Unauffälliger geht es kaum. Wer sich für die Mercedes B-Klasse Electric Drive, also die rein elektrische Variante des Kompaktvans entscheidet, darf keinesfalls unter Aufmerksamkeitsdefizitsymptomen leiden. Es gibt keinen Aha-Effekt wie beim BWM i3. Der 132 KW/180 PS starke Elektro-Van sieht unspektakulär aus, eben wie eine B-Klasse vor dem aktuellen Facelift, und kostet ab 39.151 Euro.
Die elektrische B-Klasse beherrscht die Tarnung fast perfekt. Sie ist vier Zentimeter höher als ihr Genspender, doch das dürften nur wenige Betrachter bemerken, die Unterschiede zur bisherigen Optik der zweiten Generation fallen sehr marginal aus. Erst wenn man zur Ausstattungslinie „Electric Art“ greift (2.308,60 Euro) hat man etwas bessere Chancen, auf den besonderen Antrieb angesprochen zu werden. Hier steht das Fahrzeug auf 18-Zoll-Leichtmetallräder, es ist in weiß oder blau – pardon: zirrusweiß oder südseeblau – lackiert, die Gehäuse der Außenspiegel sowie die Kühlergrilllamellen sind in der jeweils anderen als der gewählten Farbe ausgeführt, und ganz wichtig – auf der Seitenwand steht „Electric Drive“.
Auch im Inneren gibt es nur wenige Unterschiede. Die 200 Kilogramm schwere 28 kWh-Lithium-Ionen-Batterieeinheit befindet sich im Zwischenboden, so dass das Platzangebot sowie das Kofferraumvolumen (501 bis 1.456 Liter) fast unverändert geblieben sind. Nur das 8-Zoll große Display ist neu. Auf ihm werden unter anderem die Angaben zum Energiemanagement dargestellt, also ob man Reichenweiten optimiert unterwegs ist (grüne Pfeile) oder ob der Gasfuß zu nervös zuckt (rote Pfeile). Diese Darstellungen kennt man auch aus anderen E-Fahrzeugen; es macht aber immer wieder Spaß, den bunten Pixeltreiben zu zuschauen und die Umsetzung der eigenen Fahrweise punkt –und pfeilgenau nachvollziehen zu können.
Und Mercedes bietet viele Möglichkeiten, die Fahrweise zu variieren. Der von Tesla entwickelte Antrieb leistet 132 kW/180 PS und stellt – typisch Elektroantrieb – bereits ab dem Leerlauf sein maximales Drehmoment von 340 Nm bereit.Die elektrische B-Klasse gewinnt vermutlich viele Ampelstarts, wenn der Fahrer beherzt das Gaspedal durchdrückt. In 7,9 Sekunden gelingt der Standardspurt, nicht schlecht für ein mindestens 1,7 Tonnen schweres Fahrzeug. Klar ist aber auch, wenn man unbesorgt Gas gibt, nimmt die Reichweite ziemlich schnell ab, zumal der Durchschnittsverbrauch mit 16,6 kWh angegeben wird. Bis zu 200 Kilometer sind theoretisch möglich, will man aber in die Nähe des Maximalwertes kommen, sollte man zum einem etwas zurückhaltender fahren und zum anderen die verschiedenen Fahrmodi (Economy Plus, Economy, Sport) sowie – je nach Ausstattung – die angebotenen Rekuperationsstufen nutzen.
Im Modus Economy Plus (E+) ist die Leistung auf 65 kW/88 PS reduziert. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt nicht mehr 160 km/h, sondern nur noch 110 km/h. Nicht Rasen, sondern Cruisen heißt die Devise. Belohnt wird der Fahrer mit dem guten Gewissen, möglichst weit mit einer „Tankfüllung“ zu kommen. Außerdem fällt bei der gelassenen Fahrweise das hart abgestimmte Fahrwerk mit der Tendenz Bodenwellen ziemlich ungefiltert an die Insassen weiterzugeben, weniger auf. Wenn es nicht ganz so diszipliniert zugehen soll: Im Economy-Programm stehen immerhin noch 98 kW/133 PS zur Verfügung. Beide Modi kann man aber jederzeit per Kickdown verlassen, so dass zum Beispiel beim Überholen immer die volle Leistung wie beim Modus Sport abgerufen wird.
Neben den üblichen Rekuperationsvorgängen im Schubbetrieb und beim Bremsen offeriert Mercedes für die elektrische B-Klasse noch die Möglichkeit eines radarunterstützten, rekuperativen Bremssystems (Aufpreis 417 Euro). Das System nutzt die Daten aus dem serienmäßigen Abstandswarner-Assistenten Collision Prevention Assist Plus und regelt automatisch den Grad der Rekuperation. In Kombination mit dem Navigationssystem Command berücksichtigt das System auch die Infos der Verkehrszeichenerkennung sowie im Navigationssystem hinterlegte Geschwindigkeitslimits. Außerdem kann der Fahrer noch per Lenkradschaltpaddeln zwischen vier verschiedenen Rekuperationsstufen wählen. Das System ist aber eher was für ausgefuchste und geduldige Verbrauchsoptimierer.
Praktisch ist die angebotene Vernetzung des Fahrzeugs mit dem Smartphone. Über die App „connect.mercedes.me“ lassen sich zum Beispiel der aktuelle Ladezustand der Batterie oder die mögliche Reichweite des Fahrzeugs aus der Ferne abfragen. Außerdem kann der Fahrer mittels der App das Fahrzeug vorkühlen – nach einem Mittagsstopp bei 30 Grad Außentemperatur eine sehr praktische Angelegenheit. Natürlich funktioniert die App auch zum Vorheizen.
Geduld braucht man übrigens auch beim Aufladen. An der normalen Steckdose beträgt die Ladezeit rund neun Stunden, eine Starkstrom-Ladebox (Wallbox), die man in der Garage oder unter dem Carport installieren lassen kann, ermöglicht eine Vollladung in drei Stunden. Wer beide Optionen nutzen möchte, muss für knapp 300 Euro eine Kombination aus einem Ladekabel für eine Haushaltssteckdose und einem für Wallbox und öffentliche Ladestationen ordern. Selbstverständlich stehen dem Electric Drive-Fahrer gegen Aufpreis die üblichen Mercedes-Annehmlichkeiten zur Verfügung. sp-x