Kundenorientierung, Flexibilität, Geschwindigkeit, Qualität – nicht nur den 2.800 Mitarbeitern im IT-Zentrum an der Bremer Straße in München fällt es heute leicht, alle Vorteile aufzuzählen, die mit einem agilen Arbeitsmodell verbunden sind. Im vierten Jahr der umfangreichen Transformation ist „100 % Agile“ an allen Standorten der BMW Group-IT weltweit angekommen. Geht es zum Beispiel darum, bestehende IT-Produkte weiterzuentwickeln oder neue Applikationen zu programmieren, ziehen Domänen-Verantwortliche und Product Owner rund um den Globus im Tandem mit den Businesskollegen an einem Strang. „Wir haben einen Riesenschritt in der cross-funktionalen Kollaboration gemacht und profitieren von der engen Vernetzung, die sich zwischen den Entwicklungsteams und dem Business ergibt“, berichtet Ralf Waltram. Er zeichnet für die IT-Systeme in der BMW-Fahrzeugproduktion und -Teilelogistik verantwortlich und begleitet das Thema Agilität von Anfang an.
Das Wasserfallmodell hat ausgedient
Die mutige Grundsatzentscheidung fiel bereits Mitte 2016: Statt weiter im klassischen Wasserfallmodell zu arbeiten, mit starr aufeinanderfolgenden Projektphasen, vordefinierten Start- und Endpunkten und eindeutig definierten Ergebnissen, wollte die BMW Group-IT lieber agil unterwegs sein. Hauptgrund: In dynamischen Zeiten mit skalierbaren Softwarearchitekturen und Microservices stieß die traditionelle Vorgehensweise immer öfter an Grenzen. Es erwies sich nicht mehr als zielführend, wenn ein Fachbereich die technischen Anforderungen an ein IT-System definierte und drei Jahre vor Implementierung in einem Word- oder Powerpoint-Dokument zusammentrug. Stattdessen ist heute überall, wo viel IT und Software im Einsatz ist und die IT Seite an Seite mit den Fachbereichen agiert, Agilität angesagt.
Beide Seiten nutzen wie selbstverständlich User Storys, Sprints und Reviews, um ihre Vorhaben gemeinsam schnell über die Ziellinie zu ziehen. Von den ersten Überlegungen bis zur Produktivsetzung stecken die Vertreter des beauftragenden Fachbereichs mit Softwareentwicklern und Betriebsverantwortlichen in interdisziplinären BizDevOps-Teams die Köpfe zusammen. „Wir wollen neue Software nicht nur um ihrer Funktionalität willen ins Unternehmen bringen, sondern auch dafür Sorge tragen, dass sie optimal eingesetzt wird“, bekräftigt Waltram. Selbst Fachbereiche, die mit weniger IT-getriebenen Prozessen arbeiten, kennen die agilen Arbeitsprinzipien. Im letzten Jahr hat es viele Informationsveranstaltungen und Roadshows vor Ort gegeben, beispielsweise in der Produktion.
Agilität als dauerhafte Transformationsaufgabe
Scrum Boards mit bunten Post-it-Zetteln und das schnelle Denken und Arbeiten in zweiwöchigen Sprints breiten sich seit Juni 2017 in der BMW Group-IT beinahe schon viral aus – verbunden mit dem motivierenden Gefühl, dass die Teams an wichtigen Entscheidungen direkt beteiligt sind. Zum Beispiel hat die IT den Wasserfall als Vorgehensmethode hinter sich gelassen und denkt nicht mehr in Projekten. „Wir verfügen heute über langlebige IT-Produkte und wollen gemischte Teams etablieren, die intensiv mit ihnen arbeiten. So erkennen wir schnell, wo es welchen Handlungsbedarf gibt, ob der Fokus phasenweise eher auf Betriebsaspekten oder der IT-Security liegen sollte oder ob man sich eher um die Entwicklung neuer Features kümmern möchte.“ Die Praxis zeigt: Bei der Priorisierung im Backlog läuft es meistens auf einen ausgewogenen Mix verschiedener Schwerpunkte hinaus.
Die BMW-IT versteht Agilität als dauerhafte Transformationsaufgabe, als eine Art Journey, auf die sich das Unternehmen dauerhaft begeben hat. Deshalb existiert kein definierter zeitlicher Endpunkt. Was es aber gibt, sind Checkpunkte, die immer wieder neu festlegt werden und als Wegmarken Orientierung geben. Entlang des Transformationsweges stößt man nämlich immer wieder auf Dinge, die verbessert werden können. Darum achten sogenannte Agile Master sehr genau darauf, ob den Teams etwas fehlt, um wirklich agil arbeiten zu können, oder ob ein IT-Produkt Nachjustierungen oder Ergänzungen braucht.
Coronakrise war kein Hindernis
In wöchentlichen Impediment-Prozessen versuchen Domänenverantwortliche und Product Owner alle Roadblocks aus dem Weg zu räumen, die das agile Arbeiten langsamer machen könnten. Waltram: „Wir teilen unsere Erkenntnisse und geben zielgerichtet Best Practices weiter, damit möglichst viele Mitarbeiter davon lernen und langfristig profitieren.“ Selbst auf dem bisherigen Höhepunkt der Corona-Pandemie in Europa ist es gelungen, den Informationsfluss aufrechtzuerhalten. Die Zusammenarbeit und der Austausch in Teamsitzungen erfolgten konsequent in Skype-Sessions. Das hat noch nicht einmal ein großes Umdenken erfordert, weil es vielerorts bereits so praktiziert wurde.
„Tatsächlich haben wir festgestellt, dass die Arbeitsgeschwindigkeit in dieser Phase sogar etwas zugelegt hat. Der agile Spirit hat allen Teams geholfen, professionell mit der Situation umzugehen“, berichtet Waltram. Ist Agilität also bereits zu einem festen Bestandteil der BMW-Arbeitswelt geworden? IT-Manager Waltram beantwortet diese Frage mit einem klaren Ja. „Agilität bestimmt in der BMW Group den Tagesablauf. Wir sehen gegenüber früher dramatische Veränderungen, wie in sämtlichen Unternehmensbereichen Meetings abgehalten werden und wie Teams zusammenarbeiten. Agilität in all ihren Ausprägungen ist nicht mehr wegzudenken.“
Qualifizierung ist alles
Die zielgerichtete Unterweisung von Mitarbeitern und Teams sieht BMW als elementaren Erfolgsfaktor seiner agilen Transformation. Auch für die Schulungen gilt das Prinzip „Inspect and Adapt“ – permanent wird geprüft, wo man steht und was erreicht wurde. Sollte es Dinge geben, die zu verbessern sind, werden Maßnahmen zur Umsetzung entsprechender Veränderungen sofort vereinbart. Zudem stellt BMW regelmäßig Informationen zur agilen Transformation auf einer internen Kommunikationsplattform bereit und es gibt ein großes Workshop-Angebot, um Mitarbeiter mit neuen Rollen vertraut zu machen. Maßgeschneiderte Detailangebote, beispielsweise die Begleitung einzelner Teams durch qualifizierte Trainer, runden die Qualifizierungsmaßnahmen ab. In aktiven Austauschformaten rund um Leuchtturmprodukte versucht die Organisation, so viel wie möglich voneinander zu lernen – und das domänenübergreifend: In allen Regionen, in denen BMW präsent ist, tauschen sich Entwicklung, Produktion und Vertrieb kontinuierlich aus.