Noch ist massive Rechnerpower an Bord nötig, die die Informationen aus dem wild wuchernden Hardware-Wust verarbeitet, um Autos vollautonom fahren zu lassen. Der Aufwand ist immens, die Technik schluckt Platz, erhöht das Fahrzeuggewicht und ist vor allem: teuer. Zuverlässigkeit hat eben ihren Preis. Doch endlos kann das Spiel nicht weitergetrieben werden. Statt immer schärfer mit Hardware aufzurüsten, müssten selbstfahrende Fahrzeuge intelligenter und damit intuitiver unterwegs sein. Daran arbeitet eine Forschergruppe rund um Nissan, Hitachi und der Universität Leeds.
Nick Blake, Innovationschef von Hitachi Europe, möchte den „Hardwareorgien rund ums autonome Auto“ ein Ende bereiten. Mit künstlicher Intelligenz. Sinnigerweise nennt sich das Projekt der Forscher Human Drive. Ziel ist es, autonome Autos möglichst menschlich-intuitiv fahren zu lassen. Nicht jede denkbare Eventualität im Straßenverkehr soll durch Algorithmen abgebildet werden, was ohnehin unmöglich ist, sondern die Software soll schnell und richtig selbst entscheiden, was zu tun ist: Etwa, wenn ein betrunkener E-Scooter-Fahrer den Weg kreuzt oder sich unerwartet ein tiefes Schlagloch in der Fahrbahn auftut.
Die Forscher und Entwickler sind auf gutem Weg: „Im Rahmen des Human Drive Projekts haben wir ein autonomes Fahrzeug entwickelt, das die Herausforderungen auf britischen Straßen bewältigen kann, die in diesem Teil der Welt einzigartig sind“, berichtet Bob Bateman, Projektleiter des Nissan Technical Centre Europe, „Hierzu gehören komplexe Kreisverkehre genauso wie Hochgeschwindigkeits- und Landstraßen ohne Straßenmarkierungen, weiße Linien oder Bordsteine.“
So hat Nissan bereits sein Elektroauto Leaf 370 Kilometer vollautonom durch Großbritannien fahren lassen, ohne dass es auch in verzwickten Situationen zu Störfällen gekommen wäre. Der vollautonome Leaf zirkelte nicht nur präzise durch Kreisverkehre, er umschiffte dabei auch Hindernisse. Sicher: Der Wagen war immer noch bis unter den Dachhimmel mit Hardware vollgestopft. So weit war das Machine Learning logischerweise nach 30-monatiger Lernarbeit noch nicht gediehen, um sich vollends auf die Entscheidungen der Software verlassen zu können. Doch das soll sich ändern. Mit jedem Kilometer lernt die künstliche Intelligenz hinzu, bekommt ein 'Gefühl' für Gefahren und Verhaltensweisen anderer Verkehrsteilnehmer.
Zentimetergenaue Karten, eine allumfassende Sensorik oder auch ein Hochleistungs-GPS wären künftig verzichtbar, weil die KI aus wesentlich weniger Umfeld- und Positionsinformationen die richtigen Schlüsse ziehen kann, so dass der Wagen sicher zum Ziel kommt. Echtzeitdaten und Kartenmaterial aus der Cloud, die per 5G ins Fahrzeug kommen, könnten künftig genügen.
Die Entwickler arbeiten daran, dass die KI im Fahrzeug typisches Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer lernt und vorausahnen kann. Eben auch Fehlverhalten, etwa, wenn ein Vorausfahrender ohne zu blinken plötzlich abbiegt – leichte Lenkbewegungen und eine kaum merklich verringerte Geschwindigkeit deuten darauf hin.
Fortschritte auf diesem Feld sind unerlässlich, um autonomes Fahren auf Level 5 zu ermöglichen – auf der schnurgeraden Autobahn kein Problem, doch im Chaos verstopfter Städte schon.