
3D-Daten aus der Produktion auf beliebige Endgeräte zu bringen, ist eine große Herausforderung. (Bild: Mercedes-Benz)
Wenn in der Produktionsplanung große 3D-Datensätze auf einfache Weise sichtbar gemacht werden sollen, stoßen viele Systeme schnell an ihre Grenzen. Klassische Workstations sind häufig überfordert, Kollaboration ist nur eingeschränkt möglich, und Sicherheitsanforderungen machen die Sache nicht einfacher.
Genau an dieser Schnittstelle setzt das Projekt Digital Twin as a Service von Mercedes-Benz, NetAllied Systems und Hewlett Packard Enterprise (HPE) an. Das Ziel: 3D-Daten aus unterschiedlichsten Systemen direkt auf einem Server rendern und auf beliebige Endgeräte streamen – ohne vorherige Aufbereitung, ohne lokale Rechenleistung und ohne dass die Daten das Unternehmen verlassen müssen. Im Rahmen der automotiveIT Team Awards 2024 wurde das Projekt mit dem ersten Platz in der Kategorie Business Impact ausgezeichnet. Unsere Leserinnen und Leser würdigten damit einen Ansatz, der sowohl technisch als auch organisatorisch neue Wege geht.
Auf der Suche nach der richtigen GPU-Architektur
Die Idee für das Projekt entstand bereits im Jahr 2020. Daten, die zu groß oder zu sensibel für lokale Workstations waren, sollten zentral verarbeitet und als Service bereitgestellt werden. Mercedes-Benz entwickelte gemeinsam mit NetAllied Systems das Plattformkonzept, HPE steuerte die notwendige Serverinfrastruktur bei. In ausgiebigen Tests im Benchmark Center von HPE wurden geeignete GPU-Architekturen evaluiert und die Plattform für den Echtbetrieb vorbereitet. „Für mich war das Benchmarking ein zentrales Learning“, erklärt Thomas Meier, Senior AI Enterprise Architect bei HPE. „Wir haben früh erkannt, welche GPU-Architektur wirklich leistungsstark ist – und konnten daraufhin eine passgenaue Serverlösung designen.“
Bewerbungsphase für den IT Team Award 2025 hat begonnen!

Das Team von Mercedes-Benz, HPE und NetAllied wurden auf dem automotiveIT Kongress 2024 mit dem IT Team Award in der Kategorie Business Impact ausgezeichnet. Weitere Unternehmen wie Audi, Cariad, Volkswagen sowie KL Engineer oder MHP wurden für besondere IT-Teamleistungen in den Tech-Bereichen Smart Factory, Software-Defined Vehicle, Supply Chain sowie Culture ausgezeichnet.
Auch im Jahr 2025 werden in diesen Kategorien wieder herausragende IT- und Digitalisierungsinitiativen aus der Automobilbranche von der Community prämiert. Teams aus OEMs, Zulieferern und IT-Dienstleistern können sich ab sofort wieder für die Shortlist des automotiveIT Team Award bewerben!
Alles Informationen zum Bewerbungsprozess finden Sie hier.
Seit 2024 ist die Lösung offiziell live im Einsatz. Der nächste Meilenstein ist bereits im Fokus – die Integration von Werkstätten im Aftersales weltweit. „Wir sprechen dann nicht mehr über ein paar hundert, sondern über Hunderttausende Nutzer“, so Sebastian Schwarz, Gründer und Geschäftsführer von NetAllied. Das erfordere höchste Skalierbarkeit, etwa durch Load Balancing, GPU-Optimierung und Failover-Mechanismen. Ein zentrales Prinzip war von Beginn an die Datensouveränität. Die nativen 3D-Daten verbleiben auf den Servern im Rechenzentrum, während nur das gerenderte Bild übertragen wird. Dadurch lassen sich auch externe Partner wie Lieferanten oder zukünftig Werkstätten sicher einbinden. Der Bedarf, industrielle Geometriedaten effizient zu nutzen, ohne Kompromisse bei der Sicherheit einzugehen, war ein entscheidender Treiber für die Architektur.
„Früher waren bestimmte Nutzer an bestimmte Maschinen gebunden. Heute werden Anfragen automatisch verteilt", erklärt Joachim Schraitle, Product Owner bei Mercedes-Benz. Die Plattform erlaubt es, verschiedenste CAD-, PLM- oder BIM-Daten ohne Konvertierung zu verarbeiten. Visualisierungen sind auf unterschiedlichsten Endgeräten möglich, inklusive VR- und MR-Systemen. Durch kontinuierliche Optimierungen konnte die Zahl der Nutzer pro GPU deutlich gesteigert werden, was Skaleneffekte erzeugt und die Betriebskosten senkt. „Heute haben wir mit unserer Lösung quasi ein Streaming für 3D-Daten geschaffen“, sagt Schwarz. Alles habe einmal mit der Quake-3-Engine begonnen – und heute streame man hochperformante Visualisierungen direkt aus der Produktionsplanung.
Kleine, fokussierte Teams als Erfolgsmodell
Insgesamt arbeiteten auf allen Seiten kleine Teams von rund sechs bis zehn Personen an dem Projekt. Joachim Schraitle beschreibt die Zusammenarbeit als besonders fokussiert: Statt großer Runden mit vielen Beteiligten habe man gezielt kleine, handlungsfähige Teams geformt. Diese Struktur habe schnelle Entscheidungen ermöglicht. „Ich habe selten ein Projekt erlebt, in dem man so schnell Dinge umsetzen konnte. Jeder im Team wusste genau, was zu tun ist.“ Die Zusammenarbeit zwischen den drei Unternehmen beschreiben alle drei Beteiligten als effizient und vertrauensvoll. Die Rollenverteilung war klar: Mercedes-Benz brachte tiefes Prozessverständnis und IT-Security-Knowhow ein, NetAllied entwickelte die Visualisierungskomponenten, HPE stellte Infrastruktur, Benchmarking-Umgebung und Service-Know-how bereit. „Jeder konnte sich auf sein Spezialgebiet konzentrieren – das war echte Performance“, sagt Schwarz. „Ohne diese Teamleistung wäre ein so skalierbares System nicht denkbar gewesen.“
Die Hardwareauswahl erfolgte datenbasiert: Ursprünglich angedachte A16-GPUs wurden nach Tests durch leistungsfähigere L40-Modelle von Nvidia ersetzt. Meier betont, dass diese Testmöglichkeiten ein zentrales Learning gewesen seien. Hardware realitätsnah zu prüfen und gezielt auf die Anforderungen zuzuschneiden, habe wesentlich zur Performance und Stabilität der Plattform beigetragen. „Die Zusammenarbeit war offen, vertrauensvoll und immer auf Augenhöhe“, so Meier.
Agilität in Reinkultur
„Das war ein Paradebeispiel für DevOps“, so Schwarz. „Hier verlief alles fokussiert, agil und lösungsorientiert.“ Schraitle sieht auch in wirtschaftlicher Hinsicht klare Vorteile. Durch die Plattform können Ressourcen effizienter genutzt, neue Anwendungen schneller integriert und die Kosten pro Nutzer gesenkt werden. Zudem sei das System deutlich robuster gegenüber Ausfällen geworden und für künftiges Wachstum gut aufgestellt.
Das preisgekrönte Projekt steht damit exemplarisch für eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen Automobilindustrie, Softwareentwicklung und IT-Infrastruktur. Es zeigt, wie sich Innovationskraft, Sicherheitsdenken und Skalierbarkeit in einer gemeinsamen Lösung vereinen lassen – und welche Wirkung daraus entstehen kann, wenn jeder im Team seine Stärken einbringt.
automotiveIT Kongress 2025

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