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Die Vision der Feststoffbatterie wird vermutlich erst am Ende der nächsten Dekade zur Realität. (Bild: Christoph Schmid)

Einige Schlagzeilen der vergangenen Monate: Das chinesische Startup Qing Tao hat mit der Produktion von Feststoffbatterien begonnen. Volkswagen investiert 100 Millionen Euro in das kalifornische Feststoffbatterie-Startup QuantumScape – Ziel ist es, bis 2025 eine Serienproduktion auf den Weg zu bringen. Die Daimler-Tochter EvoBus will ab 2020 Busse auch mit Feststoffbatterien anbieten. Bedenkt man dann noch, dass der Carsharing-Dienst Bluecar des französischen Mischkonzerns Bolloré seit etwa einem Jahrzehnt Fahrzeuge mit Feststoffbatterien im Einsatz hat, mag man an einem kurz bevorstehenden Durchbruch dieser Batterietechnologie kaum zweifeln. Allein, die Wirklichkeit sieht anders aus: Zum einen ist Feststoffbatterie nicht gleich Feststoffbatterie, zum anderen liegen zwischen Labor und Großserienfertigung Welten.

Zunächst die Fakten: Feststoffbatterien haben einen festen, keinen flüssigen Elektrolyten. Dabei handelt es sich um Polymermembranen, Gläser oder Keramiken. Dank des Feststoff­s kann es zu keiner Leckage der Zelle kommen, gleichzeitig sind viele Feststoffelektrolyte schwerer entflammbar als Flüssigelektrolyte. Die Sicherheit steigt also. Man hofft, dass sich deshalb das Batteriemanagement deutlich vereinfachen lässt und kompaktere Bauformen möglich werden. All das würde sich positiv auf Gewicht und Volumen auswirken. Der Schlüssel zu Batterien mit höherer Energiedichte als den heutigen Lithium-Ionen-Batterien ist jedoch die Lithium-Metall-Anode. Diese hochreaktive Anode mit Festelektrolyten muss sich sicher und anwendbar machen lassen. „Wenn das gelingt, dann sind in einer solchen Feststoffbatteriezelle Energiedichten erreichbar, die um 30 bis 50 Prozent höher liegen als bei der Lithium-Ionen-Technologie mit Flüssigelektrolyten“, sagt Martin Winter, wissenschaftlicher Leiter des MEET-Batterieforschungszentrums an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Winter sitzt auch dem wissenschaftlichen Beirat für Batterieforschung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vor.

Die Feststoffbatterie ist ein Versprechen. Bevor es sich einlösen lässt, ist noch viel Forschung nötig. „Unter den Feststoff­elektrolyten gilt es solche zu finden, die sehr leitfähig, leicht zu verarbeiten und langlebig sind“, sagt Winter. „Leider vereint bislang kein Material alle drei Eigenschaften gleichzeitig in sich.“ Auch das Befüllen und gleichmäßige Verteilen eines Feststoffes in der Zelle ist keineswegs trivial. Die Elektroden müssen gut und dauerhaft benetzt sein. Gerade in einer großflächigen Serienproduktion keine leicht zu lösende Aufgabe. „Optimale Grenzflächen müssen ja auch dann gewährleistet sein, wenn sich die Zellkomponenten thermisch oder elektrochemisch bedingt ausdehnen oder zusammenziehen“, erklärt der Wissenschaftler. Der Fertigungsprozess könnte daher relativ teuer werden, auf jeden Fall aufwendig. Zudem – Stichwort: Materialkosten – ist der Lithiumanteil im Feststoff ums bis zu 80-fache höher als bei einem flüssigen Elektrolyten. Und ob eine Lithium-Metall-Anode mit Festelektrolyten zuverlässig arbeitet, ist ebenfalls noch ungewiss. Erste Funktionsmuster aus dem Labor gibt es zwar bereits, einen Beweis für ihre Langlebigkeit aber gibt es nicht.

Dass Feststoffbatterien manchmal dennoch kurz vor der Kommerzialisierung zu stehen scheinen, liegt an den Lithium-Polymer-Batterien, bei denen der Elektrolyt aus einer Polymermembran besteht. „Diese Technologie ist nicht wirklich neu“, sagt Margret Wohlfahrt-Mehrens, Leiterin der Batterieforschung am Ulmer Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung. „Solche Zellen erreichen aufgrund der gewählten Materialien für Elektrolyt und Elektroden keine hohen Energiedichten, vor allem keine höheren als die Lithium-Ionen-Technologie mit flüssigem Elektrolyten.“ Auch ihre Schnellladefähigkeit sei begrenzt, sogar „eher schlechter als die von Lithium-Ionen-Zellen“. Bluecar zum Beispiel setzt solche Lithium-Polymer-Zellen ein. Und es ist zu vermuten – die Hersteller halten sich in dieser Angelegenheit sehr bedeckt –, dass sich auch die anderen Ankündigungen, in denen von Markteintritten in den kommenden Jahren die Rede ist, auf die Lithium-Polymer-Technologie beziehen. Falls es nicht einfach nur Marketing ist. „Wirklich innovativ mit Blick auf die Energiedichte sind nur Feststoffbatterien auf Lithium-Metall-Basis“, sagt Wohlfahrt-Mehrens. Martin Winter hat beobachtet, dass gerade Feststoffbatterie-Startups gerne „kurz vor der nächsten Investorenrunde vielversprechende Ergebnisse veröffentlichen“. Dabei würden immer einzelne gute Eigenschaften des eigenen Zellenprototypen hervorgehoben, nie gehe es um den immer notwendigen guten Eigenschaftsmix. „Bei dem“, so Winter, „schneiden Lithium-Ionen-Zellen mit Flüssigelektrolyten noch immer am besten ab.“ Die Lithium-Ionen-Technologie sei seit drei Jahrzehnten am Markt, Feststoffbatterien dagegen weitgehend ein F&E-Thema.

Wie lange die Entwicklung einer konkurrenzfähigen Feststoffbatterie noch dauert, ist in Margret Wohlfahrt-Mehrens Augen nicht seriös vorhersagbar: „Bis zu einer Serienverfügbarkeit aber sicherlich noch mehr als ein Jahrzehnt.“ Martin Winter hat den Eindruck, dass mancher in der Branche das vergisst: „Die Vision der Feststoffbatterie dient als Ausrede für ein fehlendes Engagement in der Lithium-Ionen-Zellfertigung.“ Manchmal kommt dann als Begründung, dass die Zellfertigung für Feststoffbatterien produktionstechnisch eine völlig neue Welt sei, weshalb dann die Karten im Markt neu gemischt werden würden. Dieser Einschätzung stimmt Winter nur bei manchen Feststoffzelltypen zu. „Es gibt aber auch dann Fertigungsschritte, wie sie bei heutigen Lithium-Ionen-Zellen etabliert sind.“ Die Skalierung einer Fertigung sei zudem immer Übungssache. „Wer Lithium-Ionen-Zellen mit Flüssigelektrolyten kann, wird Feststoffzellen besser können“, ist Winter überzeugt. Aus diesem Grund werde sich eine Produktion von Feststoffzellen tendenziell auch dort ansiedeln, wo bereits aktuelle Lithium-Ionen-Zellen entstehen. Margret Wohlfahrt-Mehrens sieht das ähnlich: „Uns droht, dass wir durch ein Warten auf die Feststoffbatterie den Anschluss verlieren.“ Die Elektromobilität laufe aber jetzt hoch – „während wir seit zehn Jahren vergebens auf eine revolutionäre Technologie hoffen, die uns auf die Überholspur der Zellfertigung bringt“.

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