CCIS 2022

Michael Niklas-Höret, Knut Krösche und Stefan Singer diskutieren die Entwicklung von Automotive-Betriebssystemen.

Im Hinblick auf die digitalen Betriebssysteme im Fahrzeug fragt unter anderem Stefan Singer, Fellow & Senior Director, EMEA CAS Automotive bei NXP Semiconductors, inwieweit es für Autohersteller Sinn macht, komplett eigene Ökosysteme aufzubauen, anstatt auf gemeinschaftliche Entwicklungen zu setzen. Es sei fraglich, ob der Kunde diesen Aufwand überhaupt wertschätze oder ob nicht Gemeinschaftsentwicklungen für alle Beteiligten sinniger seien. Einerseits tendiere der Markt ohnehin zu einer Konsolidierung, wie etwa die Historie von Smartphone-Betriebssystemen zeige, andererseits sei eine Parallelentwicklung von Systemen unnötig teuer. Die Zeche müsse in diesem Fall der Endkunde zahlen, so Singer.

Unterstützung bekommt Singer vom Continental-Experten Michael Niklas-Höret, der als Deputy Chairperson die Branchenpartnerschaft Autosar vertritt. Man müsse bei der Entwicklung entsprechender Plattformen vor allem nach dem Kundennutzen fragen. Sinnvoll sei es, so Niklas-Höret, alle nicht für die Differenzierung notwendigen Funktionen im Rahmen von Partnerschaften zu erstellen. Allerdings herrsche innerhalb der Autobranche momentan Unstimmigkeit über die Definitionen bestimmter Systeme als wettbewerbsrelevant. Klar sei jedoch, dass unter anderem durch den Mangel an Fachkräften in vielen Bereichen bereits Limits erreicht wurden, an denen ohne Kooperationen kaum noch Innovationen möglich sein.

Software als Differenzierungsmerkmal

Auf Herstellerseite äußert sich unter anderem Knut Krösche, Head of Digital Business & Mobility Services bei Volkswagens Software-Tochter Cariad, zu der Thematik: Wenn Hersteller Software nicht als Differenzierungsmerkmal nutzen würden, drohe man zum puren Hardware-Anbieter zu werden. „Die Touchpoints sollten von uns kontrolliert werden, damit sich der Kunde in unserem Ökosystem bewegt“, erklärt Krösche. Notwendig sei dies unter anderem, um ein möglichst optimales Erlebnis hinsichtlich Datenschutz und Personalisierung anzubieten. Sowohl Hersteller als auch Nutzer können laut dem Cariad-Experten zudem von der Weiterentwicklung der vernetzten Systeme auf Basis erhobener Daten profitieren.

Dennoch zeigt sich auch Krösche offen für Standardisierungen und Partnerschaften - sowohl mit externen als auch mit internen Partnern. Im Volkswagen-Konzern gelte es, das Look & Feel der einzelnen Marken zu erhalten und diesen die Wahl zu erlauben, welche Dienste letztendlich ihren Weg zum Kunden finden. Gleichzeitig müsse man aber möglichst viel Komplexität aus den Backend-Systemen entfernen. „Im Maschinenraum können wir noch deutlich mehr vereinheitlichen“, so Krösche.

Um Kunden den gewohnten Komfort aus anderen digitalen Ökosystemen im Fahrzeug nicht vorzuenthalten, sei es zudem nötig, Drittanbieter-Services sinnvoll zu orchestrieren. Den eigenen Themenschwerpunkt sieht er vor allem bei Themen mit starkem Auto-Bezug: Etwa Dienste mit Bezug zur Sensorik des Fahrzeugs, Personalisierungen auf Basis der individuellen Routenplanung, die nahtlose Einbindung des Autos in intermodale Mobilitätssysteme oder die Buchung von Services rund um das Auto.

Sicherheit muss über den Lebenszyklus gedacht werden

Dass nicht nur Volkswagen an derartigen Services arbeitet, demonstriert Adi Ofek, CEO von Mercedes-Benz Research & Development Tel Aviv, im Rahmen ihres Vortrags. Im EQXX setzt der Stuttgarter Premiumhersteller etwa auf KI-Assistenten im Fahrzeug, eine 3D-Navigation und die Einbeziehung von topographischen sowie Wetter-Informationen in die Routenplanung.

Ebenso wie Cariad-Experte Krösche betont auch Ofek die Relevanz der Kundenschnittstelle: „Die Verbindung mit dem Kunden startet eigentlich erst richtig, nachdem dieser das Auto schon gekauft hat“, so die IT-Expertin. Dies dürfe jedoch nie auf Kosten der Sicherheit geschehen. „Lösungen, die innovativ aber nicht sicher sind, werden wir nicht launchen“, verspricht die Leiterin des israelischen Entwicklungsstandorts. Um die Sicherheit der eigenen Fahrzeuge zu garantieren, arbeite man einerseits mit der White Hat-Community zusammen. Andererseits denke man Security inzwischen konsequent in Lebenszyklen, was eine stringente Update-Strategie erfordere.

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