
Autohersteller müssen YouTube als soziales Netzwerk verstehen. Wer den Dienst als reine Werbeplattform nutzt, spricht die nächste Generation von Käufern nicht an, erklärt Simon Kaiser. (Bild: Klein aber)
Welche neuen Möglichkeiten hinsichtlich der Kundenbindung ermöglicht YouTube den Autoherstellern?
Stellen Sie sich einfach den Besuch im Autohaus vor: Wer seinen Kunden beim ersten Besuch 30 Sekunden lang anschreit, wird ihn wohl nicht so schnell wiedersehen. Wer sich hingegen Zeit nimmt und regelmäßig für ihn da ist, der hat gute Chancen auf eine lebenslange Kundenbeziehung. Und hier kommt YouTube ins Spiel. Die Plattform ermöglicht es Marken, nachhaltig in Kontakt mit ihrer Zielgruppe zu treten und langfristige Bindungen aufzubauen. Denn der YouTube-Algorithmus begünstigt genau die KPIs, die für Unternehmen bei der Kundenbindung relevant sind. Dabei ist die Watchtime, also die Zeit, die Zuschauer mit den Videos verbringen, die wichtigste Metrik. Wer viel Zeit mit den eigenen Kunden verbringt und einen Mehrwert liefert, wird vom Algorithmus belohnt und häufiger vorgeschlagen. Schließlich geht es auch beim Autohandel nicht darum, mit möglichst vielen Kunden kurz zu sprechen, sondern mit den richtigen Kunden möglichst intensiv.

Welche Autofirmen schöpfen das Potenzial der Plattform momentan aus und welche hinken hinterher?
Keine Automarke scheint derzeit das volle Potenzial von YouTube auszuschöpfen. Das fängt bei der fehlenden Strategie an: Die meisten Marken setzen auf kurzfristige Aktionen oder klassische Werbespots. Dabei kauft man ein Auto nicht nur, weil man einmal einen klassischen Kampagnen-Film gesehen hat. Ein weiterer Punkt: das Design. Wer die YouTube-Kanäle von Audi und Mercedes aufruft, könnte meinen, denselben Kanal zu sehen: Bildsprache und Ästhetik sind austauschbar und beliebig. Opel Deutschland geht den richtigen Weg und setzt auf serielle Formate. Leider werden diese nicht konsequent durchgezogen und sterben meist einen schnellen Tod. Die Länge der Videos spricht hier Bände. Während einige Folgen von “#thenormalones” wenigstens etwas länger als fünf Minuten sind, bleibt der Kanal doch ein Mischmasch und stellt das Format-Experiment auch direkt wieder ein.
Wie wird sich das Marketing der Zukunft durch YouTube verändern, und was bedeutet das für die Werbestrategie?
Anders als oft behauptet, sehe ich nicht die gesunkene Aufmerksamkeitsspanne als das große Problem der Werbetreibenden, sondern die Toleranz für Bullshit. Diese ist bei den Kunden in den letzten Jahren massiv gesunken. Marken, die ihre Werbung nicht verändern, haben daher ein Problem. Wir müssen die Art, mit der wir uns im Gedächtnis und Herzen der Kunden verankern, überdenken. Warum hat Netflix Disney als wertvollsten Medienkonzern der Welt abgelöst? Weil sie mehr Zeit mit ihren Kunden verbringen. Marken bauen Vertrauen und Nähe auf, indem sie sich die Zeit für ihre Kunden nehmen und zuhören. YouTube ist dafür der perfekte Kanal. Wer YouTube als soziales Netzwerk versteht statt als Werbeplattform, der hat eine gute Chance, die nächste Generation von Kunden für sich zu gewinnen.
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