Mehrere Menschen arbeiten an mobilen Rechnern, im HIntergrund sind Bewerberprofile aus Jobbörsen zu sehen

In der IT werden händerigend Softwareexperten gesucht. (Bild: Unsplash)

Rund 124 000 Stellen, ein neuer Rekord – leider ein negativer: So hoch war die Zahl der unbesetzten IT-Jobs Ende 2019, wie der ITK-Verband Bitkom in einer Studie bekanntgab. Innerhalb von zwei Jahren hat sich damit die Zahl der fehlenden IT-Fachkräfte mehr als verdoppelt (2017: 55 000). Der Personalmangel in der Branche ist wahrlich kein neues Phänomen, doch Industrie und Politik bleiben bisher nachhaltige Lösungen schuldig.

Die Zeit drängt: Zwei Drittel der befragten Unternehmen erwarten, dass sich die Situation in den kommenden Jahren weiter verschärfen wird. „Jede unbesetzte IT-Stelle kostet Umsatz, belastet die Innovationsfähigkeit der Unternehmen und bremst die nötige digitale Transformation. Der Mangel an IT-Experten bedroht die Wettbewerbsfähigkeit unserer gesamten Wirtschaft“, zeigt sich Bitkom-Präsident Achim Berg alarmiert.

In jedem sechsten Unternehmen bleiben IT-Arbeitsplätze länger als ein halbes Jahr lang unbesetzt. Zudem sagen 40 Prozent, dass die Besetzung von IT-Stellen länger dauert als die anderer vakanter Positionen. Besonders groß ist der Fachkräftemangel laut Bitkom in den Bereichen Softwareentwicklung, IT-Anwendungsbetreuung und Data Science. „Der hohe Bedarf an Softwareentwicklern zeigt die gravierenden Veränderungen, die im Zuge der Digitalisierung in den Unternehmen stattfinden“, so Berg. „Software wird immer mehr zum Teil des Kerngeschäfts. Damit zieht die Softwareentwicklung quer durch alle Branchen in die Unternehmen ein und gewinnt dort massiv an Bedeutung.“

Volkswagen sucht 2.500 IT-Kräfte

Dieser Trend lässt sich zweifelsohne auch in der Automobilindustrie nachzeichnen. Allein der Volkswagen-Konzern möchte in diesem Jahr rund 2500 IT-Experten einstellen. Im Zuge der im Juni 2019 gegründeten Car.Software-Organisation möchte Volkswagen den Eigenanteil der Softwareentwicklung im Fahrzeug von aktuell unter zehn auf 60 Prozent steigern. Dafür taxiert der Volumenhersteller den Bedarf an Digitalexperten auf insgesamt 10 000 für die kommenden fünf Jahre. Auch Daimler geht mit Veranstaltungen wie beispielsweise dem IT-Recruiting-Day gezielt auf Talentsuche und lockt die qualifizierten Fachkräfte mit unbefristeten Arbeitsverträgen.

Solche vertraglichen Angebote sowie spannende Aufgabenstellungen sind im Wettbewerb um die besten Köpfe sicherlich kein schlechtes Faustpfand. Häufig scheitern Unternehmen jedoch schon an der richtigen Ansprache der Bewerber auf zeitgemäßen Kanälen. So gibt eine breite Mehrheit in der Bitkom-Studie an, dass Kandidaten sich bei ihnen per E-Mail (97 Prozent) oder schriftlich per Bewerbungsmappe (83 Prozent) bewerben können. Doch nur eine Minderheit setzt auf Online-Bewerbungs-Tools (26 Prozent) oder ermöglicht die Bewerbung mit einem Mausklick aus Businessnetzwerken heraus (sechs Prozent). Gerade einmal ein Prozent nutzt Bewerbungs-Apps.

„Die Unternehmen müssen ihre Bewerbungsverfahren dringend an die digitale Welt anpassen. Um sich ein Bild von einem Softwareentwickler zu machen, hilft ein ausgedrucktes Anschreiben mit Zeugnissen und Arbeitsproben wenig. Eine knappe Mail mit Links zu erfolgreichen Projekten und deren Quellcode auf entsprechenden Plattformen ist da viel aussagekräftiger“, betont Bitkom-Präsident Berg.

Paradigmenwechsel auf dem Arbeitsmarkt

Während große Autobauer und Zulieferer in der Regel auf etablierte Bewerbersysteme setzen und sich nur zaghaft an neue Tools herantrauen, sieht es bei den Engineering-Dienstleistern anders aus. Ein Beispiel dafür ist Ferchau. Das Gummersbacher Unternehmen erhält jährlich nach eigenen Angaben zwischen 130 000 und 150 000 Bewerbungen und sieht dennoch auf dem Arbeitsmarkt einen Paradigmenwechsel: „Der gesamte Rekrutierungsmarkt unterliegt – besonders beim Thema Digitalexperten – einem starken Wandel.Gerade die Suche nach IT-Fachkräften führt uns selbst wieder zurück an die Fachhochschulen und Universitäten. Als Unternehmen sind wir mit den Instituten eng vernetzt, um so schon in einem frühen Stadium potenzielle Mitarbeiter ansprechen zu können“, sagt Achim Seibertz, der bei Ferchau für den Bereich Automotive Mitte verantwortlich ist. Doch auch ein „Active Sourcing“ gehört beim Entwicklungsdienstleister seit 2019 zum Standardrepertoire. Dafür wurden in den Niederlassungen sogenannte „Talent Sourcer“ installiert, die qualifiziertes Personal über Plattformen wie Xing oder LinkedIn direkt ansprechen und gewinnen sollen.

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