
Mit klaren Linien, coupéhafter Silhouette und reduzierten Details setzt der Volvo EC40 außen auf eine Mischung aus Zurückhaltung und Dynamik (Bild: Volvo)
Beim ersten Blick auf den Volvo EC40 Fully Electric wird klar, dass es sich hier nicht um ein Konzeptfahrzeug handelt, das mit digitalem Overkill beeindrucken will, sondern um einen durchdachten Stromer mit Premiumanspruch. Das Exterieur überzeugt auf Anhieb mit klaren Linien, gelungenen Proportionen und einer kraftvollen Silhouette, die sich nicht hinter anderen Marken verstecken muss. Das Crossover-Coupé-Design betont die Dynamik, ohne aufdringlich zu wirken.
Einmal Platz genommen, zeigt sich ein deutlich anderer Charakter. Während das Äußere Emotionen weckt, wirkt der Innenraum bewusst reduziert. Keine überbordenden Displays oder verspielte Animationen, stattdessen eine aufgeräumte Cockpitarchitektur mit vertikalem Touchscreen und haptischen Drehreglern für die Klimasteuerung. Auffällig sind jedoch die stilvollen Applikationen von Kartenfragmenten aus Göteborg im Armaturenbrett als Hommage an die skandinavische Heimat von Volvo, die gleichzeitig als Designstatement fungiert.
Die intuitive Bedienbarkeit ist eine der großen Stärken des EC40. Fensterheber, Spiegelverstellung, Lautstärkeregler funktionieren wie gewohnt, ohne digitale Umwege. Zudem verzichtet das Fahrzeug auf einen klassischen Startknopf: Sobald der Fahrer den Sitz einnimmt, aktiviert sich der Wagen automatisch und schaltet sich ebenso geräuschlos ab, wenn er wieder verlassen wird. Ein smarter Komfortgewinn, der im Alltag schnell zur Selbstverständlichkeit wird.
Technik mit Fokus auf Alltagstauglichkeit
Auch im Fahrbetrieb zeigt sich der EC40 als moderner, aber nicht überambitionierter Vertreter der Elektromobilität. Dank serienmäßigem One Pedal Drive lässt sich das Fahrzeug nahezu ausschließlich über das Fahrpedal bewegen – eine Kombination aus Beschleunigung und Rekuperation, die nach kurzer Eingewöhnung schnell zum bevorzugten Fahrmodus wird. Unterstützt wird das entspannte Fahren durch einen prädiktiven Tempomaten mit Lane Assist: Blinksignale werden antizipiert, Spurwechsel vorbereitet, Geschwindigkeit angepasst. So entsteht auf der Autobahn ein angenehmer Fahrfluss mit spürbarer Entlastung für den Fahrer.
Einziger Wermutstropfen im Testwagen: Die Lenkradsensorik zeigte Schwächen im unteren Haltebereich, was dazu führte, dass die Assistenzsysteme gelegentlich eine nicht vorhandene „Hände weg“-Situation meldeten – eine Irritation, die Volvo softwareseitig beheben sollte. Auch das zentrale Infotainment-Display reagierte mitunter verzögert, was den ansonsten harmonischen Bedienfluss leicht stört. Diese Einschränkungen erscheinen jedoch verschmerzbar, da der Fokus des EC40 nicht auf verspielter Digitalität liegt, sondern auf einem souveränen, fahrerorientierten Gesamtpaket.
Assistenzsysteme im Volvo EC40
Pilot Assist: Spurführungsassistent inkl. adaptiver Abstandsregelung
Adaptive Geschwindigkeitsregelung (ACC): Automatische Tempo- und Abstandsregelung (0–200 km/h), inkl. Stopp-&-Go-Funktion
Oncoming Lane Mitigation: Lenkeingriff bei drohender Kollision mit entgegenkommendem Verkehr
Spurhalteassistent (LKA): Lenkt gegen bei Verlassen der Fahrspur
Blind Spot Information System (BLIS): Warnt vor Fahrzeugen im toten Winkel
Cross Traffic Alert mit Bremseingriff: Warnung und automatisches Bremsen bei seitlichem Verkehr beim Rückwärtsfahren
Driver Alert System: Erkennt Müdigkeit oder unkonzentriertes Fahrverhalten
Intelligenter Geschwindigkeitsassistent: basierend auf Google Maps an
Connected Safety (Cloud-basiert): Teilt Gefahren-Infos mit anderen Volvo-Fahrzeugen über ein Cloud-Netzwerk
Reichweitenrealismus zwischen Licht und Schatten
Insgesamt stehen im EC 40 vier Antriebsvarianten zur Wahl. Den Einstieg bildet die 175 kW (238 PS) starke Single Motor Version, die in Verbindung mit der 70-kWh-Hochvoltbatterie eine Reichweite von bis zu 487 Kilometer (nach WLTP-Zyklus) ermöglichen soll und von uns sowohl im Alltag als auch auf der Langstrecke getestet wurde. Unter anderem auf dem rund 500 Kilometer langen Weg zu einer Factory Tour im Volvo-Werk in Gent konnte der dort vom Band gelaufene EC40 zeigen, wie komfortabel sich Elektromobilität und Ladeinfrastruktur mittlerweile nutzen lassen. Nachdem das Fahrzeug vor Antritt der Fahrt trotz 100 Prozent Batterieladestand nur 380 Kilometer Reichweite anzeigte, relativierte sich auch diese Zahl auf der Autobahn jedoch im Handumdrehen. Bei konstanten 120 km/h sank die prognostizierte Reichweite innerhalb kürzester Zeit deutlich ab – ein Effekt, der bei vielen Elektrofahrzeugen bekannt ist, in diesem Fall aber stärker ausgeprägt erschien.
Die Plausibilität der Reichweitenprognose leidet unter der rein fahrstilbasierten Berechnung. Eine kontextbezogene Navigation, die Autobahnanteil und Durchschnittsgeschwindigkeit stärker gewichtet, könnte hier deutlich realistischere Werte liefern. In der Allradvariante Twin Motor AWD findet sich vorne ein 110 kW (150 PS) starker Asynchron-Elektromotor und hinten ein 190 kW (258 PS) Permanentmagnet-Elektromotor. In Verbindung mit dem 82-kWh-Akku ergebe sich eine Reichweite von bis zu 554 Kilometern. Neu im Programm ist zum Modelljahr 2025 der Twin Motor Performance AWD, bei der der vordere Motor 135 kW (183 PS) leistet. Dadurch steigt die Gesamtleistung des Antriebs auf 325 kW (442 PS).
Infrastrukturcheck im Praxistest
Das Laden des Volvo EC40 veränderte im Test den Blick auf die Realität der Ladeinfrastruktur. Ist man erst einmal auf öffentliche Ladesäulen angewiesen, wird schnell klar, wie sehr sich die Situation in vielen Städten bereits verbessert hat – oft unbemerkt. Was zunächst nach einem Umweg zum Supermarktparkplatz zwei Straßen weiter klang, entpuppte sich als unnötig: Im direkten Wohnumfeld standen zwei, wenn auch langsamere, Ladepunkte bereit. Auch auf längeren Strecken funktionierte das Zwischenladen reibungslos – etwa bei einem Zwischenstopp auf dem Weg nach Gent, wo der Ladevorgang an einer Supermarktsäule in rund 40 Minuten abgeschlossen war. Die Ladezeit ließ sich problemlos mit einem Kaffee und einem kurzen Einkauf überbrücken. Selbst spontane Ladesessions in der Innenstadt oder beim Einkauf gestalteten sich im Test unkompliziert – freie Ladepunkte waren so gut wie immer zu finden. Auch hier erlaubte sich das Fahrzeug im Testzeitraum einen kurzen technischen Schluckauf und ließ die flexibel einstellbare Maximalladung nicht mehr anpassen. Erneut demonstrierte Volvo demnach wieviel Komfort möglich wäre, wenn die liebe Technik zuverlässig mitspielen würde.
Sicherheit durch Sensorik – mit Toleranzen
In puncto Einparkkomfort überzeugt der EC40 mit einer rundum präsenten Sensorik, die durch eine 360°-Kamera ergänzt wird. Gerade weniger geübte Fahrerinnen und Fahrer profitieren von der umfassenden Visualisierung des Fahrzeugumfelds. Im Test erwies sich das System allerdings als tendenziell übervorsichtig: In zwei Fällen bremste das Fahrzeug trotz ausreichender Restdistanz abrupt ab oder gab Warnmeldungen aus, obwohl reale Hindernisse noch deutlich entfernt waren. Lieber einmal zu viel als zu wenig – dennoch wäre ein feineres Kalibrierungsniveau wünschenswert, um das Vertrauen in die Systeme nicht zu untergraben.
Fazit: Der EC40 bleibt sich treu
Der Volvo EC40 Electric ist kein Tech-Gadget auf Rädern, sondern ein klar positioniertes, alltagstaugliches Elektrofahrzeug mit Premiumanspruch. Seine Stärken liegen in der Balance aus Design, intuitiver Bedienbarkeit und komfortorientierter Fahrassistenz. Kleinere Schwächen bei Sensorik und Reichweitenkalkulation sind für ein Fahrzeug dieser Klasse nicht ungewöhnlich. Wer ein Elektrofahrzeug sucht, das nicht auf maximale Show, sondern auf maximalen Nutzungskomfort im Alltag setzt, trifft mit dem EC40 eine solide Wahl. Er ist weniger eine Spielwiese für Software-Updates als vielmehr ein Ausdruck skandinavischer Zurückhaltung.