So wird KI bei Hyundai zum Bindeglied
Der neue Ioniq 9 mit integriertem KI-Sprach-Assistenten wird vom OEM als spezifisches Beispiel dafür genannt, wie Technologie im Fahrzeug zugänglicher gemacht wird.
Hyundai
Das Auto wird zum intelligenten Begleiter. Experten diskutieren im Hyundai Future Talk, wie Künstliche Intelligenz Fahrzeuge persönlicher, sicherer und zugänglicher machen kann – und wie Technologie, Vertrauen und Verantwortung das Fahren der Zukunft prägen.
„Smartphone auf Rädern“ – so wird das Auto der Zukunft oft
bezeichnet. Raf van Nuffel, Vice President Product und Pricing bei Hyundai
Motor Europe, kann dieser Metapher einiges abgewinnen. Das Fahrzeug sei ständig
vernetzt, erhalte Updates und werde zunehmend personalisierbar. Dennoch bleibe
es mehr als ein digitaler Knotenpunkt: Emotion, Design und Sicherheit prägten
weiterhin den Charakter eines Autos.
Um diese Brücke zwischen Technologie und Nutzer zu schlagen,
setzt Hyundai auf künstliche Intelligenz. Im Ioniq 9 etwa ist ein Ki-gestützter Sprachassistent integriert, der auf natürliche Weise mit
Fahrerinnen und Fahrern kommuniziert. Früher mussten Befehle exakt
ausgesprochen werden, heute lernt das Fahrzeug die individuelle Sprechweise
seines Nutzers. Ziel ist dabei nicht technologische Spielerei, sondern Zugänglichkeit
– KI soll Funktionen vereinfachen, nicht verkomplizieren.
Von Pferdestärken zu Denkleistung
„Wir bewegen uns von Pferdestärken zu Denkleistung“, sagt Mario Trapp, Direktor des Fraunhofer EKS und Professor an der TU
München. Das Auto werde zum Softwaresystem – mit allen Chancen und
Risiken. Künstliche Intelligenz sei dabei ein zentraler Treiber, aber auch ein
Sicherheitsfaktor. Trapp spricht von „Safe Intelligence“: intelligente Systeme,
die nicht nur leistungsfähig, sondern verlässlich sind. Wenn eine KI im
Smartphone ausfällt, sei das lästig, im Auto könne es fatal sein. Entsprechend
müsse Sicherheit neu gedacht werden – Risiken seien unvermeidlich, aber
kontrollierbar.
Der Zukunftsforscher Tristan Horx betrachtet den Wandel aus
gesellschaftlicher Perspektive. Für viele Jüngere ist KI längst Teil des
Alltags. Ältere begegnen ihr oft mit Skepsis, während die junge Generation sie
pragmatisch als Werkzeug begreift, das Sicherheit und Komfort erhöht. Horx sieht vor allem Potenzial, den Alltag zu entlasten. Auf
langen Fahrten könne KI helfen, Zeit produktiv zu nutzen oder Ermüdung zu
vermeiden. Gleichzeitig warnt er vor Missverständnissen in der öffentlichen
Wahrnehmung: KI erhöhe die Komplexität nicht, sie nehme sie den Nutzerinnen und
Nutzern.
KI im Alltag – kontrolliert statt spekulativ
Die Diskussion zeigt, dass Hyundai Künstliche Intelligenz
vor allem als praktische Technologie versteht. Routenplanung, Wetterintegration
oder Parkplatzsuche gelten als naheliegende Anwendungen – kontrollierte
Systeme, keine generativen Modelle. In einem Fahrzeug geht es nicht um
Kreativität, sondern um Verlässlichkeit. Auch ethische Fragen spielen eine Rolle. Das klassische
„Trolley-Dilemma“, also die Entscheidung zwischen dem Schutz von Insassen oder
Passanten, bleibt ungelöst. Diese Abwägungen passieren in Millisekunden und
verschieben die Verantwortung von Menschen zu Systementwicklern. Selbst die
Bezeichnung „Assistent“ wird kritisch gesehen, weil sie Technik vermenschlichen
kann.
Die Diskussion über KI im Fahrzeug führt schließlich
zwangsläufig zur Frage nach Autonomie. Wo endet Assistenz, wo beginnt
Selbstbestimmung? Sobald ein System Entscheidungen trifft, die bisher dem
Menschen vorbehalten waren, verändert sich das Verständnis von Mobilität – und
mit ihm die kulturellen Grundlagen des Fahrens.
Autonomes Fahren bleibt eine Frage der Akzeptanz
In der Debatte um autonomes Fahren herrscht Einigkeit: Die
Technologie ist weit, doch gesellschaftliche Akzeptanz und Regulierung bleiben
die größten Hürden. Hyundai betreibt mit Aptiv das Joint Venture „Motional“,
das Robo-Taxis in den USA und Südkorea testet. Aus technischer Sicht ist Level
4 längst möglich – was Zeit kostet, ist der Wandel in Köpfen und Kulturen. Trapp weist darauf hin, dass die Definition von Sicherheit
noch offen ist. Der Begriff „ausreichend sicher“ sei bislang nicht normiert,
und auch die Haftungsfrage bleibe ungeklärt. Diese Unsicherheit bremst den
Markteintritt ebenso wie rechtliche Grenzen. Horx plädiert in diesem
Zusammenhang für Pragmatismus: Statt Perfektion zu fordern, müsse man Vertrauen
durch Erfahrung schaffen.
Kooperation als Schlüssel
Mit zunehmender Vernetzung verändern sich auch die
Strukturen der Zusammenarbeit. Vehicle-to-Vehicle- und
Vehicle-to-Infrastructure-Kommunikation gelten als nächste Entwicklungsstufe.
Ihr Potenzial ist groß, doch sie erfordert viele Partner.
Trapp betont die Bedeutung offener Plattformen: Innovation
entstehe dort, wo Ökosysteme wachsen. Wenn Städte, Fahrzeuge und Dienste über
gemeinsame Schnittstellen kommunizieren, profitierten alle. Europäische
Regularien wie der AI Act oder die DSGVO verlangsamten Innovation zwar,
schafften aber Vertrauen. Van Nuffel verweist auf die Pflicht zur Sorgfalt,
Horx auf die Chance, Datenschutz positiv zu kommunizieren: Wer verstehe, dass
Daten helfen, Unfälle zu verhindern, teile sie eher. Am Ende steht die Erkenntnis, dass es bei aller Faszination
für lernende Systeme vor allem um Verantwortung geht. Künstliche Intelligenz
ist kein autonomes Wesen, sondern ein Werkzeug – abhängig von den Menschen, die
sie entwickeln und einsetzen.
„Wir verstehen noch nicht vollständig, was wir entfesseln“,
sagt Horx. „Aber genau deshalb müssen wir gestalten – mit Maß, Ethik und der
Bereitschaft, Fehler zuzulassen.“