Fahrzeug-Sensorik

Sensoren, Kameras und Displays im Fahrzeug spielen eine immer wichtigere Rolle. Doch aktuell fehlt es noch an Standards für das Zusammenspiel der Komponenten. (Bild: Hella)

Mit zunehmender Automatisierung fallen in der Umfeldsensorik der Autos (Kameras, Radar, Lidar) immer größere Datenmengen an. Das gleiche gilt für Bildschirme im Cockpit: Wo vor einigen Jahren noch ein mittelprächtiges Navigationsdisplay und ein vergleichsweise anspruchsloser Bordcomputer das Armaturenbrett beherrschten, prangen heute konfigurierbare virtuelle Cockpits mit hoher Auflösung neben Navigationsdisplays mit nahezu fotorealistischer Anmutung. Diese Bildschirme müssen kontinuierlich mit hohen Datenmengen gefüttert werden.

Nachfolger für den CAN-Bus gesucht

Aber für das alles gibt es doch den CAN-Bus, oder? Und gibt es nicht eine Erweiterung namens CAN FD, die höhere Datenraten ermöglicht? Nein: Die Datenmengen, von denen hier die Rede ist, schafft kein CAN-Bus. Diese Daten werden direkt übertragen – innerhalb von Geräten, von Gerät zu Gerät oder vom Sensor zur nachgelagerten Signalverarbeitung. Eine wichtige Rolle spielen dabei die sogenannten SerDes-Schaltkreise. Das Kürzel steht für Serializer/Deserializer – also jene Schaltungen, die die parallel vorliegenden Bytes aus den digitalen Schaltungen der Sensoren und Prozessoren für den Transport in einen seriellen Datenstrom verwandeln, über eine Leitung schicken und am anderen Ende wieder zurücktransformieren. Damit entsteht eine Schnittstellenproblematik: Wie genau müssen die Signale beschaffen sein, damit sich die angeschlossenen Geräte und Schaltkreise untereinander verstehen?

Um solche Dinge zu regeln und im Sinne der Automobilindustrie zu standardisieren, hat sich im vergangenen Jahr die Automotive SerDes Alliance (ASA) konstituiert. Gründungsmitglieder waren unter anderem BMW und Continental sowie eine Reihe von Halbleiterherstellern und Forschungseinrichtungen. Mittlerweile hat sich der Teilnehmerkreis erheblich erweitert: Unter anderem sind Ford, Hyundai und Volvo hinzugekommen. „Ziel der ASA ist die Standardisierung der Kommunikation von Video- und Sensorverbindungen mit hohen Datenraten“, erläutert ASA-Vorsitzender Stefan Brunner, der hauptberuflich bei Continental arbeitet. „Bei Sensorverbindungen liegt das Augenmerk hauptsächlich auf Kameras.“ Die Motivation: Heute werden unterschiedliche proprietäre Systeme, die untereinander nicht kompatibel sind, eingesetzt, um diese Displays und Sensoren an die Steuergeräte anzubinden. „ASA möchte eine speziell für den Automotive-Bereich ausgelegte standardisierte Schnittstelle definieren, um Interoperabilität zu ermöglichen, das heißt, dass mehrere Halbleiterhersteller untereinander kompatible Produkte herstellen können“, so der Vorsitzende. „Im Fahrzeug soll ein ähnlich einfaches Zusammenspiel von Sensoren und Displays mit Steuergeräten möglich werden, wie wir es im Consumer-Bereich etwa von USB oder Bluetooth gewohnt sind.“

MIPI Alliance kommt im Auto-Bereich an

Im Consumer-Markt regelt bereits eine andere Organisation solche Fragen – die MIPI Alliance. Aber weil im Auto zunehmend Geräte verbaut werden, die der Consumerwelt entstammen, etwa Kameras oder Display-Panels, sind im MIPI-Club auch Unternehmen aus der Autobranche vertreten, etwa BMW, Tesla, Bosch oder ZF. Die MIPI scheint mit mehr Verve vorzugehen. Erst kürzlich hat sie eine Spezifikation mit dem Namen A-PHY v1.0 für eine solche Datenleitung vorgestellt. Ausgelegt für hohe Resilienz gegen elektromagnetische Störungen, wie sie unter der Motorhaube häufig vorkommen, lassen sich über diese Leitungen bis zu 16 Gigabit pro Sekunde übertragen. In Zukunft soll sich die Datenrate noch erheblich steigen. Der zugehörige Protokollstack, der in der Spezifikation enthalten ist, ist ebenfalls auf maximale Zuverlässigkeit getrimmt. Der MIPI Alliance zufolge soll damit auf 10.000 Auto-Lebenszyklen lediglich ein Paketübermittlungsfehler vorkommen. Bei der ASA ist zurzeit eine ähnliche Spezifikation in der Mache, die aber andere Vorzüge aufweisen wird: Sie soll das gesamte automobile Ökosystem abdecken – „nicht nur die Halbleiterbausteine, sondern auch Kabel und Stecker bis hin zum Testequipment“, erläutert Brunner.

Entstehen hier gerade zwei konkurrierende Standards, die anschließend wieder mit viel Aufwand kompatibel gemacht werden müssen? ASA-Chairman Brunner erläutert die unterschiedlichen Ansätze. „Während bei MIPI eine existierende Technologie eines einzelnen Halbleiterherstellers ausgewählt und diese als Basis für den Standard genutzt wird, hat ASA eine neue Technologie von Grund auf für die Automotive-Bedürfnisse entwickelt“, so Brunner. „Hierbei haben mehrere Halbleiterhersteller als auch Zulieferer und Fahrzeughersteller ihr Knowhow eingebracht, um die Spezifikation für die anvisierten Anwendungen bestmöglich zu optimieren. Dies ermöglichte es ASA auch, den ersten Standard zu erstellen, der Security-Funktionen unterstützt, was besonders beim automatisierten und autonomen Fahrzeug wichtig ist.“

Das sieht man bei der MIPI-Konkurrenz ganz und gar nicht so. Der MIPI-Club bestreitet vor allem die Fixierung auf die Belange der Halbleiterindustrie und verweist auf die intensive Einbindung von Unternehmen aus der Automobillieferkette in die Standardisierungsarbeit. Dennoch beansprucht die ASA die höhere Relevanz für die Automobilbranche für sich. Angesichts beschleunigter Entwicklungszyklen der Fahrzeuge, insbesondere im Bereich der Display- und Sensoranbindungen, werden Teilsysteme wie Infotainment oder Fahrerassistenzsysteme nicht immer vollständig neu entwickelt, sondern es werden Komponenten aus früheren Versionen übernommen. „Heute ist bei einem solchen ,Carry Over‘ eine Technologieänderung für Display und Sensorschnittstellen mangels Kompatibilität technisch nur bedingt möglich. Bei der zukünftigen Verwendung von standardisierten Schnittstellen wie ASA wird dieser Vorgang technisch erleichtert“, so Brunner.

In dieser Gemengelage ist es schwierig abzusehen, welcher Standard sich letztlich durchsetzen wird. Da ist es für Autohersteller am besten, auf Nummer sicherzugehen und sich an beiden Arbeitskreisen zu beteiligen. So wie zum Beispiel BMW oder Hyundai – sie tanzen auf beiden Hochzeiten.

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