Eine Ansammlung von Startup-Unternehmern in der BMW Startup Garage

Jährlich werden 600 bis 800 Startups im Hinblick auf eine Aufnahme in das Programm der BMW Startup Garage bewertet. (Bild: BMW)

Am Puls der Zeit

Die Skyline von Tel-Aviv bei Nacht.

Mit dem Technology Office in Tel Aviv verfügt BMW seit dem vergangenen Jahr weltweit über fünf Tech-Standorte. Neben Israel hat der Autobauer seine Zelte bereits im Silicon Valley (Palo Alto), Peking, Tokio und Seoul aufgeschlagen. Die kleinen, agilen Teams vernetzen sich vor Ort eng mit Startups oder Cross-Industry-Partnern und bewerten gemeinsam relevante Trends und Innovationen.

Viel Holz, lichtdurchflutete, offene Arbeitsplätze – wer sich in der Startup Garage von BMW in Garching bei München das erste Mal umsieht, könnte meinen, er sei direkt im Headquarter eines florierenden Tech-Startups gelandet. Das Innendesign ist dabei natürlich kein Zufall: Die inspirierende Arbeitsatmosphäre soll dafür sorgen, dass die neuesten Technologien und Ideen Einzug in die Produkte, Services, Systeme sowie Prozesse des Münchener Premiumherstellers halten. Während anfangs der Fokus der BMW Startup Garage auf dem Bereich Produkte und Services lag, werden seit 2018 Innovationen für alle Unternehmensbereiche im Programm berücksichtigt.

In der Startup Garage – mittlerweile im fünften Jahr – findet inzwischen jährlich ein Austausch mit mehr als 1.500 Startups weltweit statt. Versprechen die Ideen der Jungunternehmer für den Autobauer Potenziale, geht es in eine nähere Prüfung. So werden jedes Jahr zwischen 600 und 800 Startups im Hinblick auf eine mögliche Aufnahme in das Programm der BMW Startup Garage bewertet. „Wir differenzieren uns ganz klar von einer Ideenschmiede à la Accelerator und einem reinen Investor, der vor allem Kapital bereitstellt“, betont Bernhard Schambeck, Leiter der BMW Startup Garage.

Bernhard Schambeck, Leiter der BMW Startup Garage, mit verschränkten Armen vor dem Logo.
Bernhard Schambeck leitet die Startup-Schmiede, die seit 2015 auf der Suche nach Innovationen ist. (Bild: BMW)

Vier Säulen der Unterstützung

Im Gegensatz zum klassischen Venture-Capital-Ansatz, bei dem Wagniskapital zur Verfügung gestellt wird, baut der OEM in der Startup Garage auf das Venture-Client-Modell. So wird BMW zum Kunden des Jungunternehmens zu einem Zeitpunkt, zu dem noch kein marktreifes Produkt zur Verfügung steht. Denn in der Frühphase haben die Start­ups in der Regel eher Lösungsansätze und innovative Ideen für bestimmte Bereiche, statt bereits passgenaue Produkte. Die Start­up-Schmiede beauftragt die Gründer gerade in dieser noch sehr risikoreichen Phase – daher der Name „Venture Client“. Kern des Programms ist die Entwicklung eines funktionalen Prototyps im Rahmen eines Pilotprojekts.

Der Vorteil für die BMW Group ist der frühe Zugang zu Innovationen und eine individuelle Anpassung der Technologie vor der Marktreife. Die Startups erhalten wertvolle Einblicke in die Automotive-Prozesse, können ein Netzwerk im Unternehmen aufbauen und werden bei der Weiterentwicklung ihres Businessplans unterstützt, um ihnen den Einstieg in die Automobilindustrie zu erleichtern. „Bei der ersten Zusammenarbeit fordert BMW von den Startups auch keine Exklusivität und setzt keine IP-Restriktionen durch. Wir stehen als Startup Garage für einen offenen Austausch“, so Schambeck.

Das Programm unterstützt die Startups entlang der vier Säulen „Build“, „Sell“, „Learn“ und „Network“. Hinter „Build“ und „Sell“ stehen die Durchführung des Pilotprojekts und die Erstellung eines Businessplans. Bausteine von „Network“ und „Learn“ sind die sogenannten Deep Drive Days, ein Event bei dem sich die Startups in Workshops und im Rahmen von Impulsvorträgen intensiv mit Mitarbeitern verschiedener Fachbereiche der BMW Group austauschen und vernetzen können. Alle vier Säulen des Programms zahlen auf den Aufbau langfristiger Geschäftsbeziehungen ein.

„Startups haben in der Regel ein sehr gutes technologisches Knowhow. Sie scheitern aber häufig an der Skalierung ihrer Produkte in millionenfacher Ausführung und gleichbleibend hoher Qualität. Das ist etwas, was wir traditionell bei BMW sehr gut können. Wenn unsere Industrialisierungskompetenz dann mit der Innovationskraft von Startups zusammenkommt, entstehen gute Produkte“, ist Bernhard Schambeck überzeugt.

Globales Scouting nach Technologien

Das typische Startup im Programm von BMW ist ein Unternehmen in der Frühphase mit einem Investment zwischen zehn und zwanzig Millionen Euro. Ein funktionierender Prototyp und der passende Use Case sind für den Autobauer natürlich die Grundvoraussetzung. Der Fokus liegt auf Entwicklungsthemen wie dem automatisierten Fahren, Connected Car und Elektrifizierung sowie Services rund um neue Mobilität und Finanzen.

Doch auch Technologien aus Produktion und Logistik wie beispielsweise Robotik, 3D-Druck, künstliche Intelligenz, Big Data, Smart Shopfloor und Mobile Devices landen im Themenpool der Startup Garage. „Im Zuge des ersten gemeinsamen Projekts bekommen 50 Prozent unserer Startups eine Nachfolgebeauftragung. Diesen hohen Wert erreichen wir, weil wir von Anfang an mit den Fachbereichen zusammenarbeiten“, unterstreicht Schambeck. Im Schnitt werden in der Startup Garage pro Jahr 25 Projekte durchgezogen.

Und das nicht nur in Garching. Der Blick für neue Ideen und Innovationen geht weit über den Teller- beziehungsweise Stadtrand hinaus. Das gesamte Technologie-Scouting der BMW Group ist global aufgestellt. Die Startup Garage ist mit kleinen, agilen Teams an den internationalen Technologiehotspots vor Ort und wird dabei von den Technology Offices der BMW Group in China, Japan, Südkorea und den USA unterstützt.

Seit Mitte des letzten Jahres ist mit Tel Aviv ein weiterer vielversprechender Tech-Standort hinzugekommen. In enger Anbindung an die zentralen Entwicklungsabteilungen in München soll jedes Tech-Office dazu beitragen, den frühen Zugang zu neuen Trends sicherzustellen, um die Mobilität der Zukunft zu gestalten. „In den Tech-Offices scouten wir relevante Technologien und Lösungen und stellen neben dem Kontakt zur Startup Garage auch den Draht zu unseren Fachbereichen her“, sagt Kai Petrick, Leiter für Open Innovation bei der BMW Group.

"Die Höhle der Löwen"

Neben dem weltweiten Netzwerk setzt der bayerische Konzern auch auf Crowd-Innovation. In klassischen Automotive-Feldern wie dem automatisierten Fahren, Connectivity und Elektrifizierung des Antriebsstrangs richtet sich BMW an eine Vielzahl von internen Entwicklungsexperten. Über eine eigene IT-Plattform adressiert der OEM bestimmte Fragestellungen jedoch auch an externe Innovatoren. Am Ende werden die Ideen von BMW-Experten bewertet und in Geschäftsmodelle überführt.

Seit gut zwei Jahren vertraut der OEM auch auf ein Accelerator-Programm, das sich insbesondere mit Service-Innovationen auseinandersetzt. Der Accelerator richtet sich an interne einzelne Experten oder Teams, die zu bestimmten Fragestellungen Lösungen entwickeln sollen. „Ähnlich wie bei der TV-Show ‚Die Höhle der Löwen‘ können die Intrapreneure vor einer BMW-Jury ihre Ideen pitchen und bekommen im Erfolgsfall dann einen Platz in unserem Accelerator-Programm“, skizziert Petrick den Prozess.

Innerhalb von zwölf Wochen sollen die Innovationen dann in Produkte, Services oder Geschäftsmodelle umgesetzt werden. Von recyclingfähigen Fußmatten über Abo-Modelle von Leasing­rückläufern bis hin zu einer Mobilitätsbudget-App reicht das Portfolio. „Das Mobility-Budget-Projekt wurde mittlerweile ausgegründet und operiert unter dem Namen Moovster als eigenes Unternehmen“, berichtet Kai Petrick. Kunden sind unter anderem BMW selbst und IBM. Dabei schafft es natürlich nicht jedes Vorentwicklungsprojekt, das Licht der Welt zu erblicken. In der Automotive-Welt sei dieses Scheitern auch mittlerweile kein Beinbruch mehr, ist Petrick überzeugt. Denn ohne Risiko würden im Zweifelsfall auch die besten Ideen auf der Strecke bleiben.

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