Modularität, OTA-Updates, Interoperabilität, Skalierbarkeit – das SDV eröffnet neue Geschäftsmodelle und Wettbewerbsvorteile für OEMs.(Bild: Adobe Stock / Catsby_Art)
Software-Defined Vehicles verändern die urbane Mobilität grundlegend. Modularität, OTA-Updates und Echtzeitkommunikation machen das Fahrzeug zum digitalen Akteur. Wie Hersteller davon profitieren können.
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Die urbane Mobilität von morgen beginnt nicht am Bordcomputer – sie beginnt in der Fahrzeugarchitektur. Stellen Sie sich ein Fahrzeug vor, das beim Einfahren in ein Parkhaus nicht nur die Schranke erkennt, sondern auch automatisch einen digitalen Parkschein löst – ohne App, ohne Display, ohne Nutzerinteraktion. Was heute wie ein Komfortfeature klingt, wird in naher Zukunft zur Standardfunktion. Denn urbane Mobilität verlangt nach Fahrzeugen, die sich nicht nur vernetzen, sondern selbstständig handeln können. Im Zentrum dieser Entwicklung steht das Software-Defined Vehicle (SDV): Ein Konzept, das weit über reine Software hinausgeht und die gesamte Fahrzeugarchitektur neu definiert.
Architektur neu gedacht: Modular und flexibel
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Ein SDV basiert auf einer zentralisierten, modularen Softwarearchitektur. Die Idee: Funktionen werden nicht mehr fest in Steuergeräte gegossen, sondern über zentrale Hochleistungsrechner verwaltet. So lassen sich digitale Dienste flexibel ergänzen, ohne bestehende Systeme zu stören. Entscheidend ist dabei die klare Trennung von sicherheitskritischen Funktionen wie Lenkung oder Bremsen und digitalen Mobilitätsdiensten wie Parken oder Bezahlen. Während sicherheitsrelevante Komponenten umfangreiche Tests und Zertifizierungen durchlaufen, müssen andere Dienste kurzfristig anpassbar bleiben, etwa bei der Integration eines neuen städtischen Parksystems.
SDV heißt: Architektur trifft Agilität
Die Herausforderung: OEMs müssen komplexe, vernetzte Systeme so gestalten, dass sie gleichzeitig sicher, flexibel und zukunftsfähig bleiben. PTC unterstützt OEMs mit integrierten Lösungen aus ALM, PLM und MBSE dabei, diese Anforderungen systemisch umzusetzen. Application Lifecycle Management (ALM) spielt dabei eine zentrale Rolle. Es ermöglicht paralleles Arbeiten an Softwaremodulen, orchestriert Updates und gewährleistet die Rückverfolgbarkeit über den gesamten Lebenszyklus. Damit wird das Fahrzeug zur agilen Plattform – ein Update kann Funktionen ändern, ohne das Gesamtsystem zu beeinträchtigen.
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Keyfacts zum SDV
SDV auf einen Blick:
Modularität: Funktionen als flexible Softwaremodule statt starrer Steuergeräte
OTA-Updates: Neue Features per Fernwartung, ohne Werkstattbesuch
Digital Thread: Kontinuierlicher Datenfluss über den gesamten Lebenszyklus
Interoperabilität: Kommunikation mit Infrastruktur, Cloud & Partnern
Skalierbarkeit: Architektur für Millionen Fahrzeuge und internationale Märkte
Vernetzt denken, lokal handeln
Ein SDV ist mehr als ein „rollendes Smartphone“. Es ist ein vollwertiger Knotenpunkt im urbanen IoT-Netzwerk. Technologien wie Vehicle-to-Everything (V2X) sorgen dafür, dass Fahrzeuge in Echtzeit mit Ampeln, Parksystemen oder Ladesäulen kommunizieren. Die dafür notwendige E/E-Architektur muss flexibel, skalierbar und sicher sein. Lokale Interaktionen dürfen das Gesamtsystem nicht stören. Ein intelligentes Event-Management entscheidet, welche Signale welche Reaktion auslösen – immer im Kontext der aktuellen Umgebung.
Vermittlungsschicht zwischen Fahrzeug und Stadt
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Damit Fahrzeuge wirklich mit der Infrastruktur kommunizieren können, braucht es digitale Plattformen, die als Vermittler agieren. IoT-Plattformen verknüpfen Fahrzeuge mit Cloud-Diensten und urbanen Datenquellen – von Verkehrsleitsystemen bis zur Ladeinfrastruktur. Updates erfolgen Over-the-Air, neue Städte oder Anbieter lassen sich schnell einbinden. Die Voraussetzung: eine modulare, serviceorientierte Softwarearchitektur. Nur so lassen sich einzelne Komponenten gezielt aktualisieren, ohne das System zu destabilisieren.
Digital Thread wird zum Intelligent Product Lifecycle
Ein SDV ist nur dann nachhaltig betreibbar, wenn alle Akteure auf denselben Datenstand zugreifen. Der Digital Thread, bei PTC auch als Intelligent Product Lifecycle bekannt, schafft genau das: eine durchgängige Verbindung aller Daten über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg. Vom digitalen Zwilling in der Entwicklung über die Produktion bis hin zu Betrieb und Wartung – jede Phase speist sich aus demselben Datenmodell. So „weiß“ das Fahrzeug nicht nur, welche Softwareversion es nutzt, sondern auch, welche Zertifikate in welcher Region gelten und welche Dienste bereits getestet sind.
Das reduziert Fehler, beschleunigt Rollouts und eröffnet neue Potenziale im After-Sales: OEMs können gezielt Zusatzfunktionen ausspielen, etwa dynamische Parkassistenz in besonders komplexen Städten.
„Software-Defined Vehicles verändern nicht nur das Fahrzeug – sie verändern die gesamte Logik der Fahrzeugentwicklung.“
Michele Del Mondo, Senor Director Global Advisor Automotive, PTC
Skalierung und Interoperabilität als Schlüsselfaktoren
Eine Software-Architektur für SDV muss in Millionen Fahrzeugen und Städten funktionieren. Die größte Herausforderung ist dabei nicht die technische Umsetzung, sondern die Skalierung und Interoperabilität. Offene Schnittstellen, Middleware-Konzepte und standardisierte APIs sind essenziell, um Systeme schnell ausrollen zu können, und zwar über Marken- und Landesgrenzen hinweg. Nur wer diese Offenheit frühzeitig einplant, kann den Integrationsaufwand langfristig minimieren.
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Wettbewerbsvorteile durch Plattformstrategien
Der Wandel zum SDV betrifft nicht nur die IT, er verändert die gesamte Produktstrategie. Hersteller müssen entscheiden, welche Funktionen sie standardisieren und wo Differenzierung den Markterfolg ausmacht. Integrierte Lösungen aus ALM, PLM und MBSE ermöglichen es, Softwarearchitekturen so aufzubauen, dass Wiederverwendung und Variantenmanagement Hand in Hand gehen. Die Kombination aus modularer Plattform, intelligenter Datenintegration und flexiblen Update-Mechanismen ist der Schlüssel, um im Wettbewerb die Nase vorn zu behalten.
Die Zukunft gehört Fahrzeugen, die nicht nur fahren, sondern denken, lernen und kommunizieren. Software-Defined Vehicles sind die logische Konsequenz dieser Entwicklung, aber ihr Potenzial entfaltet sich nur, wenn Architektur, Prozesse und Systeme darauf vorbereitet sind. Wer jetzt in modulare, skalierbare und interoperable Softwareplattformen investiert, schafft die Grundlage für ein neues Mobilitätsverständnis.
Über den Autor: Michele Del Mondo
(Bild: PTC)
Michele Del Mondo startete seine Karriere nach dem Maschinenbaustudium 1994 am Steinbeis-Transferzentrum in Karlsruhe. 1997 wechselte er zu Webasto SE und leitete die Einführung eines unternehmensweiten PLM-Systems. Später übernahm er als Director Sales die Verantwortung für den globalen Vertrieb für die Mercedes Car Group. Seit 2011 ist er bei PTC tätig und verantwortet als Global Advisor Automotive das weltweite Automotive Business.