
Über die tatsächliche Rechenleistung des Supercomputers schweigt sich Continental bislang aus. (Bild: Continental)
Der Erfinder und Pionier Konrad Zuse entwickelte Anfang der 1940er Jahre den ersten Digitalrechner. Seine Leistung: maximal zwei Operationen in der Sekunde – also zwei Flops (Floating Point Operations Per Second). Fast 80 Jahre später liefert der schnellste Rechner der Welt, der japanische Computer Fugaku, beeindruckende 415,5 Petaflops. Oder anders formuliert: 415 Billiarden Operationen die Sekunde. Nicht nur für Laien sind Zahlen mit 15 Nullen kaum noch zu fassen. Doch entsprechende Rechenleistungen sind in einer digitalen und softwaregetriebenen Welt unerlässlich. Das gilt ebenso für die Autobranche.
Sieben Tonnen an Hardware
Um neuronale Netze für autonome Fahrfunktionen und ADAS zu füttern, ist ein Vielfaches mehr an Informationen nötig, als Testfahrzeuge generieren könnten. Für genau diesen Anwendungsfall hat Continental in einen eigenen Supercomputer investiert. Derzeit sammelt die Testflotte des Zulieferers auf rund 15.000 Kilometern täglich rund 100 Terabyte an Daten. In Zukunft sollen diese Erprobungsrunden auch virtuell stattfinden – ein rechenintensiver Anwendungsfall. Daher baut Continental gemeinsam mit Nvidia in Frankfurt ein Hochleistungscluster auf. „Der Supercomputer ist eine Investition in unsere Zukunft“, sagt Christian Schumacher, Leiter Program Management Systems in der Geschäftseinheit Fahrerassistenzsysteme bei Continental. „Das hochmoderne System reduziert die Zeit für das Training neuronaler Netze, da mindestens 14-mal mehr Experimente gleichzeitig durchgeführt werden können.“
Der Rechner von Continental besteht aus mehr als 50 Nvidia-DGX-Systemen und mehr als 400 einzelnen Grafikprozessoreinheiten, die mit dem Nvidia-Mellanox-InfiniBand-Netzwerk verbunden sind. Ganze sieben Tonnen Hardware wurden verbaut und drei Kilometer Kabel verlegt. Angebunden sind die Knoten entweder via 400 oder 800 Gigabit pro Sekunde. Angaben über die Rechenleistung wollte Continental nicht machen, beteuert aber, dass es sich um den schnellsten Rechner der Autobranche handelt.
„Wir gehen davon aus, dass sich die Zeit, die für das vollständige Training eines neuronalen Netzes benötigt wird, von Wochen auf Stunden verkürzen wird“, erklärt Balázs Lóránd, Leiter des KI-Kompetenzzentrums von Continental in Budapest, der zusammen mit seinen Teams an der Entwicklung der Infrastruktur für KI-basierte Innovationen arbeitet. „Unser Entwicklungsteam ist in den letzten Jahren zahlenmäßig gewachsen und hat an Erfahrung gewonnen. Mit dem Supercomputer sind wir jetzt in der Lage, die Rechenleistung noch besser nach unseren Bedürfnissen zu skalieren und das volle Potenzial unserer Entwickler auszuschöpfen.“

Škoda setzt Maßstäbe in Tschechien
Auch die Autobauer selbst rüsten auf. Im vergangenen Jahr hat Škoda den leistungsfähigsten gewerblichen Rechner Tschechiens in Betrieb genommen. Der OEM setzt auf zwei SGI-8600-Cluster von HPE. „Unser neuer Supercomputer verfügt über zwei Computercluster, 1008 Rechenknoten und 24 192 Prozessorkerne. Insgesamt erreichen wir damit eine Rechenleistung von zwei Petaflops“, so Škoda-CIO Klaus Blüm. Die Unternehmensbereiche Technische Entwicklung und Produktion nutzen die Kapazitäten des Clusters für Visualisierungen, Virtual-Reality-Darstellungen und Simulationen, zum Beispiel für Weiterentwicklungen im Bereich Fußgängerschutz, Simulationen in den Bereichen Aeroakustik und Aerodynamik oder die Weiterentwicklung der Motorenpalette.
Künftig soll Škodas Supercomputer sogar 15 Billiarden Operationen pro Sekunde durchführen können. Damit würde er sich in der renommierten Top-500-Liste der schnellsten Computer der Welt nach aktuellem Stand auf Rang 16 wiederfinden. Am Höchstleistungsrechenzentrum der Universität Stuttgart (HLRS) wurde in diesem Jahr der stärkste General-Purpose-Supercomputer Europas eingeweiht. Hawk, ein Apollo-System von HPE mit einer Spitzenleistung von rund 26 Petaflops, soll Forschung und Industrie des Landes Baden-Württemberg unterstützen – das schließt die in Süddeutschland starken Bereiche Automobil und Mobilität explizit mit ein. In der Top-500-Liste ist Hawk noch nicht vertreten, er würde allerdings direkt einen Platz in den Top 10 einnehmen – sofern die Konkurrenz nicht zur nächsten Auflage des Rankings wieder nachgelegt hat.
Sie möchten gerne weiterlesen?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos:
Sie sind bereits registriert?
Hier anmeldenAktuelle Beiträge

„Dem Kunden ist es egal, woher die Software stammt“
Seitdem Magnus Östberg letzten September die Rolle als Chief Software Officer bei Mercedes-Benz eingenommen hat, wurden viele Weichen für die Zukunft gestellt: Das softwaredefinierte Fahrzeug soll in den Mittelpunkt des Handelns gestellt werden.Weiterlesen...

„Die Konsolidierung wird weiter voranschreiten“
Für Autoexperte Stefan Bratzel ist klar: Die Transformation der Autoindustrie wird zu einigen unschönen Verwerfungen führen. Autobauer müssten daher bei Software oder Elektromobilität Fahrt aufnehmen, um die eigene Zukunftsfähigkeit zu garantieren.Weiterlesen...

„Security wird zu oft als Verhinderer gesehen"
Die Digitalisierung im Eiltempo hat ihre Tücken: Sie entwickelt sich meist schneller, als Security-Konzepte mithalten können. ISG-Experte Roger Albrecht erklärt, wie Firmen auf diese komplexen Anforderungen reagieren können.Weiterlesen...

„Lidar wird in der Zukunft nur noch eine Nische darstellen“
Einst ging Tesla mit seinem Lidar-Verzicht beim autonomen Fahren einen Sonderweg. Durch die neuen Möglichkeiten eines 4D Imaging Radar könnte die Strategie jedoch bald Nachahmer finden, erläutert Matthias Feulner, ADAS-Experte von NXP.Weiterlesen...

„Es wird keine Trennung zwischen IT und OT mehr geben"
Der Amtsantritt von Hanna Hennig als IT-Chefin von Siemens war turbulent: Es galt, die Folgen der Coronapandemie zu managen sowie neue Cloud- und Security-Konzepte auf den Weg zu bringen. automotiveIT gewährt sie einen Einblick in ihre Agenda.Weiterlesen...
Diskutieren Sie mit