Wer schon einmal umgezogen ist, kennt das: Wenn man nicht vorher aussortiert, sorgsam plant und das Gesamte im Blick behält, wird man eine chaotische, nervenaufreibende Zeit erleben. Markus Brunner, Leiter des Cloud-Transformation-Programms bei BMW, vergleicht daher gern einen Wohnungsumzug mit dem Wechsel von der eigenen IT-Infrastruktur auf Cloud-Lösungen.
„Man sollte die Phase des Umzuges kurz halten. Entweder man bleibt, wo man ist, oder man gibt Gas“, bildet Brunner eine weitere Analogie. Und diese passt ziemlich gut zu dem bayerischen Autobauer. Nicht nur weil der etwas von Geschwindigkeit versteht, sondern auch von Cloud-Transformation. Mit dem hauseigenen Programm F.IT.4.Cloud sollen bis Ende 2028 rund 90 Prozent der gesamten IT in die Cloud umgezogen sein. Die restlichen zehn Prozent verbleiben aus Latenzgründen on-premises, also auf lokal betriebenen Datencentern. Ein Drittel des Weges, der 2019 eingeschlagen wurde, ist bereits geschafft.
Vor der Cloud-Migration steht die Bestandsaufnahme
Ein wesentlicher Trick, weshalb das zügig klappt: „Wie bei jedem gelungenen Umzug haben wir vorher im Keller aufgeräumt“, sagt Brunner. Sprich: „Wir migrieren nicht mit allen Applikationen in die Cloud und räumen dann erst auf.“ Das dauert nicht nur, es ist auch unnötig teuer. „Wir schauen uns alle Workloads genau an, entscheiden, was wo benötigt wird und was nicht“, erklärt Brunner.
Dabei setzt BMW auf Diversifizierung. Der Autobauer verfolgt vom ersten Tag an bewusst eine Multi-Cloud-Strategie. Durch die Nutzung verschiedener Anbieter soll der sogenannte Vendor Lock-in vermieden werden, was laut den Managementberatern von KPMG hierzulande fast jedes dritte Unternehmen so hält, um flexibel zu bleiben. Multi-Cloud-Computing mag nicht nur strategische und wirtschaftliche Vorteile bringen, es macht auch die gesamte IT resilienter. Was für Peter Eibofner, Datenmanager im BMW Cloud-Transformation-Programm, ein weiteres gewichtiges Argument ist, das Datenmanagement in die Hände großer Provider zu legen. „Es geht nicht vorrangig darum, Kosten zu sparen, sondern vor allem darum, die Time-to-Market neuer Anwendungen, Automatisierung und Skalierungsfähigkeit voranzutreiben“, betont Eibofner.
Hyperscaler garantieren Flexibilität und Sicherheit
Einfaches Beispiel: BMW muss nicht über das ganze Jahr hinweg eigene große Serverkapazitäten vorhalten, nur weil Kunden zur Black Week im November für eine Woche im hauseigenen BMW ConnectedDrive Store auf Shopping-Tour gehen. Über die Hyperscaler erfolgt das bedarfsgerecht schnell und solide. Ganz zu schweigen von dem Plus an Cybersecurity, in das Cloud-Dienstleister ungeheure Kapazitäten stecken, so dass sie wie kaum jemand sonst rasch auf neue Bedrohungen reagieren können. Brunner spricht von einem „massiv erhöhten Grundschutz“.
Angesichts der großen Datenmengen, die bei dem Hersteller täglich anfallen, ist die Migration in die Cloud fast zwingend, wenn man nicht Unsummen in den Bau und Betrieb eigener Rechenzentren investieren möchte. Abgesehen davon bleibt der OEM im Vergleich zur Nutzung einer On-Premises-Lösung flexibel, weil ja ebenso abwärts skaliert werden kann, wenn in einem Bereich zeitweise keine großen Kapazitäten benötigt werden sollten.
Cloud dienst als Enabler neuer Anwendungen
Umgekehrt macht die Cloud bestimmte Anwendungen erst möglich, wie die rasche Entwicklung neuer Fahrerassistenzsysteme und künftige Generative-AI-Anwendungen. Somit werden über die Cloud Innovationen für sämtliche Geschäftsbereiche wie Finanzen, Teileversorgung, Lagerhaltung, Logistik, Vertrieb und Produktion entwickelt. Ein spezieller Fokus liegt dabei auf den IT-Systemen der Produktionsstandorte. Dort sei bei cloudbasierten Lösungen schon heute eine höhere Verfügbarkeit und Resilienz spürbar. Essenziell für eine erfolgreiche Cloud-Transformation sei, dass hierbei eine übergreifende Strategie und nicht alleine eine aus IT-Sicht entworfen werde, rät Brunner: „Es gibt bei uns nicht ein großes Cloud-Programm, sondern eine umfassende Strategie, bei der unternehmensweite Modernisierung und Digitalisierung ineinandergreifen und ausbalanciert werden müssen“, unterstreicht der Experte.
Die IT darf keine Alleingänge wagen
Heißt auch: Alle Beteiligten müssen mit ins Boot geholt werden. Für Brunner ist das die Grundvoraussetzung: „Die IT sollte nicht alleine agieren, sondern alle im Unternehmen mitnehmen.“ Erklären, Effekte aufzeigen und Fähigkeiten entwickeln – darauf kommt es an. BMW setzt deshalb auf konzernweite Cloud-Trainings für Mitarbeiter. Während das anfangs noch Hyperscaler übernahmen, ist das eigene Knowhow mittlerweile derart angewachsen, dass das inhouse geschieht.
Natürlich muss auch der Vorstand hinter der Transformation stehen und diese unterstützen. „Wie bei jedem großen Change-Management-Prozess braucht es volle Unterstützung und Multiplikatoren“, unterstreicht der Leiter des Cloud-Transformation-Programms. Ungeduld ist ebenfalls nicht angezeigt, denn der Prozess sei komplex und benötige Zeit.
Ach ja, und natürlich das: „Eine gute Datenbasis ist wichtig“, ergänzt Eibofner. Daten aufbereiten, schauen, was man braucht, was nicht, welche Anwendungen nötig sind, welche veraltet. Sprich: Aufräumen nicht vergessen!