Sicherheit im Connected Car

Wie die Blockchain für mehr Cyber-Resilienz sorgt

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Secure autonomous car with digital lock protects against cyber threats and data breaches
Vor allem mit Blick auf Datenintegrität und Nachvollziehbarkeit könnte die Blockchain das vernetzte Auto von morgen cybersicherer machen.

Wenngleich es ruhig um sie geworden ist, bieten Blockchain-Technologien in der Autoindustrie weiter ein erhebliches Potenzial – vor allem wenn es um Cybersecurity in kommenden Generationen vernetzter Fahrzeuge geht.

Die Zukunft der Mobilität ist vernetzt: Fahrzeuge kommunizieren mit ihrer Umgebung, laden OTA-Updates, bieten digitale Dienste. Damit wachsen nicht nur Komfort und Funktionalität, sondern auch Angriffsflächen – sei es durch manipulierte Software, kompromittierte Sensorik oder subversive Eingriffe in die Lieferkette.

Das Gebot der Stunde lautet Cyber-Resilienz. „Blockchain kann im Automotive-Bereich potenziell einen Beitrag zur Cyber-Resilienz leisten“, sagt Frederic Meyer, Experte für Blockchain beim Bitkom, „etwa durch manipulationsresistente Log-Hashes, verifizierbare Software-Update-Proofs oder Konzepte für dezentrale Identitäts- und Berechtigungsverwaltung von Fahrzeugen und Komponenten.“ So können insbesondere vernetzte Fahrzeuge sicherer werden.

„Blockchain kann hier vor allem im Bereich Integrität und Nachvollziehbarkeit einen erheblichen Mehrwert bieten“, sagt Yannik Heinze, CEO von Softstack, einem Anbieter von Web3 Cybersecurity und Smart-Contract-Audits. Eine dezentrale Infrastruktur ermögliche manipulationssichere Speicherung von Fahrzeuginformationen, fälschungssichere Identitäten für Fahrzeuge und Komponenten sowie überprüfbare Kommunikationsprotokolle zwischen Fahrzeugen, Infrastruktur und Cloud-Systemen. „Das schafft eine zusätzliche Verteidigungsebene gegen Angriffe, die auf das Verändern oder Löschen von Daten zielen“, betont Heinze.

Blockchain schafft Vertrauen in Datenflüsse

Schließlich seien vernetzte Fahrzeuge heute Teil hochkomplexer cyberphysischer Systeme, wenn sie in Echtzeit mit ihrer Umgebung interagieren, Daten mit anderen Fahrzeugen oder der Infrastruktur austauschen, sagt Amr Alanwar, der am TUM Campus Heilbronn über cyber-physikalische Systeme forscht. „Damit übernehmen Fahrzeuge sicherheitskritische Funktionen – insbesondere beim automatisierten und autonomen Fahren.“

Genau hier könne die Blockchain-Technologie Mehrwert schaffen: „Sie erzeugt Vertrauen in Datenflüsse, da jede Transaktion fälschungssicher und transparent dokumentiert ist, wodurch kritische Informationen wie Positions- oder Sensordaten vor Manipulation geschützt werden.“

Gleichzeitig erzeugten Fahrzeuge enorme Mengen sensibler Daten – von Standortinformationen bis hin zum Fahrverhalten. „Blockchain ermöglicht es den Eigentümern, durch Smart Contracts die Kontrolle über diese Daten zu behalten, indem Zugriffsrechte automatisch durchgesetzt werden“, erklärt der Professor. Versicherer, Werkstätten oder Flottenmanager erhalten nur dann Zugriff, wenn dies autorisiert ist – und jede Anfrage wird transparent protokolliert. „Das stärkt den Datenschutz und verringert zugleich die potenzielle Angriffsfläche für Hacker“, betont Alanwar: „Die Blockchain eröffnet neue Möglichkeiten, das Zusammenspiel von Echtzeitdaten, Prognosen und Sicherheitsprüfungen noch besser abzusichern.“

Autobranche bei Blockchain zu zaghaft

Das sieht Sebastian Becker, Geschäftsführer des Blockchain Bundesverbands, zwar auch so, doch er vermisst bei deutschen OEMs und Zulieferern, dass diese Möglichkeiten beherzt genutzt werden: „Es mangelt an einem Big Picture, an einem strategischen 360-Grad-Verständnis.“ Die hiesige Autoindustrie habe das Thema zwar früh entdeckt und intensiv daran gearbeitet, doch die Branchenkrise und das Megathema KI habe es in den Hintergrund treten lassen. Was sich allmählich ändere: „Gerade in Bezug auf Resilienz wird Blockchain wieder wichtiger, da sie als eine Art Automatisierungstechnologie mit starken Vertrauenskomponenten, etwa beim vernetzten Fahren, eine große Rolle spielen kann“, betont Becker.

Was leistet die Blockchain für die Autoindustrie?

Blockchain ist eine dezentrale, fälschungssichere Datenbanktechnologie, die Transaktionen in einer verketteten Struktur speichert. Jede Änderung wird transparent dokumentiert und ist nachträglich nicht manipulierbar.

Warum relevant für Automotive?

  • Sichere Datenübertragung: Schutz sensibler Fahrzeug- und Kundendaten
  • Supply Chain Management: Lückenlose Nachverfolgung von Bauteilen und Materialien
  • Mobilitätsdienste: Vertrauenswürdige Abrechnung bei Carsharing, Ladeinfrastruktur oder autonomen Fahrzeugen
  • Over-the-Air-Updates: Manipulationssichere Software-Updates

Herausforderungen:
⚠ Hoher Energieverbrauch
⚠ Skalierbarkeit
⚠ Standardisierung

Forschungskooperationen, wie zwischen der TUM, KTH Stockholm und Scania arbeiten daran, mengenbasierte Schätzungen, datengetriebene Prognosen und Reinforcement Learning zu kombinieren, berichtet Alanwar: „Blockchain könnte dabei die Echtheit und Unveränderlichkeit der zwischen Fahrzeugen und Umgebung ausgetauschten Signale garantieren.“ Heinze sieht bereits erste Ansätze im Bereich OTA-Updates, bei denen Blockchain genutzt wird, um sicherzustellen, dass nur autorisierte Software ins Fahrzeug gelangt.

Auch im Bereich Supply-Chain-Security – etwa bei der Nachverfolgung von Bauteilen und deren Firmware-Historie – gebe es Pilotprojekte. „Ein weiteres spannendes Feld ist das dezentrale Schlüsselmanagement für Zugangs- und Startsysteme sowie sichere Car-to-Car- oder Car-to-Infrastructure-Kommunikation“, erklärt der Experte. Entscheidend sei die Resilienz durch Dezentralisierung, da keine einzelnen Angriffsvektoren wie zentrale Server bestehen.

Die Hürden sind zahlreich und hoch

Allerdings: Von heute auf morgen wird das Potenzial nicht zu heben sein. Becker sieht vor allem regulatorische Probleme und den Mangel an leistungsfähigen Krypotochips, die in die Architektur der Fahrzeuge integriert werden müssten. „Die Einführung von Blockchain in der Automobilindustrie steht noch vor entscheidenden Hürden, die vor einer großflächigen Implementierung adressiert werden müssen“, sekundiert Alanwar.

Dringend erforderlich sei die Standardisierung – mit gemeinsamen Protokollen für V2X-Kommunikation und Blockchain-basierte Sicherheitslösungen, um Interoperabilität zwischen Herstellern und Systemen sicherzustellen. „Zugleich sind Fragen zur Einhaltung von Datenschutzgesetzen wie der DSGVO sowie zur Datensouveränität ungelöst, was rechtliche und ethische Herausforderungen mit sich bringt“, so Alanwar. „Eine weitere kritische Barriere ist die Echtzeitfähigkeit, da Blockchain-Lösungen Transaktionen innerhalb von Millisekunden verarbeiten müssen, um sicherheitskritische Entscheidungen in autonomen Fahrzeugen zu unterstützen.“

Schließlich sei eine engere branchenweite Zusammenarbeit zwischen Automobilherstellern, Zulieferern und Forschungseinrichtungen notwendig, um ein robustes, vertrauenswürdiges Ökosystem zu schaffen, das das Potenzial der Blockchain voll ausschöpfen kann.

„Die größte Herausforderung ist aktuell die praktische Umsetzung in einem hochregulierten Umfeld wie der Automobilindustrie“, bilanziert Heinze, „Blockchain muss sich in bestehende Safety- und Security-Architekturen integrieren lassen, ohne die Performance oder die Zertifizierbarkeit zu gefährden.“ Zudem gelte es, Skalierung und Energieeffizienz sicherzustellen. „Der hohe Energieverbrauch mancher Blockchain-Mechanismen steht im Widerspruch zum Trend zu grünerer Mobilität“, betont Alanwar. Nichtsdestotrotz ist Heinze überzeugt: „Aus meiner Sicht ist die Technologie reif genug, um heute in ersten kritischen Bereichen Mehrwert zu schaffen, wenn sie richtig eingesetzt wird.“