Es ist erst ein paar Jahre her, da ging zumindest in Europa fast nichts über einen Dieselmotor. Vom Volkswagen-Konzern und speziell dem TDI-Label zum Dynamiker gemacht, war es seit den 90er Jahren schick, schnell und hoch effizient, einen Dieselmotor unter der Motorhaube zu bewegen. Die einst so lahmen Vorkammerselbstzünder, die sich auf Autobahnen lange Anstiege im Kriechgang heraufrobbten, waren vergessen. Effizienter als mit einem Commonraildiesel konnte man gerade in einem größeren Fahrzeug nicht unterwegs sein. Direkteinspritzung, mannigfaltige Aufladungen, Abgasnachbehandlung – mehr als zwei Jahrzehnte floss bei einigen Autoherstellern mehr Geld in die Entwicklung neuer Hightech-Diesel als in die der Benziner.

Doch mit dem Dieselskandal war es mit Herrlichkeit der Eigenzünder vorbei. Der zunehmende Druck der Politik sorgte dafür, dass nicht nur die Diesel, sondern auch die Benziner nicht mehr die Lieblinge der vereinten Autonationen waren, sondern es mittelfristig nur ein Ziel geben soll: Stromer. Elektro war durch Anbieter wie Tesla über Nacht beinahe so sexy geworden wie das neue iPhone. Seit zwei bis drei Jahren steht fest, dass die Verbrenner nur noch eine überschaubare Halbwertzeit haben. So stellt sich die Frage, wie lange es sich noch lohnt, einen Verbrenner zu kaufen? Schließlich haben einige Länder bereits entschieden, Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor ab dem Jahre 2030 die Luft abzudrehen oder zumindest die Einfahrt in Citybereiche zu reglementieren.

Euro 7 könnte Kleinfahrzeuge vom Markt fegen

Zuletzt brachte der bayrische Ministerpräsident Markus Schröder ein Verbot für Verbrennungsmotoren ins Gespräch und stieß damit ins gleiche Horn wie Dirk Messner, aktuell Chef des Umweltbundesamtes. Beide folgen damit dem Ökobundesstaat Kalifornien, der ab dem Jahre 2035 nur noch Fahrzeuge ohne Verbrennungsmotor für den Straßenverkehr zulassen will. Frankreich will ebenso wie Kanada 2040 aussteigen, Großbritannien bereits 2035 und die Niederlande gar schon 2030. Ähnlich sieht es in Irland, Schweden oder Dänemark aus, die alle in rund zehn Jahren die Verbrenner aussperren wollen. Doch es geht nicht um die Verbote allein, denn die Abgasvorschriften sind so hart, dass bereits zahlreiche Kleinwagen gestrichen wurden. Wenn Mitte der 2020er Jahre die derzeit in der Diskussion befindlichen Vorgaben der Euro-7-Einstufung kommen sollten, wird nicht nur vielen Dieselmodellen die Luft ausgehen. Gerade für viele kleinere Fahrzeuge ist die Abgasnachbehandlung inklusiv 48-Volt-Bordnetz oder einem Plug-In-Modul zu teuer. Sie werden verschwinden.

Andreas Radics, geschäftsführender Partner der Analysten von Berylls: „Würden bereits heute die weltweit angekündigten oder zur Diskussion stehenden Verkaufsverbote oder Restriktionen für den Betrieb von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor gelten, wären 41,6 Millionen Einheiten oder 46 Prozent vom aktuellen globalen Absatzvolumen betroffen.“ Mit allein 24,6 Millionen Fahrzeugen würde China als der größte Automarkt der Welt mehr als die Hälfte der Fahrzeuge einbringen. Ein Datum für den sogenannten Car Ban China ist jedoch offener denn je. Wenn China allerdings ein Verbot ausspricht und sich komplett für den Umstieg auf elektrische Mobilität entscheiden sollte, müssen die Autohersteller bereit sein, den Schalter auf die Elektromobilität umzulegen. Auch die Europäische Union arbeitet seit längerem daran, ein Datum zu finden, an dem Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor nicht mehr zugelassen werden sollen. Gerade für die südeuropäischen Staaten – finanziell durch die Coronakrise angeschlagener denn je – dürfte ein Umstieg auf reine Elektroautos in den nächsten 10 bis 15 Jahren schwierig werden.

Synthetische Kraftstoffe haben keine Lobby

Bleibt die Frage, ob ein Verbot für alle neuen Verbrennungsmotoren gilt oder nur für solche, die mit fossilen Kraftstoffen betankt werden. Weltweit werden die Forderungen nach künstlichen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels, lauter. Politisch haben diese jedoch kaum eine Lobby und stehen daher seit Jahren auf dem Abstellgleis. Wer sich aktuell für ein neues Auto entscheidet, sollte sich gut überlegen, über welche Antriebsart es verfügen soll. Diesel lohnen nur für Vielfahrer und speziell für solche von großen und schweren Autos. Auf einem Markt wie Deutschland bestimmt aktuell jedoch die Politik den Markt, denn die Subventionen von zum Teil über 9.000 Euro führen dazu, dass selbst Autokäufer sich für Elektroautos entscheiden, die sonst nicht im Traum daran dachten.

Wer meint, dass es mit dem Sprung ins kalte Elektrobecken noch etwas zu früh ist, erwärmt sich schnell für die Zwitterlösung des Plug-In-Hybriden. „Bei uns war im September jeder dritte neu zugelassene Golf ein GTE“, sagt Ralf Brandstetter, Vorstandsvorsitzender der Marke Volkswagen, zufrieden. Bei den anderen Marken – egal ob Premium oder Volumen – sieht es kaum anders aus. Da kommt es vielen gerade Recht, dass die hohen Subventionen wohl noch bis 2025 gezahlt werden sollen. Auswirkungen hat das Ganze nicht allein für die Neufahrzeuge, sondern auch auf den Gebrauchtwagenmarkt. Lassen sich Dieselfahrzeuge in drei bis fünf Jahren überhaupt noch wertgerecht verkaufen und wie sieht es mit normalen Benzinern aus, wenn man damit vielleicht in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts nicht mehr in Citybereichen einkehren darf?

Elektroautos stellen noch lange die Minderheit

Bis zum Ende des Jahres werden nach Berechnung der Managementberatung Horváth & Partners in über 370.000 Elektroautos auf deutschen Straßen fahren. Im kommenden Jahr sollen nochmals 200.000 Fahrzeuge dazukommen. „Die Verbreitung von E-Autos erfolgt nun endlich mit der notwendigen Dynamik, unter anderem getrieben von der Corona-Krise“, sagt Oliver Greiner, Studienleiter bei Horváth & Partners. Im internationalen Vergleich hat sich Deutschland mittlerweile auf den dritten Platz hinter China und den USA bei Neuzulassungen von elektrifizierten Autos emporgearbeitet.

Die deutschen Neuzulassungen haben sich seit 2017 verdoppelt und lagen 2019 bei knapp 110.000. China und USA liegen als weit größere Absatzmärkte an der Spitze, vermelden allerdings 2019 rückläufige Tendenzen. Doch auch wenn die Anteile deutlich steigen und die Zuwächse beachtlich sind, bleibt der Anteil der stromangetriebenen Autos unter dem Strich vergleichsweise gering. Nach Berechnungen der Experten von Horváth würde bei einem angenommenen Pkw-Bestand in Deutschland von rund 45 Millionen Fahrzeugen im Jahre 2022 Elektroautos gerade einmal zwei Prozent ausmachen. Zum Dekadenwechsel im Jahre 2030 wären es demnach zwischen 15 und 20 Prozent.

Reichweitenangst wird zunehmend geringer

Vieles dreht sich um die Ladeinfrastruktur. Die Anzahl der öffentlichen Ladepunkte ist 2019 in Deutschland auf 24.000 gestiegen. Das entspricht einem deutlichen Plus von 49 Prozent zum Vorjahr. Bereits 2018 konnte mit 48 Prozent ein ähnlich hoher prozentualer Zuwachs verzeichnet werden. Doch auch die Reichweitenentwicklung hat erneut einen großen Schritt nach vorne gemacht. Viele Autokäufer hatten bisher Angst, dass die Reichweite des Elektroautos speziell im Winter nicht reichen würde. „Reichweiten über das enge urbane Umfeld hinaus sind für Kunden nach wie vor ein wichtiger Faktor“, sagt Oliver Greiner von Horváth & Partners, „2020 wird ein Schlüsseljahr für die Elektromobilität in Deutschland.“

Die durchschnittliche Reichweite aller 2019 verkauften Elektrofahrzeuge lag nach entsprechenden Herstellerangaben bei etwa 325 Kilometern. 2018 waren es gerade einmal 267 Kilometer. Unter 300 Kilometern wird abseits von Kleinwagen wie dem Mini Cooper SE oder einem Honda E kaum mehr etwas angeboten. Die meisten Elektroautos locken mit Reichweiten von mehr als 400 Kilometern und die Plug-In-Hybriden müssen ab Anfang 2022 ohnehin mindestens 60 Kilometer rein elektrisch fahren, um als solche anerkannt zu werden. Erste Plug-In-Hybriden schaffen bereits rund 100 Kilometern. Wer nicht sicher ist, ob ein Elektroauto wirklich das richtige ist, sollte eines mehrere Tage ausprobieren. Dann merkt man schnell, ob Benziner, Plug-In-Hybrid oder Elektroauto – oder eben doch ein Diesel.

Sie möchten gerne weiterlesen?