit eine KI-Anwendung zu erstellen, die Objekte auf Fotos zuverlässig erkennt. Für eine neue KI-Anwendung zur Objekterkennung nehmen die Produktionsmitarbeiter Fotos auf und labeln diese. Anschließend optimiert sich die Software eigenständig und kann nach wenigen Stunden auf Basis der Labels zwischen „richtig“ und „falsch“ unterscheiden. Im Abgleich mit Live-Bildern aus der Produktion erkennt die Anwendung schnell und zuverlässig, ob Mitarbeiter die richtigen Teile verbaut haben. Im Rahmen des BMW-Presse-Events konnte auch automotiveIT die Anwendung testen. Innerhalb kürzester Zeit war das System in der Lage, die Einstiegsleisten anhand von in das System eingestellter Handy-Fotos mit einer Trefferquote von bis zu 100 Prozent richtig zuzuordnen.
Die nun veröffentlichten Algorithmen stehen Software-Entwicklern weltweit frei zur Verfügung – sie können die Algorithmen verwenden, den Quelltext einsehen, ändern und weiterentwickeln. Von diesen Weiterentwicklungen werde auch die BMW Group profitieren, sind sich die KI- und IT-Experten sicher. „Anwendungen für den Abgleich eines Ist-Zustandes mit dem Soll können mit unserem Softwarepaket innerhalb weniger Stunden aufgebaut werden“, erläutert Jimmy Nassif, Leiter IT Planungssysteme in der Logistik. „Dabei sind unzählige Anwendungsmöglichkeiten denkbar“, ergänzt Matthias Schindler, Cluster-Verantwortlicher Smart Data Analytics im Produktionssystem.
Die BMW Group setzt in Produktion und Logistik eine Vielzahl von Anwendungen aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz ein. Neben der Qualitätsarbeit in der Produktion profitieren laut Dirk Dreher, Leiter Logistik-Planung bei der BMW Group, insbesondere zahlreiche Smart Transport Robots in der Logistik von diesem Selbstservice für KI-Anwendungen.
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