Im Zeitalter der Software-definierten Fahrzeuge wird der Kampf um die Spitze ständig erneut ausgefochten.(Bild: Adobe Stock / Open Studio)
Etablierte Autobauer müssen sich anstrengen, im Wettlauf um die führenden Positionen als digitale OEMs nicht abgehängt zu werden. Im jährlichen Digital Automaker Index zeigt Beratungsunternehmen Gartner die technologischen Rückstände auf.
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automotiveIT car.summit 2025
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Im Mittelpunkt des Gartner-Indexes steht nicht die klassische Performance eines Autobauers, sondern die strategische und operative Fähigkeit, Software als künftigen Umsatztreiber zu etablieren. Diese Monetarisierung kann in unterschiedlichster Form erfolgen, etwa durch ein verbessertes Nutzererlebnis, durch abonnementbasierte Fahrzeugfunktionen („Functions-on-Demand“) oder durch digitale Dienstleistungen, die über das Fahrzeug hinausreichen.
Gartner untersuchte 24 Automobilhersteller auf Basis von über 14.000 öffentlich zugänglichen Datenpunkten. Bewertet wurden sowohl traditionelle Volumenhersteller als auch neue Marktteilnehmer mit starkem Digitalfokus – darunter Lucid, Rivian, Xiaomi Auto oder Li Auto. Neu in die Bewertung aufgenommen wurden dieses Jahr die beiden zuletzt genannten chinesischen Unternehmen.
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Die Bewertung erfolgt in acht Kategorien, die in zwei Cluster unterteilt werden: Software-first Organization: Aspekte wie Führung, Unternehmenskultur, Talentstrategie oder Online-Vertrieb werden hier berücksichtigt. Das zweite Cluster heißt Software-first Vehicle: Der Reifegrad der Fahrzeugtechnologie – etwa in Bereichen wie E/E-Architektur, Konnektivität, Autonomie oder Tech Experience sind hier relevant. Die hohe Korrelation von 0,88 zwischen beiden Clustern verdeutlicht: Wer intern richtig aufgestellt ist, hat auch technologisch im Fahrzeug die Nase vorn.
Grafiken zum Gartner Digital Automaker Index 2025
Einmal USA, sehr viel China.(Bild: Gartner)
Die Gewinner der einzelnen Kategorien.(Bild: Gartner)
Bei den meisten europäischen Herstellern sehen wir keine wesentlichen Verbesserungen in den Bereichen Kultur, Führung und Talent. Tatsächlich haben einige OEMs sogar Rückschritte gemacht.
Perdro Pacheco, Gartner
Die Sieger: Tesla bleibt vorn, China zieht davon
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Wie schon in den Vorjahren belegt Tesla den Spitzenplatz im Gesamtranking (79,3 %), gefolgt von Nio (76,8 %) und Xiaomi Auto (72,5 %). Letztere sind besonders stark in der Nutzererfahrung, bei KI-gestützten Assistenzsystemen und einer konsequent digitalen Produktentwicklung.
Xiaomi Auto, erst seit 2024 am Markt, gehört bereits zur Spitzengruppe. Möglich machen das nicht nur die Tech-Wurzeln des Mutterkonzerns, sondern auch eine klare strategische Priorisierung von Software, digitale Kompetenz auf Vorstandsebene und eine moderne Architektur der Fahrzeuge.
Hyundai, Stellantis und GM holen auf
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Bemerkenswert ist der Aufstieg von Hyundai-Kia (+33 Prozentpunkte) und Stellantis (+29 Punkte). Beide Hersteller haben ihre Softwareorganisationen strategisch neu ausgerichtet, Tech-Kompetenz in die Chefetagen geholt, OTA-Funktionen eingeführt und zentrale Architekturen etabliert. Auch GM konnte sich mit einem Plus von 16 Prozentpunkten durch Fortschritte bei Nutzerfreundlichkeit, Sprachassistenz und Architektur verbessern.
Diese Entwicklungen zeigen: Auch klassische OEMs können im Software-Zeitalter aufholen – wenn sie strukturell und kulturell die richtigen Weichen stellen.
Traditionelle OEMs tun sich hingegen nach wie vor schwer, Software ganz oben auf die Agenda zu setzen. Die Gründe für diese Trägheit liegen darin, dass es extrem schwierig ist, Vorstände grundlegend zu transformieren. In manchen Fällen sind es sogar die Haupteigentümer selbst, die die Bedeutung eines Software-First-Ansatzes nicht verstehen. Folglich fehlt dem Vorstand die Bereitschaft, diesen Status quo infrage zu stellen.
Pedro Pacheco, Gartner
Die Sorgenkinder: Renault und Europas Rückschritt
Anders sieht es bei einigen europäischen Herstellern aus. Renault verzeichnet den größten Absturz im Ranking: ein Minus von 32 Prozentpunkten. Gründe sind unter anderem der Verlust von Softwareverantwortung auf Vorstandsebene, eine verschlechterte App- und Website-Experience sowie eine nachlassende Wettbewerbsfähigkeit bei Entwicklergehältern.
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Auch die deutschen OEMs schneiden schwach ab: Volkswagen landet bei nur noch 34,8 Prozent, ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr. Besonders kritisch bewertet Gartner hier die Kategorien Führung, Kultur und Talententwicklung. BMW verliert leicht und liegt bei 36,9 Prozent, unter anderem wegen schwacher ADAS-Leistungen und UX-Problemen. Mercedes-Benz verharrt bei 37 Prozent – ein insgesamt solides, aber keineswegs wegweisendes Ergebnis.
Im regionalen Vergleich ergibt sich folgendes Bild: China erzielt erstmals mit 53 Prozent den höchsten Durchschnittswert. Die USA folgen mit 50 Prozent knapp dahinter. Europa fällt zurück auf nur noch 33 Prozent der niedrigste Wert seit Einführung des Index. Japan verschlechtert sich weiter und liegt nun bei durchschnittlich 26 Prozent.
Viele etablierte Hersteller glauben, dass die Lösung für höhere Innovationsgeschwindigkeit in agilen Methoden liegt. Diese helfen zwar, doch die eigentliche Lösung besteht darin, so viele Hindernisse wie möglich auf dem Weg zur Innovation zu beseitigen – etwa lange Entscheidungsprozesse oder Risikoscheu.
Pedro Pacheco, Gartner
Was die digitalen Vorreiter richtig machen
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Gartner hebt hervor, dass insbesondere neue Marktteilnehmer wie Xiaomi oder Nio die digitale Transformation nicht als Zusatzaufgabe betrachten, sondern als Kern ihres Geschäftsmodells. Sie investieren frühzeitig in eigene Softwareplattformen, arbeiten mit KI-gestützten Infotainmentlösungen und integrieren Subscription-Angebote in ihre UX-Strategie.
Ein wesentlicher Unterschied liegt in der Unternehmensführung: Die besten digitalen OEMs verfügen über Vorstände mit Tech-Background, vereinen Software und IT unter einer zentralen Führung und agieren mit agilen Entscheidungsstrukturen. Diese Transformation fehlt vielen Legacy-Herstellern noch und ist laut Gartner der zentrale Hebel für künftigen Erfolg.
Der Gartner Digital Automaker Index 2025 zeigt unmissverständlich: Die Kluft zwischen klassischen OEMs und digitalen Vorreitern wird größer. Wer künftig erfolgreich sein will, muss Software zur Führungsaufgabe machen – personell, strukturell und kulturell. Der Weg dorthin ist lang, aber alternativlos. Während Tesla und chinesische Anbieter Tempo machen, sollte Europa nicht weiter auf Sicht fahren.