Insgesamt fünf Stellhebel hat Katrin Lehmann für den Erfolg der eigenen IT im Unternehmen ausgemacht, die gleichzeitig den Fokus ihrer Agenda bilden. Unter anderem gelte es, mit Rock-Solid Operations zu punkten: Man müsse häufiger einen Blick auf die grundlegenden Systeme im Unternehmen werfen, um den Überblick zu behalten und weitere Lösungen auf ein solides Fundament zu stellen, so die Mercedes-IT-Chefin. Insbesondere dort, wo Systeme oder Prozesse drohen, zu komplex oder intransparent werden, lohne es einen intensiven Blick zu riskieren. Zu Beginn ihrer Karriere an der Spitze der Mercedes-IT rief Lehmann daher „Kehrwochen“ in der eigenen Abteilung aus. Mit spielerischen oder kompetitiven Elementen habe man es geschafft, etwa Doppelkapazitäten zu entdecken und Ordnung in Infrastruktur- oder Prozessgrundlagen zu bringen. Der zweite Stellhebel, die radikale Standardisierung, setze hierauf auf. Um Prozesse und Systeme zu standardisieren, brauche es zunächst einmal Transparenz über die entsprechenden Elemente. Eine weitere Säule der IT-Strategie sei der Bereich End-to-End Business Product, so Lehmann weiter. Konkret gehe es hier um den Aufbau einer integrierten Organisation, fachbereichsübergreifenden Kooperationsprozessen und den Weg der agilen Transformation. Vierter Stellhebel seien die eigenen Mitarbeiter, die es zu begeistern gelte, sich im Unternehmen zu engagieren und ihr Wissen miteinander zu teilen.
Das fünfte Ziel von Katrin Lehmann bildet die ambitionierte Maßgabe, Innovationen schnell zu erkennen, zu beherrschen und umzusetzen. „Wir müssen Frontrunner sein für neue Technologien“, so die CIO. Konkret setze man dies etwa über Inkubatoren oder eigene Tech-Hubs um. Beispiel für entsprechende Innovationen seien etwa der Open-Source-Bereich, in dem Mercedes sich engagiert oder der Digital Twin. „Wir entwickeln unsere Autos und unsere Produktionsstätten zuerst digital“, erklärt Lehmann. So sei eine effizientere und schnellere Entwicklung und gleichzeitig ein weniger fehleranfälliger Rollout realisiert worden.
Mercedes setzt KI mit Augenmaß ein
Die zentrale Tech-Innovation, mit der sich die Branche beschäftigen muss, ist natürlich auch bei Mercedes das Thema KI. Erklärtes Ziel der IT sei es hier, jedem Mitarbeiter einen passenden virtuellen Assistenten zur Seite zu stellen, der dessen Effizienz erhöhen und die Arbeit vereinfachen kann. Ein Beispiel für den Aufbau entsprechender Systeme seien etwa digitale Assistenten in der eigenen Produktion, erklärt Katrin Lehmann. Mitarbeiter in den Werken können darüber in natürlicher Sprache etwa auf Fehlermeldungen aus anderen Standorten zurückgreifen und entsprechende Lösungen auch am eigenen Arbeitsplatz implementieren. Aufgrund der sensiblen Daten laufen diese und ähnliche Systeme im abgeschlossenen Rahmen des eigenen Intranets.
Beim Einsatz von KI gelte es jedoch zwei Dinge zu bedenken, erklärt Lehmann. Einerseits müsse man genau prüfen, wo der Einsatz der Systeme Sinn für das Geschäft oder den Kunden mache. „Wenn ich eine Panne auf der Autobahn habe, möchte ich mit einem Menschen sprechen, nicht mit einem Chatbot“, erklärt die IT-Expertin. „Aber der Mitarbeiter, mit dem ich spreche, kann vielleicht einen Chatbot benutzen, um schnell eine Lösung zu finden.“ Andererseits sei eine KI immer nur so gut wie ihre Trainingsdaten: „Wenn wir keine saubere Datenbasis haben, kann eine KI daraus nicht lernen“, erklärt Lehmann – und schließt den Kreis zur Kehrwoche in den eigenen Datensätzen und Systemen.