Strategy

24. Jun. 2025 | 13:00 Uhr | von Yannick Tiedemann

Gemeinsamer Open-Source-Stack

Autoindustrie rückt bei Softwareentwicklung enger zusammen

Elf namhafte OEMs und Zulieferer haben eine Absichtserklärung unterzeichnet, in den nächsten Jahren bei nicht-differenzierender Fahrzeugsoftware enger zusammenzuarbeiten. 2026 soll ein erster auf Open Source basierender Core Stack stehen.

Architektur eines SDV

Alles, was dem Kunden verborgen bleibt: Nicht-wettbewerbsdifferenzierende Fahrzeugsoftware wollen Autobauer künftig gemeinsam entwickeln. (Bild: Adobe Stock / Catsby_Art)

Mit einer gemeinsamen Erklärung setzen führende Vertreter der deutschen und europäischen Automobilindustrie ein Zeichen für mehr Kooperation bei Fahrzeugsoftware: Elf OEMs und Zulieferer, darunter Mercedes-Benz, BMW, Volkswagen, Bosch und Continental, haben im Rahmen des Automobil Elektronik Kongress in Ludwigsburg ein Memorandum of Understanding (MoU) unterzeichnet. Das Ziel: die vorwettbewerbliche Entwicklung nicht-differenzierender Softwarekomponenten auf Open-Source-Basis.

Koordiniert vom Verband der Automobilindustrie (VDA) soll der sogenannte Core Stack künftig zentrale Funktionen wie Middleware, Betriebssystem und Kommunikationsdienste abdecken. Entwickelt wird die Basissoftware im Projekt S-CORE (Eclipse Safe Open Vehicle Core) unter dem Dach der Eclipse Foundation.

„Wir müssen in der Software deutlich schneller und effizienter werden“, sagt VDA-Geschäftsführer Marcus Bollig. „Ein Großteil der Software ist nicht differenzierend. Diesen Teil können und sollten wir gemeinsam entwickeln.“

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Modulares Ökosystem, offene Governance

Der Stack soll unter anderem Schlüssel- und Speichermanagement, Diagnosefunktionen sowie Protokolle wie Ethernet oder CAN umfassen – Komponenten, die nicht sichtbar für den Kunden sind, vielfach aber redundant entwickelt werden. Der neue Core Stack werde modular aufgebaut und sei sowohl technologisch als auch organisatorisch nach Open-Source-Prinzip offen angelegt: Weitere Partner aus Europa und der Welt sollen sich beteiligen können.

Das Entwicklungsmodell folgt dem „Code-First“-Ansatz: statt Spezifikationen zu schreiben, wird „lauffähige“ Software bereitgestellt. Als Plattform fungiert die Eclipse Foundation, die auch für Governance, Qualitätssicherung und die Anschlussfähigkeit an Industriestandards wie Autosar oder Covesa sorgen soll.

Effizienzgewinn statt Wildwuchs

Die gemeinsame Entwicklung soll vor allem eines erreichen: Komplexität senken. Heute, so Bollig, müsse ein Zulieferer müsse ein Zulieferer seine Software oft für jeden OEM individuell integrieren – ein enormer Aufwand. „Mit einem gemeinsamen Stack können wir diese Vielfalt drastisch reduzieren“, so der VDA-Geschäftsführer. „Das spart Kosten und schafft Freiraum für echte Differenzierung.“

Die Hersteller entscheiden selbst, welche Module sie übernehmen. Wer auf proprietäre Lösungen setzt, muss allerdings auch eigenständig weiterentwickeln. Wer sich beteiligt, profitiert von der kollektiven Weiterentwicklung und Qualitätssicherung.

Die Gefahr, dass sich die Initiative im Klein-Klein verliert und die Unternehmen an manchen Stellen doch wieder auf proprietäre Schnittstellen und Systeme setzen, soll durch das Framework der Eclipse Foundation eingedämmt werden. „Innerhalb des Eclipse S-CORE-Projektes gibt es klare Regeln, wie Module eingebracht, bewertet und weiterentwickelt werden“, betont Martin Schleicher, Fahrzeugsoftwareexperte, der zuletzt das Thema bei Continental strategisch verantwortete.

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Ziel sei Zertifizierbarkeit, beispielsweise nach ISO 26262. „Die zugrunde liegende Referenzarchitektur ist verbindlich. Das sorgt für Konsistenz“, so Schleicher. „Und: Der Stack, den ein Unternehmen nutzen kann, ist vorvalidiert, also bereits in der Referenzumgebung getestet. Wer ihn nutzt, spart Zeit und Ressourcen.“  

Serienreife bis 2026

Die erste vollständige Serienversion des Core Stack soll 2026 bereitstehen. Dann zunächst für Plattformen rund um automatisiertes Fahren. Vier Jahre später – so der Plan der Unternehmen – soll der Software-Stack dann in einem Fahrzeugprojekt in Serie gehen. Weitere OEMs und Zulieferer sollen bis dahin eingebunden werden. Die Unterzeichner – darunter BMW, Mercedes-Benz, Bosch, Continental, ZF, Vector, Valeo, ETAS und Qorix – wollen damit den Grundstein für eine skalierbare, zertifizierbare und souveräne Softwarebasis legen.

Christoph Grote, Senior Vice President Electronics and Software bei der BMW Group, betonte die Bedeutung des Open-Source-Ansatzes der Initiative: „Die BMW Group ist überzeugt, dass integrierte Ökosysteme mit Open-Source-Plattformen und -Tools die Entwicklung von Mobilitätslösungen entscheidend vorantreiben. Ein gemeinsamer Code-First-Ansatz wird die Grundlage für Funktionsinnovationen in unseren zukünftigen Produkten sein.“

Die Partner im Automotive Grade Open-Source Software Ecosystem:

  • BMW Group
  • Mercedes-Benz AG
  • Volkswagen Group
  • Continental AG
  • Robert Bosch GmbH
  • ZF Friedrichshafen
  • Vector Informatik
  • Valeo
  • ETAS
  • Qorix
  • Eclipse Foundation

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