Cockpit im Connected Car

Für die Anforderungen des autonomen Fahrens und modernen HMI-Technologien braucht es eine leistungsstarke Dateninfrastruktur – und entsprechende Standards. (Bild: Adobe Stock/metamorworks)

Immer mehr Kameras ergänzen das Sensorium moderner Autos, eine steigende Zahl hochauflösender Bildschirme ziert Fahrer- und Beifahrerarbeitsplätze und dient der Unterhaltung der Rücksitzpassagiere. Der Datenaustausch mit den jeweils zugeordneten Steuergeräten erfolgt über spezielle Leitungen. Denn wegen der hohen Datenmengen, die hier in kürzester Zeit hin- und hergeschaufelt werden müssen, kommen die im Auto üblichen Standard-Datenleitungen wie CAN/FD oder Ethernet nicht in Frage. Stattdessen nutzt man für diese Signale eigens entwickelte Serializer/Deserializer-Schaltungen (SerDes).

Darum gibt die MIPI Alliance den Ton an

Auf diesem Terrain rivalisieren seit einiger Zeit zwei verfeindete Lager darum, ihre jeweilige Technik als Standard zu etablieren. Für die Zulieferer und Chiphersteller wird die Entscheidung in diesem zukunftsträchtigen Marktsegment weitreichende Folgen haben. Denn so ein Standard würde dem jeweiligen Camp helfen, die Entwicklungszeiten zu verkürzen und die Einkaufslisten von Zulieferern und OEMs zu straffen. Das alles verspricht erhebliche Wettbewerbsvorteile.

Die MIPI Alliance, eine Gruppierung zahlreicher Elektronikunternehmen mit Wurzeln in der Consumer- und Computerindustrie, gibt ob ihrer schieren Marktmacht die Schlagzahl vor. Der Gruppe gehören unter Chip-Schwergewichte wie Arm, Intel, Nvidia oder Samsung an, aber auch Toyota, zudem Zulieferer wie Bosch, Denso, und ZF. MIPIs Protokollspezifikationen regeln den hardwarenahen Datenaustausch; unter der Bezeichnung Display Stack sollen sie zudem den Weg für die Einführung eines übergreifenden Kommunikations-Frameworks namens MASS (MIPI Automotive SerDes Standard) bereiten. Nach den Vorstellungen der MIPI Alliance soll MASS das Fundament für ein standardisiertes Konnektivitäts-Ökosystem zur Integration von (Bild)-Sensoren und Displayeinheiten in Fahrzeugen abgeben.

Abweichler wie BMW fokussieren Automotive-Belange

Eine zweite Gruppe, die Automotive SerDes Alliance (ASA), hat sich im Streit von der MIPI abgespalten. Sie will einen eigenen Standard etablieren, der nach eigenem Bekunden die Belange der Autoindustrie stärker berücksichtigen soll. Ihr Standardvorschlag ASA Motion Link enthält unter anderem Vorkehrungen zur Datensicherheit und bietet die Möglichkeit, Datenereignisse mit einem hochpräzisen Zeitstempel zu versehen.

Kurios an der Auseinandersetzung ist der Umstand, dass manche Player Mitglied in beiden Gremien sind – etwa eine Reihe von Halbleiterherstellern und der Autohersteller BMW. Auch das ASA-Camp hat mit BMW und Continental eine beachtliche Riege von Schwergewichten um sich geschart, darunter Ford, Hyundai und Volvo sowie das Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen IIS.

Wie der Streit zwischen den Gruppen entbrannte

Der Ärger begann, als die MIPI die A-PHY-Technologie des israelischen IP-Anbieters Valens zur Grundlage des Standards machen wollte. Diese Technologie hätte alle Vorgaben der MIPI-Gruppe einschließlich des Mitglieds BMW punktgenau erfüllt, versichert Ariel Sobelman, Senior Vice President von Valens. Die Nutzung dieser Technik sollte für alle MIPI-Mitglieder kostenlos möglich sein. „Es ist mir wichtig zu betonen, dass dieser Vorschlag nicht mit Lizenzgebühren oder Kosten für die MIPI-Mitglieder verbunden war,“ sagt der Manager.

Dennoch kam es zum Krach. „Meine Informationen gehen dahin, dass eine Gruppe, angeblich unter Führung von BMW, sehr unglücklich über die Auswahl von Valens als Anbieter der Kerntechnologie war“, erläutert Ian Riches von der Unternehmensberatung Strategy Analytics. Über die Gründe darf spekuliert werden; es deutet einiges darauf hin, dass sie jenseits der Sachebene zu finden sind.

MIPI sieht sich jedenfalls weiterhin im Aufwind. „Mir ist kein einziger OEM bekannt, der unsere Standards nicht zumindest evaluiert. Ich kenne nur sehr, sehr wenige OEMs, die sich – aus religiösen Gründen – nicht damit beschäftigen,“ sagt Sobelman unter Anspielung auf BMW. Das MIPI-Camp dürfte mittlerweile deutlich mehr Anhänger – auch in der Autobranche – um sich geschart haben – und zudem das deutlich umfangreichere Ökosystem bieten. „Für die ASA könnte es schwierig werden, den Vorsprung der MIPI noch aufzuholen“, kommentiert Ian Riches. „MIPI hat mit CSI und DSI deutlich die Nase vorn. Das ist es, was Kameras, Displays und SoCs nutzen. Das gibt MIPI meiner Meinung nach die Oberhand.“

MIPI bremst ASA per Vorstandsbeschluss aus

Bis vor kurzem noch zeigte sich die ASA jedoch quicklebendig. Vorsitzender Stefan Brunner sprach von anhaltend sehr hohem Interesse seitens der Autoindustrie. „Das zeigt sich nicht zuletzt an der aktiven Beteiligung einer Vielzahl von Automotive-OEMs,“ so Brunner. Doch nun hat die MIPI-Gruppe ihre ganze Marktmacht in die Schlacht geworfen, um die Rebellen endgültig auszubremsen: Per Vorstandsbeschluss hat MIPI kürzlich der Konkurrenz die Nutzung bestimmter Techniken und Verfahren untersagt.

Insbesondere darf das zentrale Kamera-Schnittstellenprotokoll MIPI CSI-2 nicht über den ASA Motion Link verwendet werden. Das könnte für die ASA-Gruppe um BMW das Aus bedeuten. „Aus unserer Sicht bedeutet der Beschluss des MIPI-Boards, dass die Entwicklung des ASA Motion Links eine Sackgasse darstellt,“ sagt ein MIPI-Insider, der nicht namentlich genannt werden will. „De facto bleibt damit nur der MIPI-Standard für asymmetrische SerDes-Konnektivität im Auto übrig.“ Ob das die ASA-Gruppe in die Knie zwingt, bleibt vorläufig unklar. Eine Stellungnahme zu dieser Entwicklung wollte der ASA-Vorstand nicht abgeben – unter Verweis auf „laufende Verhandlungen.“

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