Französischer Zulieferer

Wie Valeo das Licht der Zukunft formt

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Das Licht soll ein wichtiger Differenzierungsfaktor für OEMs sein.

Licht ist für Valeo längst mehr als Sicherheit – es ist Kommunikation, Design und Software zugleich. Im französischen Bobigny entwickelt der Zulieferer Technologien, die das Fahrzeuglicht neu definieren.

Die wichtigsten Infos

  • Struktur: Rund 33.000 Mitarbeitende in 19 Ländern, 42 Werke, 23 F&E-Zentren – Schwerpunkt auf Optik, Elektronik und Software.
  • Technologien: HD Lighting, ThinLens, OLED 2.0, Software-defined Lighting – kompakt, adaptiv, digital steuerbar.
  • Kunden & Projekte: Systeme in Modellen von Audi, BMW, Mercedes, Renault, Zeekr, Volvo

  • Marktführer: Valeo ist global führend in Licht-, Wischer- und Sensorreinigungssystemen; über 5,5 Mrd. € Umsatz allein mit Lichttechnologien.

  • Zielbild: Licht als Softwareplattform – für mehr Sicherheit, Individualisierung und Nachhaltigkeit.

Gegen 21 Uhr abends beginnt die Show. Drei Demofahrzeuge warten auf ihren Einsatz. Eine gute Dreiviertelstunde nördlich von Paris, in den Wäldern von Chantilly, zeigt der französische Zulieferer Valeo, warum er beim Thema Beleuchtung den Ton angeben will. Doch der Reihe nach. In den Stunden zuvor begannen die Einblicke in das Herzstück der Light Division der Franzosen. Im Pariser Stadtteil Bobigny arbeiten 499 Menschen aus 36 Nationen daran, Valeos Führungsposition auch künftig verteidigen zu können. Das Headquarter liegt in einem eher tristen Industrieviertel der sonst so schönen Weltstadt. Von außen deutet wenig auf darauf hin, was sich im Inneren des schlichten Bürogebäudes versteckt.

Die Light Division verantwortet ein Viertel des Konzernumsatzes, insgesamt 5,55 Milliarden Euro und beschäftigt weltweit über 32.000 Menschen. Ihre Aufgabe reicht weit über die klassischen Scheinwerfer hinaus: Valeo entwickelt komplette Beleuchtungssysteme, Sensorreinigungslösungen und Wischersysteme. In 19 Ländern betreibt das Unternehmen 42 Produktionsstandorte und 23 Forschungszentren. „Sicherheit ist Teil unserer DNA“, betont R&D-Direktor Klaus Matauschek, „doch ebenso wichtig sind Stil, Performance und Nachhaltigkeit.“

Von der Leuchte zur Lichtarchitektur

„Licht ist überall“, sagt Pierre-Emmanuel Strohl, Direktor für Strategie und Forschung der Light Division, zum Auftakt. Das Motto "Lighting Everywhere" zieht sich durch den gesamten Tag. Denn Valeo sieht das Lichtsystem der Zukunft nicht mehr als separates Bauteil, sondern als integralen Bestandteil des vernetzten, softwaredefinierten Fahrzeugs. Beleuchtung soll zur Kommunikationsschnittstelle zwischen Fahrzeug, Fahrer und Umwelt – und zu einem zentralen Differenzierungsmerkmal der Marken werden.

Die Entwicklungsrichtung lässt sich klar ablesen: Elektrifizierung, Automatisierung, Software-Definiertheit und Kreislaufwirtschaft sind die Treiber. Strohl erklärt: „Das softwaredefinierte Fahrzeug treibt uns – unsere Software ist bereits kompatibel mit SDV-Architekturen.“ Dabei gehe es zunehmend auch um Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft, um „Remanufacturing, Reparierbarkeit und neue Materialien, die Teil unserer täglichen Innovationsarbeit sind.“

Valeos Light Division produziert und forscht weltweit.

Wo früher Scheinwerfer leuchteten, sollen künftig hochauflösende Projektoren nicht nur die Straße ausleuchten, sondern auch Symbole oder Warnhinweise auf den Asphalt projizieren. Bei Valeo heißen solche Systeme HD Lighting Modules. Sie können bis zu 25.000 Pixel steuern, um etwa Spurmarkierungen oder Sicherheitsabstände in Echtzeit darzustellen. Damit verschiebt sich die Funktion von Licht vom passiven Sehen hin zum aktiven Kommunizieren.

Miniaturisierung und Designfreiheit

Die Ingenieure in Bobigny arbeiten an einem klaren Ziel: das Modul der Zukunft immer kompakter, schlanker und digitaler zu gestalten. Jean-François Doha, Direktor der Modulentwicklung, erklärt: „Wir digitalisieren den Lichtstrahl  von einem Dutzend Pixel bis hin zu 20.000. So können wir Licht gezielt dorthin lenken, wo es gebraucht wird.“

Was früher ein klobiger Halogenreflektor mit 110 Millimetern Bauhöhe war, misst heute kaum mehr als 15 Millimeter. Valeo hat die Höhe in weniger als einem Jahrzehnt auf ein Siebtel reduziert – bei höherer Leuchtkraft, neuen Funktionen und geringerem Energieverbrauch. „Der Markt verlangt kompakte Module unter 20 W Leistungsaufnahme bei gleicher Performance und mehr Funktionalität“, so Doha.

Diese Miniaturisierung eröffnet neue Freiheiten im Fahrzeugdesign. Marken wie Audi oder Zeekr setzen auf Valeos vertikale ThinLens-Module, die völlig neue Lichtsignaturen ermöglichen und die „Gesichter“ moderner Fahrzeuge prägen. Doha verweist zudem auf die strategische Bedeutung der Plattformisierung: „Wir standardisieren unsere Modulplattformen, um Entwicklungsaufwand und Kosten zu reduzieren – und regionale Unterschiede effizient abzudecken.“

Licht wird Software

Doch die Miniaturisierung ist nur die eine Seite. Parallel wird das Lichtsystem zunehmend digitalisiert. Schon heute verarbeitet ein Controller die Befehle von Fahrzeugsensoren über den CAN-Bus und steuert Stromfluss und Temperatur der LEDs. In Zukunft jedoch wird die Lampe zum Projektor, der Videosignale von einer zentralen Recheneinheit erhält. Das Fahrzeuglicht wird dann – ähnlich wie Displays – grafisch gesteuert. Es kann Symbole projizieren, mit anderen Verkehrsteilnehmern kommunizieren oder OTA-Updates für neue Funktionen empfangen. Licht wird so zum Teil der Fahrzeugsoftware.

„Wir bewegen uns von Produkten zu Funktionen“, erklärt Renaud Belloc, Leiter der Elektronikplattform. Mehr Pixel bedeuteten mehr Rechenleistung und damit neue Herausforderungen: „Wir müssen verstehen, welche CPU-Power jede Lichtfunktion wirklich braucht.“ Die Zentralisierung der Fahrzeugarchitektur eröffne dabei „die Chance, Software zentral zu betreiben und dennoch Lichtfunktionen flexibel zu gestalten“.

Valeo trennt künftig die Softwareebenen: Während thermische und sicherheitsrelevante Prozesse im Scheinwerfer bleiben, werden Bildverarbeitung und Projektion zentral gesteuert. „Wir bieten das vollständige System – von der Lampe über die Elektronik bis zur Software – modular und an jede OEM-Architektur anpassbar“, so Belloc. Damit entwickle sich Valeo vom Komponentenhersteller zum Software- und Systemanbieter.

Rückleuchten könnten durch Symbole erweitert werden.

Plattformstrategie und neue OEM-Partnerschaften

Im Testtunnel unter Bobigny werden die neuen Systeme eindrucksvoll vorgeführt. Auf 80 Metern Länge simulieren die Entwickler unterschiedlichste Fahrsituationen: Nebel, Kurvenfahrten, Gegenverkehr. Ein Prototyp projiziert die eigene Fahrspur auf die Straße, ein anderer blendet entgegenkommende Fahrzeuge gezielt aus, ohne den Rest der Fahrbahn zu verdunkeln. Ein drittes Fahrzeug warnt vorauslaufende Fußgänger mit einem Lichtsymbol auf dem Asphalt – ein Beispiel für die Signaling Road Projection, die laut Olivia Da Silva, Marketingdirektorin der Light Division, „zukünftig weltweit zur Sicherheit beitragen wird“.

Da Silva verweist auf die Dynamik des Marktes: „Bis 2035 werden 80 Prozent der Fahrzeuge elektrifiziert sein. Das wirkt sich vor allem auf Stil und Nachhaltigkeit der Lichtprodukte aus.“ Neben Sicherheit gehe es zunehmend um Stil, Interaktion und Energieeffizienz. „Unsere Mission ist es, über die gesamte Fahrzeuglebensdauer kohlenstoffneutrale Lösungen anzubieten.“

Sichtbar wird das bei den aktuellen Serienprojekten: Im BMW i7 liefert Valeo die beleuchtete Niere, beim Zeekr 007 GT eine dynamische Innenraumbeleuchtung, beim Mercedes G-Klasse das Reinigungssystem für die Rückfahrkamera und beim Volkswagen Tayron eine hinterleuchtete Ambient-Backlight-Lösung. Auch in Nordamerika sind die Franzosen mit dem GM Vistiq und dem Ford Expedition aktiv. Die internationale Spannweite zeigt, wie Valeo sich vom klassischen Lichtzulieferer zum Systemarchitekten der Mobilität entwickeln will.

Nachtfahrt mit Zukunftslicht

Zurück in den Wäldern von Chantilly: „Licht muss man sehen“, sagt Klaus Matauschek, der bei den Nachtfahrten selbst mit im Auto sitzt. Besonders stolz ist er auf den Prototypen mit vertikal angeordneten Scheinwerfern – Valeos ThinLens. Im Dunkel des Waldes entfalten diese schmalen, hochpräzisen Module ihre Wirkung: extrem kompakte, vertikale Linsen mit nur 15 mal 100 Millimetern Baugröße. Trotz ihres minimalistischen Formats erzeugen sie eine homogene, kraftvolle Ausleuchtung, die nicht nur die Straße perfekt erhellt, sondern zugleich neue Designmöglichkeiten eröffnet.

Projektionen auf den Boden können Fußgänger warnen.

Im gleichen Audi Q4, der mit den ThinLens-Prototypen unterwegs ist, erprobt Valeo außerdem sein HDLED-System – ein hochauflösendes Lichtmodul mit bis zu 25.000 steuerbaren Pixelpunkten. Damit lassen sich adaptive, dynamische Lichtmuster erzeugen: Spurmarkierungen, Piktogramme oder Sicherheitsabstände werden direkt auf die Fahrbahn projiziert.

Das vergleichsweise einfachste Testfahrzeug, ein Opel Corsa, trägt das BiLED30-Modul. Es vereint Abblend- und Fernlicht in einer einzigen, nur 30 Millimeter hohen Einheit und liefert mit 1.000 Lumen im Abblendlicht und 1.500 Lumen im Matrix-Fernlicht-Modus beeindruckende Lichtleistung. 24 individuell ansteuerbare Segmente passen den Lichtkegel in Echtzeit an, blenden gezielt aus oder folgen der Kurve – ein Beweis für die Reaktionsgeschwindigkeit und Präzision der Elektronik.

Während der Fahrt entsteht eine regelrechte Lichtchoreografie: Der Corsa schneidet mit klarer, homogener Lichtverteilung durch die Dunkelheit, der Audi Q4 zeichnet eine sanft geschwungene Spur auf den Asphalt und projiziert feine Symbole auf die Straße. Die vertikalen ThinLens-Module verleihen dem Fahrzeug ein markantes, fast lebendiges Erscheinungsbild. Licht wird hier nicht mehr nur funktional gedacht, sondern als ästhetisches und emotionales Element inszeniert.

So endet ein Tag, der mehr war als eine Produktshow. Er zeigte, wie stark sich die Rolle der Beleuchtung im Zeitalter des Software-Defined Vehicle wandelt – und wie der traditionsreiche Zulieferer aus Frankreich versucht, in diesem Wandel nicht nur mitzuhalten, sondern ihn zu prägen.