Entweder die namentliche Anlehnung an die Sportwagenlegende Mustang ist ein Volltreffer oder ein Flop. Die meisten Pony-Car-Fans in den USA und Europa halten die Bezeichnung für nicht weniger als eine Gotteslästerung. Das hauseigene Marketing weiß um die Gefahr; setzt aber auf den ikonischen Werbewert des Mustangs, der auch elektrisch und als SUV funktionieren soll. Ändert nichts daran, dass der Mustang Mach-E zum Volltreffer für den amerikanischen Autobauer werden könnte. Denn der 4,71 Meter lange Elektro-SUV passt in die Zeit wie kaum ein anderer und hat bisher allenfalls Konkurrenz aus dem Premiumsegment – selbst die ist dünn. Audi E-Tron, Jaguar i-Pace und Mercedes EQC – viel mehr elektrische SUVs sind derzeit nicht zu bekommen. Zugegeben, die Fans des elektrischen Mach-E müssen noch etwas warten, denn in den Handel kommt der erste Elektro-SUV von Ford erst in rund einem Jahr, Ende 2020.
Optisch sind Anleihen an den Mustang allenfalls bei Leuchteneinheiten und ausgeformten Kotflügeln zu erkennen. Innen jedoch hat sich Ford deutlich bei Elektropionier Tesla bedient, denn insbesondere das hochkant verbaute Multifunktions-Tablet mit einer Bildschirmdiagonale von 15,5 Zoll könnte auch aus einem Tesla-Modell stammen. Erfreulicherweise haben die Entwickler nicht den Fehler wie beim Tesla Model 3 gemacht, allein auf diesen Touchscreen in der Cockpitmitte zu setzen. Hinter dem Lenkrad gibt es eine weitere Instrumenteneinheit mit immerhin 10,2 Zoll Größe, die dem Fahrer die wichtigsten Informationen für seine Fahrt liefert. Das Platzangebot im Innern ist gut, denn obschon die Motorhaube für ein Elektromodell recht lang ist, kommt der Innenraum nicht zu kurz. Vorne wie hinten können Personen bis 1,90 Meter und ein paar Zentimeter mehr selbst mit dem optionalen Panoramadach gut sitzen. Die Beinfreiheit? Passt. Die Informationsflut auf dem mächtigen Zentraldisplay ist groß. Gut, dass der Fahrer noch das kleine Display hat, das Design und Informationsgehalt je nach Fahrprogramm anpasst. Nicht opulent, aber allemal ausreichend ist das Ladevolumen. Vorne gibt es unter der Haube ein auswaschbares Fach mit 100 Litern, während der normale Kofferraum im Fond 402 Liter Volumen fasst. Wer die Rücksitze umlegt, bekommt nicht nur eine ebene Ladefläche, sondern auch 1.420 Liter Volumen.
Das Basismodell des Ford Mustang Mach-E wird von einem Elektromotor an der Hinterachse angetrieben, der 255 PS und 410 Nm maximales Drehmoment leistet. Mit dem identischen Heckmotor und einem kleinen 50-kW-Zusatzmotor an der Vorderachse steigt die Leistung auf 248 kW / 338 PS und 581 Nm. Maximaltempo beider Modelle: 185 km/h. Die Höchstleistungsvariante des Mustang Mach-E mit dem Zusatz Performance GT folgt im Frühjahr 2021 und bringt ebenfalls per elektrischem Allradantrieb 342 kW / 465 PS und 830 Nm auf die Straße. Die Höchstgeschwindigkeit liegt trotz der mächtigen Motorleistung jedoch bei mäßigen 200 km/h. 0 auf Tempo 100 schafft die Performance-Variante in unter vier Sekunden. Wahlweise gibt es den Mach-E nicht nur mit Hinterrad- und Allradantrieb, sondern eben auch in den beiden Leistungsstufen und mit zwei Akkupaketen. Bei der normalen Variante sind zwischen den Achsen 288 Akkuzellen mit einer Leistungsfähigkeit von 75 kWh verbaut, die für eine Reichweite von 450 Kilometern sorgen sollen. Für mehr Reichweite gibt es ein Akkupaket mit 99 kWh, mit dem man 600 Kilometer weit fahren kann, ohne nachzuladen. Die maximale Ladeleistung des Mach-E liegt derweil bei 150 kW. Mit dem kleinen Akkupaket soll der Basishecktriebler in 40 Minuten auf 80 Prozent seiner Leistungsfähigkeit erstarken.
Ford-Testingenieur Steve begrüßt einen in dem wild beklebten Prototyp und drückt nach einem kurzen Hallo mächtig aufs Gas. Das maximale Drehmoment bringt die Allradversion aus dem Stand imposant auf die Fahrbahn. Kein Rad dreht durch und man wird mächtig in den Sitz gepresst. Die drei Fahrmodi sorgen entweder für eine komfortable Fahrt, engagiertes Cruisen oder eine wilde Hatz. Entsprechend passt sich auch der Motorklang an, dem die Ford-Entwickler viel Detailliebe gewidmet haben. Wer es im Normalmodus nicht nahezu lautlos will, fühlt sich in den beiden dynamischeren Modi wie in einem Düsenjet. Steve legt schnell noch ein paar Zwischenspurts ein und so ist man froh, dass rund um den Flughafen Hawthorne an dem Samstagvormittag keine Polizeistreife unterwegs ist. Auf dem abgesperrten Gelände wird es zwischen Garagen durch die Pylonenwedelei noch wilder. Hier spürt man die mehr als 2,2 Tonnen Leergewicht; aber auch den niedrigen Schwerpunkt des elektrisierten Amerikaners. Die einzelnen Fahrprogramme wirken dabei nicht auf die Dämpfer, sondern nur auf Gasannahme, Lenkung und Motorklang ein. Die aufwendigen Magnetic-Ride-Dämpfer gibt es nur im Topmodell Mach-E GT Performance.
Einen wahren Elektro-Boom erwartet Ford durch seinen Mach-E trotz Anlehnung an den legendären Mustang und die ab 2020 immer größere Zahl der Konkurrenten nicht. „Wir rechnen in Europa bis zum Jahre 2025 mit einem Elektroanteil von 14 Prozent“, sagt Ted Cannis, bei Ford für die Elektroantriebe verantwortlich. „In den USA werden es rund acht Prozent sein.“ Immerhin will die Ford Motor Company innerhalb der nächsten drei Jahre elf Milliarden Dollar in die Elektrifizierung stecken. Vertrieben wird der Ford Mustang Mach-E europaweit bei 350 Händlern. Alle Händler sollen nur in Ländern wie der Schweiz oder Norwegen bedient werden. In Deutschland dürften es die großen Ford-Händler sein, die den elektrifizierten Galopper anbieten. Der Basispreis des heckgetriebenen Mustang Mach-E liegt bei 46.900 Euro. Die sogenannte First Edition bietet neben 248 kW / 338 PS, Allradantrieb und der großen 99 kWh-Batterie sowie 19-Zoll-Radsatz, eine Lackierung in „Atoll-Blau Metallic“, ein Panoramadach sowie weitere Details.