FABRIC Track 2

Qualcomm hat Fahrzeuge mit dynamischer Ladetechnik ausgestattet und absolviert Testfahrten auf einem Panzerübungsgelände bei Versailles.

Rare Ladesäulen und umständliches Gefuchtel mit dem Stromkabel bei Wind und Wetter zählen zu Faktoren, die der Elektromobilität Schwung rauben. Die Hoffnung ruht auf direktem, induktivem Laden – am besten dynamisch, während der Fahrt. „Das kontaktlose Laden hat das Potenzial, der Elektromobilität einen neuen Schub zu geben“, lässt Björn Elias, Projektleiter Elektromobilität bei Audi, wissen. Praktisch jeder große Hersteller arbeitet daran und bringt bald erste Lösungen auf die Straße. Auf der Rennstrecke ist der Fortschritt schon sichtbar. In der Formel E sind induktiv geladene Unterstützungsfahrzeuge der i-Reihe von BMW unterwegs. „Wenn ein Unfall passiert, kann der Fahrer des Safety-Cars nicht erst langatmig den Ladestecker ziehen und dann erst losfahren“, meint Thomas Nindl, Direktor des Business Development in der Münchner Qualcomm-Niederlassung. Qualcomm hat die Fahrzeuge mit seiner induktiven Ladetechnik namens „Halo“ ausgestattet. Die Technik ist simpel: In einer Spule erzeugt elektrischer Wechselstrom ein pulsierendes Magnetfeld, das Wechselspannung in einer zweiten Spule im Unterboden des Autos induziert, die von der Bordelektronik in Gleichstrom verwandelt wird.

Und das klappt auch während der Fahrt, wie Tests von Qualcomm auf einer 100 Meter langen Strecke auf einem Panzerübungsgelände bei Versailles zeigen. Dazu wurden 56 Spulenmodule samt Elektronik in den Boden eingelassen. Sie übertragen 20 kW Leistung, wenn ein Auto darüberfährt. „Es muss sich gar nicht spurgenau über die Spulen bewegen, eine Abweichung von zehn Zentimetern sind okay“, berichtet Nindl, „Außerdem können zwei Stromer, die im Abstand von 50 Metern hintereinanderfahren, geladen werden.“

Nindl kann sich vorstellen, dass künftig in der Formel E eine induktive Service-Lane eingeführt wird, auf der die Renner für die letzten Runden Energie nachtanken können. Derzeit wird noch mit zwei Boliden gefahren, weil eine Batterieladung nicht für ein gesamtes Rennen reicht. „Ein Einsatz des induktiven Ladens in der Formel E könnte perspektivisch ein Thema sein, wird aber nicht kurzfristig umgesetzt“, erklärt Silvia Saporetti, Sprecherin Motorsport bei Audi und verweist darauf, dass sich aktuell in den Hybrid-Varianten des Audi A8 induktive Ladetechnik finde.

Sportlich in Sachen dynamischem Laden sind auch Fraunhofer-Forscher unterwegs: Sie haben einen babyblauen Artega elektrifiziert und im Unterboden eine Sekundärspule verbaut. Sie saugt aus einer 25 Meter langen Teststrecke im emsländischen Lathen im Millisekunden-Takt Strom aus Spulen in der Fahrbahn. Auch wenn das Team um Professor Matthias Busse mit dem Anspruch angetreten ist, dass „Elektromobilität Spaß machen muss“, haben die Wissenschaftler des Fraunhofer IFAM das Ganze im Blick: Mit diesem Konzept könnten alle Fahrzeuge während der Fahrt tanken. „Ein 40-Tonner könnte so die Kasseler Berge hochfahren und auf der Bergabfahrt über die Bremsenergierückgewinnung Strom in die Straße zurückspeisen“, erklärt Busse. Er sieht weitere Vorteile: Induktionsspulen seien kaum anfällig für Vandalismus und Diebstahl, vor allem könnten die Batteriekapazitäten in den Autos klein gehalten werden. So weit so gut. Doch die Kosten für die Infrastruktur sind immens, so dass man bei Qualcomm lieber dazu schweigt. Es kursieren Werte von 8.000 Euro für ein zwei Meter langes Bodenelement.

Neben Anwendungen in der Formel E sieht Nindl daher erste Schritte für dynamisches Laden an Taxiständen, wo die Droschken beim Nachrücken Saft auf dem Boden saugen können, an stauträchtigen Kreuzungen oder vor Bahnschranken. Taxi-Unternehmen und Autobahnbetreiber hätten bei Qualcomm bereits Interesse bekundet. Nindl ist sich jedenfalls sicher: „Induktives Laden wird konduktives künftig überrollen.“

Autor: Chris Löwer

Bilder: Qualcomm

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