Danny Shapiro Nvidia

Für Danny Shapiro, VP Automotive bei Nvidia, ist klar, dass die Entwicklung sicherer, selbstfahrender Autos eine der schwierigsten KI-Herausforderungen ist, die es zu lösen gilt. (Bild: Nvidia)

Herr Shapiro, in den letzten Jahren hat Nvidia eine Kooperation mit einem Automobilhersteller nach dem anderen verkündet. Ist der Automotive-Sektor heute das wichtigste Wachstumsfeld für Sie?

Der Automobilmarkt ist für Nvidia sehr wichtig. Wir arbeiten seit über zwei Jahrzehnten mit der Automobilindustrie zusammen und werden weiterhin Lösungen für die Entwicklung sicherer und effizienter Transportmittel liefern. Erst im März haben wir bekanntgegeben, dass wir in den nächsten sechs Jahren mehr als elf Milliarden US-Dollar für Designaufträge in der Automobilindustrie erhalten werden. Dazu gehören wichtige Vereinbarungen mit OEMs auf der ganzen Welt. So arbeiten wir beispielsweise mit Mercedes-Benz zusammen, um softwaredefinierte Fahrzeugflotten zu entwickeln, die auf dem fahrzeuginternen Computersystem Drive Orin und unserer KI-Computing-Infrastruktur basieren und im Jahr 2024 in Produktion gehen. Mit Jaguar Land Rover haben wir angekündigt, dass wir gemeinsam automatisierte Fahrsysteme der nächsten Generation und KI-gestützte Dienste für Kunden entwickeln und bereitstellen werden. Wie bei der Partnerschaft mit Mercedes-Benz werden alle JLR-Fahrzeuge auf der softwaredefinierten Plattform Drive Orin aufbauen, die ein breites Spektrum an Systemen für aktive Sicherheit, automatisiertes Fahren, Parken und Fahrerassistenz bietet. Die Plattform ist offen und modular aufgebaut und bietet eine hohe Rechenleistung, sodass Endkunden Fahrzeuge erwerben können, die mit der Zeit immer besser werden. Sie können durch Over-the-air Software-Updates weitere Funktionen hinzufügen und so den Wert und die Sicherheit des Fahrzeugs über dessen gesamte Lebensdauer erhöhen.

Jensen Huang hat Anfang des Jahres prophezeit, die nächste Generation von Fahrzeugen werde die Autoindustrie in eine der größten und am weitesten fortgeschrittenen Technologieindustrien verwandeln. Eine kühne Behauptung?

Das Zeitalter der Geräte mit fester Funktion ist vorbei. Ob Smart-TVs oder Telefone - die Verbraucher sind daran gewöhnt, dass ihre Produkte im Laufe der Zeit durch Software-Updates verbessert werden. In ähnlicher Weise erwarten wir, dass die nächste Generation von softwaredefinierten Fahrzeugen die Automobilindustrie radikal verändern wird. In der Vergangenheit waren die Produktzyklen in der Automobilindustrie jahrelange Prozesse, bei denen die Kunden das neueste Modell kaufen mussten, um Zugang zur neuesten Technologie zu erhalten. Mit den kommenden softwaredefinierten Architekturen können die Automobilhersteller Upgrades über OTA-Updates viel schneller bereitstellen – und zwar für Fahrzeuge, die bereits auf der Straße sind.

Welche technologischen Hürden müssen Entwickler beim autonomen Fahren in erster Linie überwinden, um endlich die Level 3 und 4 freischalten zu können?

Die Herausforderung besteht darin, dass die traditionellen Fahrzeugarchitekturen nie für einen Software-First-Ansatz ausgelegt waren. Die meisten Fahrzeuge sind nach wie vor auf viele Dutzend elektronische Steuergeräte im gesamten Fahrzeug angewiesen, wobei jedes Steuergerät auf eine bestimmte Aufgabe spezialisiert ist. Diese Steuergeräte werden nur selten aktualisiert, oder die Aktualisierungen werden in der Regel beim Händler vorgenommen, was unpraktisch sein kann. Anstatt dedizierte Funktionen fest in die Steuergeräte zu kodieren, erfordert eine moderne Fahrzeugarchitektur hochleistungsfähige, zentralisierte Rechenleistung und komplexe Software-Stacks, die KI nutzen. Mit dieser einheitlichen Architektur können Automobilhersteller fortschrittliche Softwarefunktionen über die gesamte Lebensdauer des Fahrzeugs hinweg integrieren und aktualisieren. Wie ein Mobiltelefon, das regelmäßig Software-Updates erhält, werden diese softwaredefinierten Fahrzeuge kontinuierlich aktualisierbare Geräte sein, die sich im Laufe der Zeit verbessern. Während die Vorteile autonomer Fahrzeuge weitreichend sind, ist die Entwicklung sicherer, selbstfahrender Autos eine der schwierigsten KI-Herausforderungen, die es zu lösen gilt. Und das erfordert enorme Rechenleistung und Softwarekompetenz.

Wird das Zusammenspiel aus Sensorik, Infrastruktur und KI jemals vollautonome Fahrzeuge auf Level 5 ermöglichen?

Wir sind der festen Überzeugung, dass die nächste Generation des Verkehrs autonom ist. Die Einführung vollständig autonomer Fahrzeuge wird weiterhin in Phasen erfolgen. Derzeit gibt es Dutzende von Pilotversuchen in der ganzen Welt. Dieser relativ eingeschränkte Zugang wird sich mit Spezialfahrzeugen fortsetzen, die in kontrollierten Umgebungen wie Häfen oder Minen eingesetzt werden, sowie mit Robotaxis, langsamen Personen-Shuttles und Ride-Hailing-Diensten, die in relativ kleinen, geografisch abgegrenzten Gebieten operieren. Wir sehen auch erste Versuche mit Fernlastern auf der Autobahn durch Partner wie TuSimple oder Volvo Autonomous Solutions, die Pilotversuche in begrenzten Gebieten wie Häfen durchführen. Der Schlüssel zu weiteren Fortschritten auf dem Weg zu einem sichereren und effizienteren autonomen Verkehr ist eine leistungsstarke, zentralisierte Rechenleistung. Dies ermöglicht es den Fahrzeugen, das für das autonome Fahren erforderliche Spektrum an redundanten und vielfältigen DNNs (Deep Neural Networks, Anm. d. Red.) zu betreiben.

Wie groß ist der finanzielle Anteil Nvidias an der Wertschöpfung bei Technologien wie dem autonomen Fahren? Das alte Machtverhältnis zwischen Hersteller und Zulieferer akzeptieren Sie sicherlich nicht mehr.

Autonome Fahrzeuge erfordern eine enorme Menge an KI-Rechenleistung, und wir arbeiten hart an der Lösung dieser möglicherweise komplexesten Rechenaufgabe der Welt. Die Autos der Zukunft werden softwaregesteuerte KI-Computer auf Rädern sein. Das bedeutet, dass die OEMs auch zu Softwareunternehmen werden und mit einem größerem Ökosystem zusammenarbeiten müssen, um die Entwicklungskosten zu senken und die Markteinführung zu beschleunigen.

Zur Person:

Danny Shapiro
(Bild: Nvidia)

Danny Shapiro ist Vice President Automotive bei Nvidia und fokussiert Anwendungen für Infotainment, Navigation und Fahrerassistenz. Er ist seit 25 Jahren in der Computergrafik- und Halbleiterindustrie tätig und seit 2009 bei Nvidia. Vor seiner Tätigkeit bei den Kaliforniern war Shapiro in den Bereichen Marketing, Geschäftsentwicklung und Engineering bei ATI, 3Dlabs, Silicon Graphics und Digital Equipment beschäftigt. Er hat Elektrotechnik und Informatik an der Princeton University sowie Marketing an der Haas School of Business der UC Berkeley studiert. Er lebt in Nordkalifornien.

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