
Recycelte Batteriezellenbestandteile im BMW-Labor. (Bild: BMW)
BMW hat zusammen mit den unmittelbaren Projektpartnern BASF, CATL, Henkel und Siemens eine Lösung für den europäischen Batteriepass entwickelt. Inzwischen existiert ein Demonstrator für die BMW-Hochvoltbatterien. „An ihm ist entlang der verzweigten Lieferkette eine zweistellige Zahl von Unternehmen beteiligt, die aus verschiedenen Wirtschaftsräumen kommen und daher auch breiten regulatorischen Anforderungen unterliegen“, sagt Philipp Kassack, verantwortlicher Projektmanager seitens BMW. Gemeinsam ist den Partnern, dass ihre Materialien, Komponenten und Produkte letztlich in die Hochvoltbatterien der Fahrzeuge einfließen, die der OEM auf dem europäischen Markt vertreiben wird. Und dort gilt laut der EU-Batterieverordnung ab dem Jahr 2027 die Pflicht, jede betroffene Batterie mit einem Pass auszuliefern.
Der Pass ermöglicht durch die Bereitstellung einer digitalen Infrastruktur, grundlegende Informationen und technische Daten einer Hochvoltbatterie zu dokumentieren und auszutauschen. So soll transparent und belegbar werden, dass die Speicher nachhaltig sind, sozial und mit kleinem Klima-Fußabdruck hergestellt – und zwar über den gesamten Lebenszyklus einer Batterie hinweg. Der Batteriepass beruht auf insgesamt 107 Datenpunkten.
Der Batteriepass ist Teamplay
„BMW als Inverkehrbringer der Hochvoltbatterie erzeugt zwar die Hälfte der erforderlichen Daten selbst, aber die andere Hälfte entsteht entlang der komplexen Lieferkette“, so Kassack. Und jedes der beteiligten Unternehmen habe andere Anforderungen, wie es die eigenen Daten erhebt und vorhält. „Es ist auch nicht damit getan, dass die Daten für den Batteriepass nur einmalig erhoben werden. Wenn sich in der Lieferkette etwas ändert, etwa aufgrund einer modifizierten Rezeptur bei der Zellchemie, dann kann sich das auch im Batteriepass niederschlagen“, erklärt Kassack. Er müsse sich also jederzeit aktuell halten lassen.
Nicht zuletzt ist das perspektivisch wichtig – wegen des Wandels zur Kreislaufwirtschaft. Künftig muss BMW die Batteriepassdaten auch für neue Player in der Verwertungskette vorhalten, etwa um Bauteile länger im Wirtschaftskreislauf zu halten oder Komponenten gezielt zu recyceln. Für all diese Anforderungen galt es, einen gangbaren Weg für alle Beteiligten zu finden. Er führt über das kollaborative und offene Datenökosystem Catena-X. „Denn mit Excel-Tabellen und Mails ist das alles ziemlich schwierig abzubilden“, bringt es Kassack auf den Punkt.
Batteriepass erfordert einheitliche Standards
Für den Prototyp mussten sich die fünf federführenden Partner zunächst auf Catena-X-Standards einigen, „Standards in ganz grundlegender Hinsicht“, so der Projektmanager. Wenn ein Unternehmen zum Beispiel den CO2-Fußabdruck eines Materials oder Bauteils nennt, ist diese Angabe eben nicht automatisch mit der Angabe eines anderen Unternehmens zu vergleichen. So kann etwa die Regulatorik für die Ermittlung verschieden sein. Die Projektpartner haben für eine Vereinheitlichung bei solchen Fragen auch in der Industrie verfügbare Daten und Regelwerke genutzt, die zum Beispiel Organisationen wie die Global Battery Alliance bereitstellen oder die von der Automobilindustrie ins Leben gerufene Materialdatenbank IMDS.
„Natürlich muss für den Batteriepass jedes Unternehmen zunächst seine Hausaufgaben gemacht haben, wie zum Beispiel die CO2-Werte seiner Produkte zu berechnen oder Maßnahmen zur Erhebung und Bereitstellung von Daten eingeleitet haben, um sich dann über Catena-X anbinden zu können“, so Kassack. BMW hat hierfür mit den Partnern einen Leitfaden und technische Hilfestellungen erarbeitet. Darin sind die Datenformate geregelt, Workflows und die erforderliche Datenqualität. „Zulieferer können das dann inhouse umsetzen oder mit der Unterstützung durch IT-Dienstleister“, sagt Kassack.
Technische Umsetzung für jede IT-Anforderung möglich
Der Projektpartner Siemens versteht sich im Catena-X-Projekt als ein solcher Möglichmacher. „Die Spanne der Möglichkeiten reicht bei Produktpässen von einer Bereitstellung der Batteriepasslösung als Software-as-a-Service aus der Cloud bis zur tiefen Integration in die eigene IT-Infrastruktur“, sagt Maximilian Weinhold, Chief Product Owner Digital Battery Passport. Im ersteren Fall bekommt ein Zulieferer Zugang zur Batteriepassplattform in der Cloud. Siemens kümmert sich dann um Sicherheit, Wartung und Pflege der Software. Das andere Extrem ist die Bereitstellung der Batteriepass-Applikation als Container, um sie in die eigene Systemwelt nach eigenen Compliance- und Security-Vorgaben einzubetten. „Die Applikation wird dann über APIs über die Bestandssysteme gesteuert, man muss sich also an keine neue Nutzeroberfläche gewöhnen.“ Eines ist jedoch gleich: Die Datensouveränität, ein wichtiges Gut, ist in beiden Fällen sichergestellt.
Siemens ist beim Batteriepass in einer Doppelrolle
Das Unternehmen versteht sich als Lösungsanbieter im Cantena-X-Datenökosystem und ganz allgemein als Anbieter für digitale Nachhaltigkeitslösungen, ist zugleich aber selbst Inverkehrbringer von Hochvoltbatterien: bei Elektrozügen zum Beispiel und für Siemens Energy bei Systemen zur Stabilisierung des Stromnetzes. „Wir zeigen mit unseren Catena-X-Leuchtturmprojekten, wie sich die Batteriepasspflicht erfüllen lässt“, sagt Weinhold. „Unser gemeinsames Ziel ist die Schaffung industrieweit skalierbarer Produktpasslösungen.“
Catena-X: Anbindung bei allen OEMs identisch
Der Vorteil durch Catena-X für die Zulieferer sei dabei eindeutig, so Weinhold: „Einmal realisiert, passt es bei jedem OEM, der Teil des Datenökosystems ist – egal ob die Batteriepasslösung im Haus, in der Cloud oder als Hybrid läuft.“ Die Batteriepasslösung von BMW ist weit fortgeschritten. „Einige unserer Partner entlang der Lieferkette sind bereits operativ über Catena-X angebunden, tauschen schon Daten aus, andere befinden sich im Onboarding“, sagt Kassack. Ziel sei es, den Datenaustausch über die gesamte Lieferkette abzubilden – bis zurück zum Rohstoffabbau. Natürlich sind die eigenen Lieferketten der Zulieferer und Projektpartner BASF, CATL und Henkel für BMW dabei nicht transparent – das würde ja gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen. 2025 will der Automobilhersteller den Demonstrator nun skalieren. BMW erwartet laut internen Schätzungen durch die Batteriepasslösung Einsparungen im Millionenbereich gegenüber bilateralen Lösungen.
Der Wettbewerbsgedanke muss zurückgestellt werden
Weinhold betont, dass der digitale Batteriepass nicht nur dabei hilft, regulatorische Vorgaben umzusetzen, er liefere echte Mehrwerte: Bald werde es den Fahrzeugpass geben, um die Gesamtnachhaltigkeit eines Autos transparent zu belegen. „Davon wird der Batteriepass ein Bestandteil sein, genauso wie es Pässe für Textilien, für Elektronikkomponenten oder für die Reifen geben wird. Die Pässe werden miteinander verzahnt sein.“ Der Catena-X-Batteriepass sei so gesehen also nur die erste Implementierung – bei der man viel Erfahrung sammle.
Unerlässlich, da sind sich Weinhold und Kassack einig, war für das Projekt eine neue Form der Zusammenarbeit über Unternehmensgrenzen hinweg. „Denn die Anforderungen für mehr Nachhaltigkeit löst niemand allein“, sagt Kassack. Weinhold beschreibt diese Zusammenarbeit so: „Man muss mehr hineingeben, als man herausbekommen möchte, den wettbewerblichen Gedanken zurückstellen.“ Zudem seien gleiches Mindset und Lernbereitschaft nötig, man müsse bereit sein, Themen anders anzugehen. „Und dann war es manchmal auch einfach nötig, Entscheidungen auf dem kurzen Dienstweg zu treffen, obwohl alle Beteiligten in Konzernstrukturen eingebunden sind“, so Weinhold. Die Projektzusammenarbeit habe sich dadurch eher wie die Arbeit bei einem Start-up angefühlt.